Formel 1:Alonso löst ein wildes Tauschgeschäft aus

Lesezeit: 4 min

Bekommt im kommenden Jahr einen neuen Motor in seinen Dienstwagen eingebaut: Formel-1-Pilot Fernando Alonso. (Foto: Mark Thompson/Getty)
  • McLaren-Pilot Fernando Alonso ist mit seinem Motor so unzufrieden, dass er kürzlich seinen Wagen beim Rennen in Spa einfach an der Box abgestellt hat - obwohl nichts defekt war.
  • Der zweifache Weltmeister bekommt im kommenden Jahr einen neuen Motor in seinen Dienstwagen eingebaut.
  • Das dürfte in der Formel 1 zu einer komplexen Rochade führen - betroffen sind nicht nur Alonso, McLaren und Honda, sondern auch Renault, Red Bull und dessen kleine italienische Schwester Toro Rosso.

Von Philipp Schneider, Singapur/München

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann ist Fernando Alonso so gut wie am Ziel. Sollte er Ende der Woche tatsächlich am Ziel sein, dann hat er sich das verdient mit seiner Hartnäckigkeit außerhalb seines Rennwagens. Er hat die Mikrofone auf den Pressekonferenzen zur politischen Waffe umfunktioniert und vor allem das Funkgerät in seinem McLaren.

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann hat sich Fernando Alonso so lange beschwert, geflucht und gezetert, bis die Hälfte aller Funktionäre aus den unterschiedlichsten Teams nachgegeben haben, um dem Spanier seinen größten Wunsch zu erfüllen: Im nächsten Jahr bekommt er einen neuen Motor in seinen Dienstwagen eingebaut. Alonso fährt dann mit einem Antrieb von Renault. Das verfluchte Honda-Aggregat aus Japan kommt weg und wechselt von McLaren zu Toro Rosso. Alonso hat es mal als "GP2-Motor" beschimpft. Dazu muss man wissen, dass Formel-1-Fahrer vor den GP2-Motoren aus der Nachwuchsserie in etwa so viel Respekt haben wie Astronauten vor einer beim Discounter erworbenen Silvesterrakete.

Es wird erwartet, dass McLaren und andere Teams anlässlich des am Sonntag in Singapur anstehenden Rennens eine recht komplexe Rochade verkünden werden, in deren Zentrum Alonso steht. Der zweimalige Weltmeister ist mit seinem Motor so unzufrieden, dass er kürzlich seinen Wagen beim Rennen in Spa zur Überraschung seiner Ingenieure einfach abgestellt hat an der Box - obwohl nichts defekt war. Es war eine Tat, die vom Sport hinüberwölbte in die Politik und mit der sich Alonso nun einreihte in die Ahnengalerie berühmter Aktivisten.

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Alonso ging es um seine Würde

Gut, er rief nicht: "Wir sind hungrig!", wie die mit dem Bau der Königsgräber in Theben beschäftigten Ägypter, jene Erfinder des Streiks, die 1159 v. Chr. die Arbeit niederlegten, weil sie von Pharao Ramses III. seit Tagen nicht mit ihrem Deputat an Getreide entlohnt worden waren. Alonso rief: "Peinlich, wirklich peinlich!" Es ging ihm ja nicht um Getreide. Alonso ging es um seine Würde. Die war nicht länger zu wahren, nachdem er drei Jahre lang mit einem zugleich schwächlichen und unzuverlässigen Motor entlohnt worden war, der eines Alonsos nicht nur aus Alonsos Sicht überaus unwürdig war.

Wenn McLarens Scheidung von Honda wie erwartet vollzogen wird, gibt es niemanden in der Formel 1, der nicht profitiert. Das ist insofern erstaunlich, als dafür ein regelrechtes Scheidungskarussell in Gang gesetzt werden muss und doch niemand verschwindet. Betroffen sind nicht nur Alonso, McLaren und Honda. Betroffen sind Renault, Red Bull und dessen kleine italienische Schwester Toro Rosso. Sowie wohl auch der Spanier Carlos Sainz, 23, eines der begehrtesten Talente der Formel 1, der von Toro Rosso zu Renault wechseln wird. Doch der Reihe nach.

