Sieben Kurven in der Formel 1:Papaya jubelt in Silverstone

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(Foto: Glenn Dunbar/Motorsport Images/Imago)

McLaren feiert die große Überraschung, Max Verstappen ist ziemlich verwirrt, Ferrari zofft sich und Brad Pitt nimmt an der Fahrerbesprechung teil. Die Geschichten des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

Lando Norris

Er ist 23. Der andere 38. Beide Briten. Generationenduell auf der Rennstrecke, vor der Rekordkulisse von 160 000 Zuschauern. Als sich Norris und Hamilton am Ende um den zweiten Platz balgten, war es zumindest der stärkste Zweikampf des Sonntags. Dreimal probierte es der Rekordweltmeister, dreimal konterte der Instagram-Liebling bravourös. "Das ist unglaublich", jubelte Norris. Gleiches galt für den vierten Platz von Rookie Oscar Piastri, ohne Safety-Car-Phase wäre er Dritter geworden.

Die zweite große Überraschung der Saison nach dem starken Start von Aston Martin ist also perfekt: McLaren ist wiederbelebt, und hat sich bei der Generalüberholung des MCL60 von der Rennwagen-Schöpfung bei Red Bull inspirieren lassen. Das war bei Aston Martin nicht viel anders. Nun gibt es nach dem grünen Double auch noch eins in Papaya, der Hausfarbe des Teams, das zuletzt 2008 mit dem jungen Lewis Hamilton einen WM-Titel einfahren konnte. Der Italiener Andrea Stella ist mit seinen Umbauaktionen aber noch nicht fertig, zum Jahresende kommt Rob Marschall als neuer Chefingenieur - von Red Bull Racing.

Max Verstapppen

(Foto: Sem van der Wal/ANP/Imago)

Es gibt Dinge, die sieht man selten bis gar nicht von Max Verstappen. Zum Beispiel: Einen Crash in der Boxengasse, bevor er die fünfte Pole-Position in Serie einfährt. Oder ein verlorenes Manöver am Start gegen Lando Norris, bevor er seinen siebten Sieg des Jahres holt, den sechsten hintereinander. Es war vermutlich ein bisschen enger als sonst, aber am Ende dann doch komfortabel, trotz Safety-Car-Phase. Einem Rennfahrer, dem gerade alles zu gelingen scheint, kommt auch eine Neutralisierung zu pass - er konnte sie zu einem schnellen Pflichtstopp nutzen.

Ansonsten hatte er wieder reichlich Zeit, sich Gedanken zu machen, was wenig überraschend in neuen Ehrgeiz mündete: "Die Konkurrenten hinter uns haben bei der Entwicklung Druck gemacht und die Lücke geschlossen, also müssen wir versuchen, noch ein bisschen mehr zu finden." Dass er es gerade jedes Wochenende mit einem anderen Verfolger zu tun bekommt, findet er im Übrigen: "Ziemlich verwirrend."

Sergio Perez

(Foto: Ryan Pierse/Getty Images)

Jeder hat bei Red Bull Racing seine Serie, die des Mexikaners ist aber eine besonders merkwürdige. Perez, in der Anfangsphase der Saison ein ernstzunehmender Titelrivale von Verstappen, hat in Silverstone zum fünften Mal nacheinander den Einzug in die Top Ten der Qualifikation verpasst. Da war sicher Pech im Spiel, aber wie lässt sich das in einem Rennstall, in dem dem anderen Fahrer alles gelingt, begründen? Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko erwartete Platz sieben als Wiedergutmachung, Perez übertraf die Erwartung sogar um einen Rang und behauptete: "Ich bin mental sehr stark, und das wird mich die Sache durchstehen lassen."

Dass der Getränkekonzern bei den Reifentests diese Woche in Silverstone den Testfahrer Daniel Ricciardo testete, ist noch keine Gefahr für Perez - diese Reaktivierung zielt viel mehr auf den Niederländer Nyck de Vries im Schwesterteam Alpha Tauri ab. Denn anders als Perez kommt der Rookie auch im Rennen nicht klar.

Lewis Hamilton

(Foto: Glenn Dunbar/Motorsport Images/Imago)

Der Rekordweltmeister und sein Heimpublikum, das ist eine ewige Liebesgeschichte. Papa Anthony glaubt, dass der Sohn so viel Energie aus der Kulisse ziehen kann, dass sie zwei Zehntelsekunden pro Runde ausmachen. Nur zu gern folgte der Mercedes-Pilot dieser Erzählung: "Nicht ich habe das getan, das Publikum war es. Diese Unterstützung ist der Grund, warum ich wieder hier oben stehe."

