Sieben Kurven in der Formel 1:André Rieu geigt vor der Königin

Lesezeit: 4 min

(Foto: HochZwei/Imago)

Das Rennen in den Niederlanden ist ein Spektakel in Orange, Alonso singt eine Hymne auf Verstappen - und Ricciardo muss nach einem Aufprall operiert werden. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Zandvoort

Sergio Pérez

(Foto: John Thys/AFP)

Was für ein Gefühl, für ein paar Runden, wieder einmal der führende Fahrer der Formel 1 zu sein, auch wenn es dem Regenchaos und einem frühen Boxenstopp geschuldet ist. Ziemlich schnell aber schlüpfte der Mexikaner wieder in die Rolle als Zweitbesetzung bei Red Bull. Die Teamräson will es so, aber im Gegensatz zu Max Verstappen leistet sich Sergio Pérez zu viele Launen und Fehler. Das Bekenntnis von Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko, dass Pérez seinen Job für 2024 sicher hat, ist an die Klausel gebunden: Wenn er die Leistung bringt.

Seit Anfang Mai befindet sich der 33-Jährige in einer Krise. Platz sieben in der Qualifikation und der vierte Rang im Rennen von Zandvoort unterstreichen den bitteren Trend. Klar, gegen einen Verstappen in Bestform sehen alle schlecht aus, aber nur einer hat das gleiche Auto. Als der Starkregen zum Schluss kam, drehte sich Pérez erst, rammte dann die Boxenmauer und war in der Boxengasse schneller als erlaubt. Die Fünf-Sekunden-Strafe raubte ihm endgültig den Podiumsplatz. Vierter statt Zweiter. Was soll er da sagen? "Schade."

Max Verstappen

(Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Es ist selten, dass Fernando Alonso die Fahrkünste eines Kollegen über die eigenen stellt. Aber nach dem neunten Sieg in Serie setzte der zweifache Weltmeister zur Lobeshymne über den bald dreifachen Titelträger an: "Was Max aktuell abliefert, ist sensationell. Meiner Meinung nach wird es unterschätzt, wie großartig diese Leistung ist. So dominant in diesem Sport zu sein, das ist kein Selbstgänger. Ganz im Gegenteil!" Noch mehr als über den dritten Heimsieg in Serie und die Einstellung des Siegrekords von Sebastian Vettel aus dem Jahr 2013 freute sich der Niederländer am Ende über eine Tüte Süßigkeiten.

Nervennahrung, denn knapp war es ja schon hintenraus. Das Aufwärmproblem der Reifen, das vielleicht die einzige Schwäche seines Red-Bull-Rennwagens überhaupt ist, hätte am Ende den Erfolg kosten können. Aber wenn er sie dann warm gefahren hat, dann scheint er übers Wasser gehen zu können. Er selbst nennt das, ziemlich abgeklärt: "Risiko-Management."

Fernando Alonso

(Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Im Fahrerlager nennen sie ihn den Matador, und Fernando Alonso zeigt mit 42, dass Höchstleistungen keine Frage der Generation, sondern nur der Einstellung sind. Mit dem Aston Martin war der Spanier die Überraschung zu Beginn des Rennjahres, im Herbst scheint ein weiterer sportlicher Frühling zu beginnen. Der zweite Platz hätte durchaus auch ein erster werden können, beim Neustart hatte er sich Spitzenreiter Verstappen schon zurechtgelegt, das Gaspedal durchgedrückt, obwohl die Reifen noch nicht auf Temperatur waren.

Aber er war eins mit seinem Auto, und darauf kommt es in der Champions League des Motorsports an. Alonso suchte sich eigene, bisweilen eigenwillige Linien, aber er konnte nur heran-, nicht vorbeikommen. Noch nicht: "In diesem Jahr ist ein Sieg drin", sagt er. Die Wahl zum Fahrer des Tages in Zandvoort gewann er, und aus Verstappens neuerlicher Über-Leistung zieht auch Fernando Alonso seinen Gewinn: "Mit ihm auf einer Höhe fahren zu können, das gibt einem eine Menge Selbstvertrauen."

Nico Hülkenberg

(Foto: Dom Romney/Motorsport Images/Imago)

Seine ersten Rennfahrerschritte machte der Spediteurssohn vom Niederrhein in den Niederlanden, deshalb liegt ihm das Land besonders am Herzen. An diesem Wochenende ist ihm das Herz vielleicht noch ein bisschen mehr aufgegangen, denn in der Woche nach seinem 36. Geburtstag verlängerte der Haas-Rennstall den Vertrag des späten Rückkehrers vorzeitig für die kommende Saison, analog zum Teamkollegen Kevin Magnussen. "Gut zu wissen, dass man gefragt und gewollt ist", sagt der Mann mit dem Wahl-Wohnsitz auf Mallorca.

