Sieben Kurven in der Formel 1:"Benutz mal deinen Kopf"

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Mittlerweile fast die Nemesis der Formel 1: Max Verstappen scheint unschlagbar zu sein. (Foto: Federico Basile/Independent Photo Agency/Imago)

Max Verstappen siegt erneut, doch Red Bull versucht den Übereifer des WM-Führenden zu bremsen. Lewis Hamilton hoppelt und Renault organisiert sich direkt ganz neu. Die Geschichten des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Spa-Francorchamps

Max Verstappen

Achter Sieg in Serie, mit den beiden Sprintrennen in diesem Jahr schon zehn Mal Erster. Ausnahmsweise von Platz sechs starten zu müssen, ist da nur eine neue Perspektive für Max Verstappen, am Ende waren es 22 Sekunden Vorsprung für den Abo-Sieger. Aber satt ist der Niederländer auch nach seinem dritten Triumph hintereinander beim Großen Preis von Belgien nicht. Wer im mit großem Abstand überlegenen Auto der Formel 1 fahren kann, der will nicht bloß spielen, der ist süchtig nach Siegen.

Deshalb sind die Diskussionen über Funk mit seinem Renningenieur Gianpietro Lambiase ("Benutz' mal deinen Kopf") nur zur Hälfte ironisch oder lustig gemeint, sie besitzen einen ernsten Kern: Verstappen ist ein Perfektionist, und er will immer das Optimum. Und Red Bull versucht lediglich den Übereifer zu bremsen. Teamchef Christian Horner: "Max ist eben ein anspruchsvoller Kunde." Offenbar hat der Ausnahmepilot während des Fahrens noch genügend Kapazität, sich mit komplizierten Strategiefragen zu beschäftigen. Der Rest des Feldes hat schon genug mit dem Lenken zu tun. "Wir kennen uns ziemlich gut, und wir verstehen uns auch gut", sagt der WM-Spitzenreiter über das Verhältnis zu seinem kongenialen Partner am Kommandostand.

Sergio Perez

(Foto: Dan Mullan/Getty Images)

Eine Motivation nach Art des Hauses. Um den in die Krise geratenen Verstappen-Beifahrer Sergio Perez für das letzte Rennen vor der Sommerpause der Formel 1 wieder auf Spur zu bringen, drohte ihm Teamchef Christian Horner: "Wenn du nicht unter die ersten Drei in der Qualifikation kommst, rede ich das ganze Wochenende kein Wort mit dir." Das mag Spaß gewesen sein, aber es wirkte. Perez, der fünfmal in Serie die Top Ten verpasst hatte, wurde Dritter. Im Rennen schnappte er sich schnell die Führung, ehe ihn Verstappen erwartungsgemäß einholte. Als Zweiter sicherte der Mexikaner den Doppelerfolg ab..

Rennstallberater Helmut Marko glaubt, dass der von ihm oft hart kritisierte Schützling aus seinen WM-Träumen aufgewacht sei, und nun wieder jene Normalform zeigte, die seinen Vertrag bis Ende 2024 rechtfertigt. Ausgeräumt also. So kann es Perez natürlich nicht sehen: "Ich habe eine harte Phase hinter mir. Jetzt will ich das Podium bis zum Ende des Jahres nicht mehr verlassen."

Charles Leclerc

(Foto: Francois Nel/Getty Images)

Geschenkte Pole-Position, erkämpfter dritter Platz - das ist der wahrscheinlich versöhnlichste Anfang der zweiten Saisonhälfte, den sich Ferrari vorstellen kann nach einer verkorksten ersten Halbzeit. "Wir sind ziemlich weit weg von unseren Erwartungen vor der Saison", gab Charles Leclerc zu. Doch die Änderungsschneiderei in Maranello funktioniere immer besser, was sich bisher allerdings nicht stabilisierend ausgewirkt hat. Nach dem Tief von Ungarn zumindest ein Zwischen-Hoch in Belgien, eine Berg- und Talfahrt passend zur Topografie von Spa.

Dass Ferrari plötzlich wieder die zweite Kraft war, lag vor allem an der Strecke und den Reifen. Aber auch der Seele tut es gut. Teamchef Fred Vasseur muss daher noch ein bisschen auf Zeit spielen. Er will 40 neue Ingenieure einstellen, hat aber gerade seinen Stellvertreter Laurent Mekies verabschieden müssen, der zu Alpha Tauri geht. Nachfolger als Sportdirektor wird mit Diego Ioverno ein Italiener, der schon seit 23 Jahren auf der Gehaltsliste der gestione sportiva steht. Nicht unbedingt ein richtiger Neustart für die Rennstallkultur, aber Ioverno weiß zumindest, wie siegen geht - er war zu Beginn des Millenniums in der erfolgreichsten Phase des Rennstalls schon mit dabei.

Lewis Hamilton

(Foto: John Thys/AFP)

Wer Max Verstappen den Punkt für die schnellste Runde abjagen kann, der darf sich durchaus darauf etwas einbilden in diesem Jahr, das gilt sogar für einen Rekordweltmeister. Vierter im Rennen, das ist hingegen für Lewis Hamilton nicht der Rede wert. Doch dass der Brite eine ausreichend große Lücke gegen Verfolger Fernando Alonso herausfahren konnte, um dann mit frischen Pneus kurz vor Schluss die Rundenbestzeit zu holen, das hat ihm einen verlorenen Nachmittag gerettet. Bonuspunkt für den Fahrer, Minuspunkte für den Silberpfeil.

Der Mercedes hatte kurz vor der Sommerpause noch neue Seitenkästen verpasst bekommen, aber das war fürs Erste eher ein Rück- als ein Fortschritt: Plötzlich hüpft das Auto wieder: Bouncing, der Schreckensbegriff des Vorjahres ist zurück. "Frustrierend" findet das Teamchef Toto Wolff, und dass es immer noch nicht reicht, um in die Verstappen-Liga zurückzukehren, macht den Wiener grantig. Perez und Leclerc sollten für das britisch-deutsche Werksteam keine Gegner sein. Waren sie aber.

Oscar Piastri

(Foto: Erlhof/IMAGO/Beautiful Sports)

Im letzten Sommer war der australische Rookie noch der Hauptdarsteller im Transferpoker der Formel 1, ein Jahr später beweist er, dass er auch auf der Piste genug Chuzpe hat. Mit seinem McLaren lieferte sich Oscar Piastri ein Duell mit Max Verstappen beim Sprintrennen, bekam die ersten Führungsrunden seiner Karriere gutgeschrieben und wurde am Ende Zweiter. Im Rennen versprach er sich mit dem papayafarbenen Auto auch ordentlich Punkte, doch schon in der Spitzkehre nach dem Start war Schluss mit lustig, Ferrari-Pilot Carlos Sainz junior zwängte ihn ein.

Der erzwungene Mauerkuss war das frühe Ende für den ehrgeizigen 22-Jährigen, später schied auch der Spanier aus. Piastri hat mit seiner Samstagvorstellung gezeigt, was er Wert ist, die Pole-Position für den Sprint verpasste er lediglich um elf Tausendstel. So nah war Max Verstappen noch keiner gekommen, und zu Beginn des kleinen Grand Prix konnte er den Niederländer sogar überholen. Ziemlich cool. Doch er sagt selbst: "Ich weiß, dass ich nicht zu viel wollen darf."

Otmar Szafnauer

(Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

Es ist vielleicht die letzte Chance, die der Werksrennstall Alpine von der Konzernmutter Renault jetzt noch einmal bekommt. Härter und rüder als die Franzosen kann man einen Neuschnitt kaum machen. Erst musste Firmen-CEO Laurent Rossi gehen, der bisher das Formel-1-Team beaufsichtigt hatte. Dann, mitten am ersten Trainingstag in Spa, wurden Teamchef Otmar Szafnauer und Sportdirektor Alain Permane entlassen, dazu der Wechsel von Technikboss Pat Fry zum Williams-Rennstall bestätigt. Allesamt respektable Routiniers im Renngeschäft. An ihre Stelle rückt mit Bruno Famin ein Konzernstatthalter.

Szafnauer hatte immer von einem 100-Rennen-Plan gesprochen, jetzt haben die Franzosen schon nach einem Drittel der Distanz den Glauben an den Erfolg und das Vertrauen in den US-Amerikaner Szafnauer verloren. Das rüde Ende kommentiert der vierfache Weltmeister Alain Prost harsch: "Ich bin enttäuscht und beunruhigt." Der 58 Jahre alte Szafnauer kündigt eine möglichst schnelle Rückkehr in den Grand-Prix-Sport an - der Wettbewerb fehle ihm jetzt schon. Es soll bereits Angebote geben.

Nico Hülkenberg

(Foto: Peter Fox/Getty Images)

Manchmal muss sich Nico Hülkenberg so vorkommen wie Mick Schumacher in den beiden Jahren zuvor: Immer ist etwas beim Haas-Rennstall, immer etwas anderes. Aber selten kommt dabei etwas Gutes heraus. In der Qualifikation streikt die Hydraulik, im Shoot-Out für den Sprint verpennt es das Team, ihn zur richtigen Zeit auf die Strecke zu schicken. Auf der Runde vor dem Start raucht es plötzlich aus dem Motor, wieder ein kleiner Fehler. Wenigstens kommt er gut weg aus der Boxengasse, ist zwischendrin auf Punkterängen und hat die schnellste Runde ein paar Minuten für sich. Doch als sich die Unübersichtlichkeit der unterschiedlichen Reifenstrategien legt, geht es wieder rückwärts.

Erneut ist die mangelnde Nutzung der Gummis durch die Haas-Rennwagen der größte Gegner, im Zusammenspiel mit der fehlenden Leistung des Autos ein doppelter Nachteil. Platz 18, der einzige deutsche Formel-1-Pilot ist Letzter im Ziel. Teamchef Günther Steiner spricht trotzdem von kämpfen und aufholen: "Wir kennen unsere Defizite und arbeiten daran."

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