Mercedes zeigte sich auch mit der B-Version des Silberpfeils launisch, nach einem katastrophalen Trainingstag musste Mick Schumacher einmal mehr bis zwei Uhr nachts Überstunden im Simulator machen, um eine bessere Abstimmung des Rennwagens zu finden. Das klappte. Hamilton fuhr von sieben auf drei, George Russell wurde durch das Pech einer späten Safety-Car-Phase Fünfter statt auf dem Podium zu stehen. Der Rekordweltmeister will sich noch nicht auf ein abschließendes Urteil einlassen: "Die Saison war bislang ein einziges Auf und Ab, und wir haben noch viel Arbeit mit unserem Auto vor uns."

Brad Pitt

(Foto: Dan Mullan/Getty Images)

Endlich hat die Formel 1 ihr elftes Team, über das seit Ewigkeiten gestritten wird. Es hat seine Garage in der Boxengasse zwischen Mercedes und Ferrari, mittendrin also. Allerdings ist es ein rein fiktiver Rennstall, der auf den Fantasienamen APEX hört, was so viel wie Scheitelpunkt bedeutet. Es ist das Team, das Apple auf seiner Streaming-Plattform ins Rennen schicken wird, und dessen Hauptakteur Brad Pitt heißt. Der Hollywood-Star hat zwei Co-Produzenten im Rücken, die den Erfolg garantieren sollen: Lewis Hamilton und Toto Wolff.

Mercedes hat dafür auch ein Formel-2-Auto umgebaut und schwarz-gold lackiert. Gefahren wird auf den Grand-Prix-Rennstrecken aber nur, wenn die Formel 1 Pause hat. Pitt nahm trotzdem an der Fahrerbesprechung in Silverstone teil, und wagte sich - nach einem Schnellkurs beim Rekordweltmeister in Los Angeles - selbst auf die Piste. "Es war allerdings keine hot lap, eher nur eine warm lap", sagte der 59-Jährige hinterher mit einem Grinsen, und gab auch einen Dreher zu.

Alex Albon

(Foto: Jake Grant/Motorsport Images/Imago)

Der Held der vorgezogenen Feierlichkeiten zum 800. Grand Prix von Williams sollte Jenson Button sein, der in Nigel Mansells Weltmeisterauto von 1992 vor dem Großen Preis von Großbritannien Ehrenrunden dreht. Doch dann kam Alex Albon ins Spiel, der zwar mit thailändischer Lizenz fährt, aber in London geboren und auf der Insel groß geworden ist. Achter in der Qualifikation mit einem erstaunlich verbesserten Rennwagen, das war dem 27-Jährigen beinahe zu wenig. Doch das Rennen versöhnte ihn, denn dieser achte Rang wiederum war eine echte Überraschung. Und der Beweis, dass das Team trotz einer völlig veralteten Rennfabrik unter dem neuen Teamchef James Vowles auf dem richtigen Weg ist. Auf den Geraden muss sich vor dem FW 45 jeder in Acht nehmen, auch Red Bull. "Es muss nur kühl sein, dann geht es richtig nach vorn", sagte Albon - und der britische Sommer tat ihm den Gefallen.

Charles Leclerc

(Foto: Christian Bruna/AP)

Funksprüche gehören in dieser Saison zu dem Fluch, der offenbar über dem italienischen Rennstall liegt. Von den Diskussionen zwischen Strategen, Ingenieuren und Fahrern kann die Zuhörerschaft kaum genug bekommen, aber lustig ist das alles trotzdem nicht. Nach einem Zwischenhoch hat die Scuderia wieder einen heftigen Rückschlag erlitten. Charles Leclerc nur auf dem neunten Rang, Carlos Sainz bloß Zehnter - und das von den Startpositionen vier und fünf aus.

Diesmal war es der Spanier, der sich besonders emotional beklage. Vor allem über den heftigen Wind, der als Vorbote möglicher Schauer über den ehemaligen Flugplatz wehte: "Das hat uns Traktion gekostet." Die Botschaft dahinter: Der Ferrari bleibt weiterhin anfällig für alle möglichen Dinge. Auch das Gefüge zwischen den beiden Piloten war schon mal deutlich ausgeglichener. In der Qualifikation hatte sich Sainz nicht an die interne Absprache gehalten, Leclerc als Ersten auf die entscheidende Runde gehen zu lassen und den Monegassen in der letzten Kurve überholt. "Echt nett", fluchte Leclerc, "starkes Manöver". Zuhören wird sich weiter lohnen.

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