Richtig überraschend dürfte das für ihn nicht gekommen sein, es gab wohl entsprechende Klauseln - und für beide Seiten momentan auch kaum vielversprechendere Alternativen. Auf eine Runde sind Auto und Fahrer oft konkurrenzfähig, auf die Distanz sieht es leider etwas anders aus. Am Ende ist es Platz zwölf, "Niemandsland", wie Hülkenberg es ausdrückt: "Wir haben etwas liegen lassen. Das ist frustrierend. Es war nur ein Überlebenskampf."

Daniel Ricciardo

(Foto: John Thys/AFP)

Ausgerechnet die beiden Australier krachen im Sekunden-Rhythmus am Trainingstag in Zandvoort in die Barrieren. Daniel Ricciardo, erst seit Ungarn überhaupt wieder Stammfahrer in der Formel 1, muss dabei seinem Landsmann Oscar Piastri ausweichen, der ihn im Vorjahr bei McLaren verdrängt hatte - und das hat Folgen: Bruch des linken Mittelhandknochens. Offenbar hat er vor dem Aufprall nicht mehr die Hände vom Lenkrad nehmen können.

Der 34-Jährige wurde samstags nach Barcelona geflogen, wo ihn Xavier Mir operierte, der unter Profi-Piloten als Wunderdoktor gilt und schon vor der Saison Lance Stroll schneller als gedacht wieder fit gemacht hatte. Offenbar war der Eingriff komplizierter als gedacht, da der Knochen gesplittert war. Mögliche Zwangspause: acht bis zehn Wochen. Aber in der Formel 1 muss immer alles ein bisschen schneller gehen - schon in drei Wochen plant Ricciardo sein Comeback, geht es für ihn doch um ein Cockpit für die kommende Saison.

Zandvoort

(Foto: HochZwei/Imago)

Miami mag die selbsternannte Party-Hauptstadt der Formel 1 sein, zumindest für Nordamerika. Das europäische Pendant an der Nordseeküste steht Florida in nichts nach, ganz im Gegenteil: Der Strand an der Grenze zwischen Nord- und Südholland ist absolut echt. Musik gemacht wird von acht bis acht, angesichts der DJ-Dichte in den Niederlanden auch kein Wunder. André Rieu bewegt Königin Máxima und 80 000 Tribünengäste zu einer Choreografie in Rot-Weiß-Blau und geigt auch die Nationalhymne "Het Wilhelmus".

Im Wolkenbruch und während der dreiviertelstündigen Unterbrechung wird einfach weitergefeiert. Max Verstappen besitzt so etwas wie den Taylor-Swift-Faktor - 100 000 seiner Fans verwandeln den kleinen Badeort Zandvoort in ein Meer aus Orange. Und tun etwas für die Nachhaltigkeit der Königsklasse: 40 Prozent aller Zuschauer reisen mit dem Zug an, weitere 30 Prozent kommen mit dem Fahrrad. Die Straßen bleiben vier Tage lang für alle, die keine Anwohner sind, gesperrt. Ein Modell für die Zukunft der Serie, die bis 2030 klimaneutral sein will.

Liam Lawson

(Foto: Simon Wohlfahrt/AFP)

Neuseeland mag einem als Formel-1-Nation exotisch vorkommen, aber Liam Lawson als Ersatzmann für Daniel Ricciardo ist schon der elfte Kiwi, der es in die Königsklasse schafft. Und mit Denis Hulme 1967 im Team seines Landsmannes Bruce McLaren hat das Land aus Ozeanien sogar einen Weltmeister gestellt. Einziges Ziel des Talents aus der Red-Bull-Nachwuchsförderung: "Ich will so viel wie möglich lernen, alles aufsaugen und vor allem ins Ziel kommen."

Das hat er in einem chaotischen Rennen auch geschafft, Platz 13 - trotz Zehn-Sekunden-Strafe für eine Behinderung. Der 21-Jährige, der sonst in der japanischen Super Formula fährt, fuhr ziemlich abgezockt, konnte sogar den Ferrari von Charles Leclerc überholen. Dieses Erlebnis bleibt, für immer.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Formel 1
:Verstappen trotzt dem Nordsee-Regen

Abbruch, Wiederaufnahme, Regen und Wind: Das Formel-1-Rennen in Zandvoort an der niederländischen Küste macht fast allen Fahrern zu schaffen - nur nicht Max Verstappen. Der gewinnt unverdrossen weiter.

Von Elmar Brümmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: