Lando Norris in der Formel 1:Ein junger Brite macht Britannien stolz

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Hoch den Reifen! Dabei hat McLarens britischer Fahrer Lando Norris in Sotschi bisher nur das Qualifying gewonnen. Aber für ihn ist es die erste Pole-Position seiner Karriere. (Foto: Yuri Kochetkov/AFP)

Die Pole-Position von Lando Norris beim Großen Preis von Russland ist eine Sensation - und hat viel mit einem deutschen Manager zu tun, der McLaren gerade an die Spitze der Formel 1 zurückführt.

Von Elmar Brümmer, Sotschi

Im Prinzip stimmt es natürlich, dass die Formel 1 ein globales Rennen ist. Tief in ihrem Kern aber ist sie zutiefst britisch, nicht nur in diesen Zeiten, in denen der WM-Kalender von den Ein- und Ausreisebestimmungen der Boris-Johnson-Regierung bestimmt wird. Sieben der zehn Teams haben ihren Hauptsitz auf der Insel, viele Rennställe sind vom Königshaus mit Auszeichnungen bedacht worden. Dass gerade wieder zwei Teams aus dem mittelenglischen Motorsport Valley um den Titel kämpfen, Mercedes und Red Bull, wird beinahe als selbstverständlich hingenommen.

Die britische Hymne für den Erfolg der Konstrukteure wird für beide allerdings nicht gespielt. Mercedes mit Sitz in Brackley fährt unter deutscher Lizenz, Red Bull Racing aus Milton Keynes unter österreichischer Fahne. Was für eine Wohltat daher, dass zuletzt beim Großen Preis von Italien endlich wieder God save the Queen für die siegreiche Mannschaft erklingen durfte. Mit dem Australier Daniel Ricciardo hinter dem Steuer errang McLaren seinen ersten Sieg seit neun Jahren, dazu mit dem zweitplatzierten Lando Norris sogar einen Doppelerfolg.

Bei McLaren hat ein Bayer das Sagen, bei Williams ein Hesse. Kein Zufall.

Das Comeback des Traditionsrennstalls geht allerdings vor allem auf die Kappe eines Bayern: Seit der Regensburger Andreas Seidl 2019 das Steuer übernommen hat, geht es in Woking aufwärts. Das System versucht übrigens auch der zweite gestrauchelte Dino aus Großbritannien zu kopieren: das nicht minder traditionsreiche Williams-Team. Und zwar mit dem hessischen Manager Jost Capito. Die beiden eint die Konzernvergangenheit. Der 45 Jahre alte Seidl kommt von BMW und feierte Le Mans-Triumphe mit Porsche, Capito, 62, fing bei Porsche an, ging zu Ford und formte dann den Rallye-Champion Volkswagen. Die Formel 1 von heute braucht eben System und moderne Management-Methoden, wie sie auch Toto Wolff beim Abo-Sieger Mercedes vorlebt.

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Wie sehr Andreas Seidl nicht nur der Architekt des Wiederaufbaus von McLaren ist, sondern auch der leidenschaftliche Antreiber, war in Monza deutlich geworden. Nicht die Fotografen heizten die Stimmung für das offizielle Erinnerungsbild der Mannschaft an, sondern der Teamchef höchstpersönlich. Einer, der das Teamplay nicht nur in die Strategie schreibt, sondern es vorlebt. Es passiert nicht oft, dass Deutsche in britischen Rennställen hoch geachtet sind ­- und dann auch noch glücklich werden. Doch Seidl überbrückt die Kulturunterschiede mit seiner Mentalität als echter Racer. Mal wirkt er ausgleichend, mal einpeitschend.

2017 war McLaren noch Vorletzter im Klassement gewesen, was auf der Insel als Schande empfunden wurde - der Maßstab sind immer die acht Konstrukteurs- und zwölf Fahrertitel aus der Vergangenheit. Platz vier wurde es gleich im ersten Seidl-Jahr, in der letzten Saison landete das umstrukturierte Team schon auf dem dritten Platz.

