Formel 1:Neuer Gummi, neues Spiel

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Sebastian Vettel sitzt schon wieder im Auto, er muss für die kommende Saison testen: Der Wechsel der Reifenmarke wirbelt alles durcheinander - sogar Michael Schumacher könnte wieder vorne mitfahren.

René Hofmann

Es war eine kurze Auszeit. Am letzten Sonntag um 15.43 Uhr fuhr Sebastian Vettel mit seinem Formel-1-Rennwagen beim Saisonfinale auf der Strecke in Abu Dhabi als Erster über die Ziellinie, was ihn Weltmeister werden ließ. Am Freitag kehrte er an gleicher Stelle in sein Sportgerät zurück. Weil allem, was dem bisher jüngsten Formel-1-Weltmeister gerade widerfährt, eine besondere Bedeutung zuzukommen scheint, ist auch die exakte Uhrzeit des Neustarts überliefert: Es war 9.02 Uhr, als der 23-Jährige losrollte - zuReifentests.

Fünf Tage nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft sitzt Sebastian Vettel schon wieder im Auto - er testet bereits für die kommende Saison. (Foto: dpa)

Auf den ersten Blick erscheint das wenig spannend. Aber dieser Eindruck täuscht. Den Gummiwalzen kommt bei dem Sport eine immense Bedeutung zu. Über die Pneus, die aus natürlichem und synthetischem Gummi, Industrie-Ruß, Sulfur und einer Reihe weiterer Chemikalien hergestellt werden, und die sich beim Fahren auf bis zu 110 Grad erhitzen, wird die Kraft der mehr als 700 PS starken Rennwagen auf die Straße übertragen. Die Unterschiede können gewaltig sein.

Als Faustregel gilt: Die Reifen können über eine Runde bis zu zwei Sekunden Unterschied ausmachen, die Aerodynamik eine und der Motor eine halbe Sekunde. Entsprechend groß ist die Auswirkung, wenn ein Fahrer mit der Charakteristik eines Reifens nicht zurechtkommt. Michael Schumacher erging das in diesem Jahr so. Als umgekehrtes Beispiel gilt Fernando Alonso. Der Spanier wurde im Jahr 2005 auch deshalb Weltmeister, weil die französische Firma Michelin Reifen fertigte, die exakt zu dem Auto der französischen Firma Renault passten, für die der Spanier fuhr.

Seit drei Jahren gibt es in der Formel 1 Einheitsreifen. Weil der Lieferant dieser Reifen nun aber wechselt, beginnt das Üben für die nächste Saison ungewöhnlich früh. Wie Vettel drehen auch die anderen Szenegrößen in den nächsten Tagen Runden am Persischen Golf. An den grundlegenden Regeln ändert sich nichts, die Formel-1-Reifen kommen künftig lediglich von der italienischen Firma Pirelli statt von Bridgestone aus Japan. Der Aufwand, den alle Beteiligten für die Neujustierung betreiben, verrät aber, wie stark sich die Kräfteverhältnisse wegen des Wechsels verschieben könnten. Vettel könnte 2011 hoffnungslos hinterher-, Schumacher wieder weit vorausfahren - je nachdem, wem und welchem Auto das neue Material liegt.

Auch für den normalen Autofahrer lassen sich daraus Schlüsse ziehen. Bei der Technik gibt es so gut wie keine Abstrahleffekte von der Formel1 aufs Serienauto, selbst Dieter Zetsche gibt das zu. "Wenn man es ganz nüchtern sieht, dann war da substantziell nie so viel dran", hat der Mercedes-Chef vor einigen Monaten eingeräumt. Wie wichtig der Reifen beim Autofahren aber ist, führt der Motorsport exzellent vor: Wer auf einer Runde zwei Sekunden auf einen Rivalen verliert, wird irgendwann überrundet.

Auf den Alltagsbetrieb übertragen, lässt sich daraus lesen, wie sinnvoll es ist, auf die passende Gummi-Auswahl, den richtigen Druck und ein ausreichend tiefes Profil zu achten - gerade jetzt, da es schlagartig kälter werden kann. Unter sieben Grad haften Winterreifen deutlich besser als Sommerreifen, was etwa den Bremsweg drastisch verkürzt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), der eine Winterreifenpflicht in die Straßenverkehrsordnung schreiben lassen will, sollte Vettel deshalb einen Dank für dessen Lobbyarbeit schicken - auch wenn es in Abu Dhabi am Freitag 28 Grad hatte.

© SZ vom 20.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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