Formel 1: Michael Schumacher:Kompromisslos und widersprüchlich

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Mercedes verteidigt Schumachers Überholmanöver in Monaco und geht gegen die Strafe in Berufung. Es handelt sich um eine Prinzipienfrage.

Elmar Brümmer

Grün war schon immer die wichtigste Farbe des Motorsports, das Signal für Freiheit und freie Fahrt. Reichlich Grün hat Michael Schumacher gesehen auf den letzten paar hundert Metern eines bis dahin einschläfernden Großen Preises von Monaco, aber es ist nicht nachhaltig. Ein bisschen Rot auch, das dem Ferrari von Fernando Alonso gehörte. Aber vor allem eben diesen Grünstich. Damit hat am späten Sonntagnachmittag eine neuerliche Kontroverse um den Formel-1-Rückkehrer begonnen - als wäre er nie weg gewesen.

"Die Entscheidung ist enttäuschend": Michael Schumacher ist frustriert über die Zeitstrafe. (Foto: Foto: AP)

Das Safety-Car biegt in Monte Carlo ein letztes Mal ab, damit der Sieger Mark Webber ungebremst auf dem Zielfoto zu sehen sein wird. Für den Red Bull sind es nur noch ein paar hundert Meter zum Triumph. Der Pulk dahinter liegt weiter zurück und wieder nah beisammen. Alonso ist Sechster, Schumacher Siebter. Alle Fahrer funken an die Box: Dürfen wir nochmal angreifen, so wie sonst? Mercedes-Teamchef Ross Brawn bejaht die Frage, ebenso die Renault-Crew. McLaren und Ferrari sagen "Nein", warnen wegen einer Ausnahmeregel für die Schlussrunde, die jegliches weiteres Überholen untersagt. Und behalten Recht. Zumindest, wenn es nach der ersten Instanz geht, die über das folgende strittige Manöver vor Ort zu urteilen hatte.

In der Rascasse-Kehre, wo sich gerade noch zwei Hinterbänkler-Autos stapelten, macht Schumacher kurzen Prozess und lässt Alonso stehen. Der Spanier will sich bei der Überraschungsattacke eins gegrinst haben, was eher der Mythenbildung denn besserer Regelkenntnis zuzuschreiben ist.

Die Instinkte funktionieren

Schumacher lässt sich nicht groß feiern. Allenfalls die Genugtuung, dass die eigenen Instinkte auch mit 41 noch voll funktionstüchtig sind, verspürt er auf dem Gang zurück ins Fahrerlager. Da läuft der Protest schon. Sechster oder Siebter, das macht in der für ihn schon nach dem ersten Saisondrittel ziemlich gelaufenen WM-Wertung nicht wirklich viel aus. Fürs Ego allerdings schon. Schumacher beweist, dass er immer noch der Kompromisslose - und der Widersprüchliche - der Formel 1 ist.

Drei Stunden tagt die Renn-Jury, in der der Brite Damon Hill als Berater sitzt, Schumachers großer Gegenspieler beim ersten Titelgewinn 1994. Hill galt als Softie, konnte sich in der heimischen Boulevard-Presse nur über den bösen deutschen Rennfahrer profilieren. Seit damals wird jede Kontroverse um den Rekordweltmeister in der angelsächsischen Welt zum Skandal aufgeblasen. Die Ursache für den neuerlichen Konflikt liegt aber offenbar eher an Ungereimtheiten in der Rennleitung von Monte Carlo.

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Mercedes GP aber beruft sich darauf, dass der Grand Prix - wenn auch fälschlicherweise - noch einmal von Renndirektor Charlie Whiting freigegeben war. Teamchef Ross Brawn: "Das hat man uns früh in Runde 78 mitgeteilt, die Strecke war wieder für frei erklärt worden. Bei früheren Rennen, die hinter dem Safety Car beendet worden waren, wurde um die ganze Strecke Gelb gezeigt. Aber hier zeigten alle Grün. Deshalb sagten wir unseren Fahrern auf der letzten Runde, sie sollten bis zur Ziellinie voll fahren."

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Sonst hätte Schumacher auch nie seinen sicheren siebten Platz riskiert. "Nach unserem Verständnis bedeutete die Nachricht ,Safety Car kommt rein, Strecke frei', dass wir wieder unter Rennbedingungen fuhren", unterstreicht der Fahrer die Unschuldsvermutung, "also habe ich mich vorbereitet, meine Reifen auf Temperatur gebracht und gehofft, dass mir jemand eine Chance zum Überholen gibt. Warum auch nicht?"

Die Kommissare sehen das anders, und sie übertünchten den Fauxpas der Streckenpolizisten mit einer nachträglichen Boxendurchfahrtstrafe für den Mercedes-Piloten, die nach Rennende automatisch in die Addition von 20 Sekunden zu seiner Zielzeit umgewandelt wird. Damit wurde aus Rang sechs ein zwölfter Platz. Der Rennstall Mercedes GP ist umgehend in die Berufung gegangen und muss diese bis Dienstag offiziell hinterlegen, damit der Automobilweltverband Fia darüber noch vor dem Großen Preis der Türkei am übernächsten Wochenende entscheiden kann.

Eine Prinzipienfrage

Gegen die Durchfahrtstrafe kann kein Protest eingelegt werden, da es sich um eine Tatsachenentscheidung handelt. Daher bezieht sich die Revision nur auf die Sekunden-Addition. Das erhöht die Erfolgschancen nicht unbedingt. 2008 war Mercedes als Teilhaber von McLaren bei einem ähnlich strittigen Manöver von Lewis Hamilton in Spa-Francorchamps gegen eine nachträgliche 25-Sekunden-Strafe vors Internationale Berufungsgericht gezogen. Die Klage blitzte damals als "unzulässig" ab.

Der neuerliche, eher verzweifelte Anlauf ist eine Prinzipienfrage. Unterliegt das Team, dann wäre es nach dem Strategiefehler in der Monaco-Qualifikation, der Rosberg und Schumacher auf Kollisionskurs brachte, der zweite entscheidende Patzer an einem Wochenende gewesen, was nicht gerade dafür spricht, dass sich die Silberpfeilfraktion derzeit im grünen Bereich befindet. "Für mich war das ein ziemlich normales Rennen, abgesehen von der anschließenden Entscheidung der Sportkommissare", bilanziert Michael Schumacher, "die ist enttäuschend."

© SZ vom 18.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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