Formel 1 in Ungarn:Vettels Sekundenschlaf

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Mit einem Anfängerfehler schenkt Sebastian Vettel seinem Teamkollegen den Sieg. Michael Schumacher beweist alte Rüpel-Qualitäten, gerät mit seinem Rivalen Rubens Barrichello aneinander - und wird bestraft.

Sebastian Vettel hatte überhaupt keine Lust, an der Siegerehrung teilzunehmen. Der 23-Jährige Red-Bull-Fahrer musste von einem Angestellten des Automobilweltverbandes Fia vor das Publikum geschoben werden, auf die dritthöchste Stufe des Siegertreppchens. Auf die zweithöchste Stufe durfte überraschend Ferrari-Fahrer Fernando Alonso. Der Sieg ging an Vettels Teamkollegen Mark Webber, der damit die Führung in der WM-Wertung übernimmt, weil der bisher Beste, Lewis Hamilton, wegen eines Defekts an seinem McLaren punktelos blieb. Vettels Kommentar zu dem Nachmittag: "Ich bin sehr enttäuscht. Das hätte heute ein Spaziergang zum Sieg werden können."

Langes Gesicht: Sebastian Vettel suchte zuerst einen Sündenbock, fand aber keinen. Er war einfach nur selbst schuld gewesen. (Foto: dpa)

Zunächst sah auch alles danach aus. Vom besten Startplatz aus schob sich der Deutsche souverän vor Alonso und Webber in die erste Kurve. Bereits nach einem Umlauf hatte er einen gewaltigen Vorsprung. Die dunkelblauen Autos von Red Bull waren so überlegen, wie es sich am Samstag in der Qualifikation angedeutet hatte. Doch wie schon öfter in diesem Jahr glückte es der Mannschaft, die Überlegenheit zu verspielen. Die Gelegenheit dazu ergab sich, als das Safety Car in der 15. Runde die Führung übernahm, weil ein Teil eines Flügels eines Force Indias von der Strecke gesammelt werden musste.

Vettel, der in letzter Sekunde zu einem Boxenstopp abgebogen war, folgte Mark Webber, der seine Reifen noch nicht gewechselt hatte. Weil sein Funkgerät defekt war, entstand eine Konfusion: Vettel ging davon aus, dass sein Team ihn warnen würde, wenn das Safety Car das Rennen wieder freigeben sollte. Das aber geschah nicht. Weil er davon ausging, dass noch eine Runde im gemäßigten Tempo absolviert werden würde, ließ er den Kontakt zu Webber abreißen. Weiter als das laut Reglement erlaubt ist. Dort heißt es: Zwischen zwei Autos dürfen in einer Safety-Car-Phase maximal zehn Autolängen liegen. Zwischen Vettel und Webber passten deutlich mehr. Ein krasser Fehler.

"Ich habe den Neustart verpennt", gab Vettel zu, "zunächst habe ich mir nichts dabei gedacht." Die Aktion blieb aber nicht folgenlos. Es dauerte nicht lange, bis die Rennkommissare die im Reglement vorgesehene Strafe aussprachen: eine Strafrunde durch die Boxengasse. Vettel verstand das nicht. Als er in die Boxengasse bog, um die Strafe zu absolvieren, nahm er zunächst eine Hand vom Lenkrad und entbot eine höhnische Geste. Kurz darauf wiederholte er die Geste mit beiden Händen. Wirklich vorwerfen konnte er niemandem etwas. Der Fehler ging allein auf sein Konto. Teamchef Christian Horner wurde deutlich: "Diesen Sieg hätte er locker heimfahren können", sagte der Brite über Vettel.

Dicht gestaffelte Spitzengruppe

Die Strafsekunden öffneten Webber den Weg zum Erfolg. Der Sieg in Ungarn ist sein vierter in diesem Jahr. Vettel kommt lediglich auf zwei. In der WM-Wertung lautet die Reihenfolge nun: 1. Webber/161 Punkte, 2. Hamilton/157, 3. Vettel 151. Jenson Button, der mit seinem McLaren in Ungarn Achter wurde, kommt auf 147 Zähler, Alonso auf 141. Eine so dicht gestaffelte Spitzengruppe hat es in der Rennserie selten gegeben. Ein gutes Resultat erreichte in Budapest Nico Hülkenberg: Der 22-Jährige sammelte als Sechster für das Team Williams acht Punkte. Timo Glock (Virgin) kam als Sechzehnter mit drei Runden Rückstand ins Ziel. Adrian Sutil schied nach einer kuriosen Kollision aus: Als er die Force-India-Box ansteuerte, unterlief den Renault-Mechanikern in der Garage nebenan ein Fehler: Sie schickten ihren Fahrer Robert Kubica genau in Sutils Weg. Es kam zum Crash.

Nico Rosbergs Arbeitstag für Mercedes endete aus einem anderen Grund früh: Auch bei seinem Boxenstopp ging etwas schief. Das rechte Hinterrad löste sich, hüpfte im hohen Bogen die Garagen entlang und traf einen Williams-Mechaniker, der leicht verletzt wurde. Auf drei Rädern kam Rosberg nicht mehr weit. Außerdem muss Mercedes 50.000 US-Dollar Bußgeld zahlen.

Der Ungarn-Grand-Prix 2010 war zwar kein spannendes Rennen, aber ein sehr ereignisreiches. Für reichlich Aufregung sorgte kurz vor Schluss Michael Schumacher. Im Duell um den letzten Platz, der noch einen WM-Punkt bringt, geriet der Mercedes-Fahrer mit seinem alten Rivalen Rubens Barrichello aneinander. Der Brasilianer war im Williams auf frischen Reifen unterwegs und damit schneller. Auf der Start- und Zielgeraden wollte er an Schumacher vorbei. Der zeigte sich unnachgiebig und drängte Barrichello fast in eine Mauer. Nur Zentimeter fehlten zu einem bösen Unfall.

"Er gehört disqualifiziert", zürnte Barrichello am Funk, später fiel ihm ein: "Wenn er in den Himmel will, soll er vorgehen." Schumacher, der am Ende Elfter wurde, konterte gelassen: "Wir sind in der Formel 1, nicht auf einer Kaffeefahrt." Er habe Barrichello "vorgeschlagen, die andere Seite zu benutzen, da war deutlich mehr Platz. Das wollte er nicht." Die Rennkommissare werteten das Manöver dennoch als Foul. Beim nächsten Rennen, das am 29. August auf der Rennstrecke in Spa-Francorchamps stattfindet, wird Schumacher am Start um zehn Plätze strafversetzt.

© SZ vom 02.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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