Formel 1: Nick Heidfeld:Das routinierte Stehaufmännchen

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Vor dem Großen Preis von Ungarn bemängelt Renault-Teamchef Eric Boullier die Führungsqualitäten von Nick Heidfeld und sucht bereits nach Ersatz. Im Gespräch sind die deutlich jüngeren Bruno Senna und Romain Grosjean. Heidfeld selbst versteht das nicht: Er ist mit seinen Leistungen ziemlich zufrieden.

René Hofmann

Es war nur eine kleine Meldung, aber wie so oft in der Formel 1: Das Timing war entscheidend. Die Renault-Mechaniker hatte am vergangenen Sonntag am Nürburgring noch nicht alle Kisten auf die Lastwagen gepackt, die die Rennwagen weiter zum Großen Preis von Ungarn (Qualifikation, Sa., 14 Uhr/Rennstart So., 14 Uhr) schleppen sollten, als das Team verlautbarte: Nick Heidfeld wird beim ersten Training in Ungarn zuschauen.

"Ich fand die Leistungen nicht schlecht", sagt Heidfeld über sein Rennjahr. (Foto: dpa)

Für ihn springt Ersatzpilot Bruno Senna, 27, ein. Als Erklärung führte Eric Boullier, der Chef der Equipe, lediglich aus: Es sei "die richtige Zeit", um dem Neffen des berühmten brasilianischen Rennfahrers Ayrton Senna eine Chance zu gewähren. Für Heidfeld bedeutet das nichts Gutes.

Zehn der 19 Rennen, die 2011 gefahren werden sollen, sind absolviert. In der Fahrerwertung steht Heidfeld mit 34 Punkten nur zwei Zähler besser da als sein Teamkollege, der Russe Witali Petrow, dem er mehr als 150 Grand-Prix-Rennen voraus hat.

Von der dpa um eine Halbjahreseinschätzung gebeten, gab der 34-Jährige sich kürzlich für seine Darbietungen in der Qualifikation auf einer Skala bis zehn selbst trotzdem eine Sieben. Für seine Leistungen in den Rennen zog Heidfeld gar eine Neun.

Eine Meinung, die in Kontrast steht zu dem, was sein Vorgesetzter Boullier jüngst von sich gab. Nachdem Heidfeld beim Deutschland-Grand-Prix zunächst Force-India-Fahrer Paul di Resta touchiert hatte und anschließend von Toro-Rosso-Lenker Sebastien Buemi aus dem Rennen ins Kiesbett befördert worden war, ließ der Teamchef in französischen Medien durchsickern, Nick Heidfeld habe nicht die erwarteten Führungsqualitäten gezeigt. Der Routinier könne zwar das Auto weiterentwickeln, das Team aber nicht so recht mitreißen.

Eine derartige Äußerung alleine reicht in dem geschwätzigen Geschäft noch nicht, um daraus einen Trend zu destillieren. Aber Boullier und ein maßgeblicher Teilhaber des Teams sandten in der vergangenen Woche noch mehr Signale, indem sie auffallend deutlich einen jungen Fahrer lobten: den Franzosen Romain Grosjean. Der 25-Jährige führt aktuell die Nachwuchsserie GP2 an. Vor zwei Jahren durfte er schon einmal für Renault in der Formel 1 antreten. Es blieb ein kurzes Abenteuer von sieben Rennen. Inzwischen aber, glaubt Boullier, sei der Kandidat "viel reifer".

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Lewis Hamilton streitet während des Rennens mit seiner Boxencrew, Mark Webber muss den Taxifahrer für Fernando Alonso geben, Felipe Massa regt einen Muttertag für seine Techniker an - und Michael Schumacher gerät auch bei seinen Erklärungen ins Schleudern.

Maik Rosner, Nürburgring

Der Mannschaftsführer befindet sich in einer komfortablen Lage: Sein Team gehört zu den ambitionierten im Feld, aber nicht zu den Favoriten. Die Last, einen teuren Siegfahrer verpflichten zu müssen, trägt er deshalb nicht. Boullier kann auswählen: Welcher Fahrer bietet ihm was für wie viel?

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Petrow, 26, ist konstant schnell. Zudem bringt der Russe etliche Sponsoren mit. Der Pole Robert Kubica, 26, wäre mit seiner Entschlossenheit als Mannschaftsführer prädestiniert, ob er nach seinem schweren Rallye-Unfall im Winter aber zügig zurückkehrt, ist fraglich. Grosjean und Bruno Senna könnten die Mannschaft beleben. Für Heidfeld spricht dagegen tatsächlich kaum mehr als Erfahrung und Konstanz.

"Ich fand die Leistungen nicht schlecht", sagt er selbst über sein Rennjahr, "zumindest gut genug, damit ich um ein Cockpit für das kommende Jahr kämpfen kann." Nicht nur bei Renault. Eine Situation, die Heidfeld nicht exklusiv hat.

Auch Adrian Sutil, 28, weiß noch nicht, ob es für ihn bei Force India weitergeht. Nico Hülkenberg, 23, der im vergangenen Jahr bei Williams fahren durfte und aktuell den dritten Fahrer bei Force India gibt, ist ebenfalls auf der Suche nach einem permanenten Cockpit - und das sind lediglich die deutschen Bewerber auf dem Formel-1-Arbeitsmarkt.

Heidfeld ist auf dem Markt schon häufiger in letzter Minute untergekommen, er ist ein echtes Stehaufmännchen. In diesem Jahr engagierte ihn Renault kurz vor Saisonstart als Ersatz, als Kubica verunglückte. Im vergangenen Jahr warb Sauber ihn während der Saison als Testfahrer von Mercedes ab, nachdem der Spanier Pedro de la Rosa nicht überzeugt hatte.

Und die Zeiten, die ihm an diesem Freitag in Budapest glückten, geben auch Grund zur Hoffnung. Nach dem zweiten Training wurde Heidfeld als Vierzehnter drei Plätze besser als sein Teamkollege Petrow geführt, Ersatzmann Bruno Senna war im ersten Training als 15. noch deutlich hinter dem Russen geblieben.

© SZ vom 30.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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