Andreas Seidl hat das McLaren-Team wieder erfolgreich gemacht. (Foto: Dan Istitene/Getty Images)

Nun ging es für McLaren und die Formel 1 vom strahlenden Monza ins regnerische Sotschi. Lando Norris, der aufgrund einer Stallorder seinen möglichen Sieg in Monza an Ricciardo abtrat, zehrte noch ein bisschen vom frischen Ruhm: "Die Feier in Woking hat gezeigt, was dieser Sieg für jeden im Team bedeutet hat. Wir alle wissen aber auch, dass es nicht so weitergehen wird", sagte er nach der Ankunft in Russland. Da hat er sich zunächst aber mal geirrt. Der 21-Jährige, der als Jahrhundert-Talent gilt, steht im 53. Grand Prix seiner Karriere zum ersten Mal auf der Pole-Position - begünstigt durch das Regenchaos am Schwarzen Meer und ungewohnte Fehler von Weltmeister Lewis Hamilton auf dessen Schlussrunde. "Oh Junge, das fühlt sich unglaublich an. Man denkt nicht, dass man das schaffen kann, aber es hat geklappt", jubelte der Mann im papayafarbenen Rennwagen, "ich habe ziemlich viel riskiert, aber es hat sich gelohnt. Es ist hoffentlich die erste Pole von vielen."

Ein Brite im britischen Team: Lando Norris, McLaren. (Foto: Yuri Kochetkov/dpa)

Teamkollege Ricciardo geht als Fünfter ins Rennen, direkt hinter Hamilton. Auch die Startränge zwei und drei auf dem ehemaligen Olympiagelände werden von bisherigen Außenseitern belegt - Carlos Sainz im Ferrari und George Russell im Williams.

Das Saisonziel von McLaren bleibt über den starken Auftritt in Sotschi hinaus unverändert der dritte Platz der Markenwertung, das ist in Zeiten der Dominanz von Mercedes und Red Bull so etwas wie der Meistertitel der zweiten Liga. Der direkte Gegner ist kein kleiner - die wiedererstarkte Scuderia Ferrari liegt vor dem Großen Preis von Russland bei acht noch ausstehenden Rennen nur 13,5 Zähler zurück.

McLaren-Teamchef Seidl kehrte deshalb in Sotschi schon wieder zur eher strengen Analyse und zur Betrachtung des Gesamtbildes zurück: "Letztendlich ist dieser Erfolg einfach eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der Sieg war verdient, das Auto konkurrenzfähig, die Mannschaftsleistung perfekt. Das gibt mir viel Zuversicht, dass wir bereits einige der Zutaten besitzen, um in den nächsten Jahren auch wieder die beiden Großen an jedem Rennwochenende herausfordern zu können. Das ist für mich das Wichtigste."

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Mercedes und Red Bull sind seine Vorbilder, Seidl mag es gern konsistent. Sein eigentlicher Sport ist die Strategie. Die Technik hat der gelernte Maschinenbauer an den Briten James Key delegiert. Aber natürlich hat er das letzte Wort: Er war es auch, der den Teambesitzer Zak Brown dazu brachte, im letzten Jahr von den Renault-Aggregaten auf Mercedes-Leasingmotoren umzusatteln. Mit einer Ausnahmegenehmigung durfte McLaren daher als einziger Rennstall für das Reglement-Übergangsjahr 2021 ein neues Auto bauen - und könnte in Zukunft als Kundenrennstall das Stuttgarter Werksteam herausfordern. Seidl darf sich jetzt bestätigt fühlen mit seiner Planung: "Wir wissen, dass wir auf unserem Weg noch viel Arbeit vor uns haben, aber der jüngste Erfolg wird uns als große Motivation dienen."

Und die Pointe dabei: Kommende Saison wird Seidl es mit einem McLaren-Urgestein als Gegner zu tun bekommen. Martin Whitmarsh, der ein Vierteljahrhundert in Woking diente, von 2008 bis 2014 als Teamchef, übernimmt den CEO-Posten bei Aston Martin und soll dort Sebastian Vettel zum Erfolg führen. Ein Brite mit einem Deutschen - gegen einen Deutschen bei den Briten.

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