Für McLaren wird die Trennung von Honda teuer. Das Engagement des japanischen Herstellers, der an der Komplexität der in der Formel 1 seit 2014 erforderlichen Turbo-Hybrid-Aggregate verzweifelt ist, bringt der englischen Traditionsschmiede geschätzte 100 Million Dollar. Eingerechnet sind da die Motoren und auch die Hälfte des Gehalts der Fahrer. Daran, dass das Team von Zak Brown diese Kosten ab 2018 alleine tragen muss, lässt sich erahnen, wie groß die Unzufriedenheit sein muss in der Grafschaft Surrey mit einem Motor aus Tokio, der 80 PS weniger Leistung bringt als die Kunden-Aggregate von Mercedes und 50 PS weniger als das von Renault.

Vor einem großen Problem in diesem komplexen Tauschgeschäft standen deshalb die Franzosen. Sie beliefern neben ihrem Werksteam auch noch Red Bull und Toro Rosso mit Antrieben. Damit auch McLaren einen Renault-Motor bekommen kann, muss sich Renault von einem Kunden trennen.

Vor allem drei Fragen waren zu klären in den vergangenen Wochen: Wie konnte es McLaren gelingen, Honda wegzumobben, das ja gerne in der Formel 1 bleiben möchte? Wie sollte jemand Red Bull oder Toro Rosso dazu bringen, von einem Renault-Antrieb auf einen Honda-Motor zu wechseln? Und wie ließe sich aus Sicht von Renault verhindern, dass sich dessen Werksteam einen großen Konkurrenten schafft, indem es diesen mit eigenem Material beliefert? Schon jetzt fahren die Renault-Piloten Nico Hülkenberg und Jolyon Palmer der Konkurrenz von Red Bull meist hinterher. Und McLaren ist noch immer bekannt für die Güte seiner Chassis. Ferrari und Mercedes, die von McLaren ebenfalls als potenzielle Motorenlieferanten angefragt worden waren, sollen aus diesem Grund abgewunken haben: Weil sie sich bei McLaren eben keine Konkurrenz heranzüchten wollten für ihre Werksteams.

Damit Renault auch etwas vom Tauschgeschäft hat, soll nun der begehrte Toro-Rosso-Fahrer Carlos Sainz zu den Franzosen wechseln und dort Palmer ablösen, der seine Chance nicht genutzt hat. Red Bull wiederum findet die Aussicht gar nicht so schlecht, eine Partnerschaft mit Honda zu begründen: in der Hoffnung, dass die Japaner ihre Probleme eines Tages mal in den Griff bekommen werden. Probeweise läuft deren Motor nun in den Toro Rossos, wo er kaum Schaden anrichten kann. Sobald er konkurrenzfähig ist, wechselt er in die Red Bulls. McLaren und die Bosse der Rennserie wiederum freuen sich, dass ihnen Alonso wohl erhalten bleibt und nicht in die Indycar-Serie flieht, mit der er im Mai bereits einmal fremdgegangen ist.

Alonso ist wichtig für die Formel 1. Wie wichtig, das war vor ein paar Tagen schön zu sehen, als er zum Ehrenmitglied von Real Madrid ernannt wurde. Da stand Klub-Präsident Florentino Pérez auf der Bühne und feierte Alonso als "Pionier und Genie". Weil er im "Alleingang" eine "ganze Nation" mitgerissen habe, die sich vorher nur für Fußball interessierte. Alonso reichte das Kompliment dann geschickt weiter, indem er sich ein bisschen selbst lobte.

Er sei oft gefragt worden, was ihn an Real Madrid so fasziniere, sagte Alonso: "Ich habe keine Antwort darauf. Nur jene, dass Real so zu mir gehört wie meine braunen Augen oder ein Ruhepuls von 55 Schlägen." Und sein aufbrausender Charakter. Der hat in dieser Saison für großen Spaß in den weniger unterhaltsameren Rennen gesorgt. Alonso ist zumindest noch der wichtigste Spanier in der Formel 1. Dass ihn der in den großen Deal verwickelte Carlos Sainz in nicht allzu ferner Zukunft ersetzen könnte, wird Alonso in der Gegenwart nicht stören. Hauptsache der schlimme Motor kommt weg.

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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