Formel 1: GP von Kanada:Aus der Tiefe des Regens

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Schwimmen, Schlittern und ein großer Showdown: Jenson Button gewinnt ein chaotisches Rennen in Montreal, weil er in letzter Sekunde Sebastian Vettel überholt. Nach mehreren Unterbrechungen rollt der Brite das Feld von hinten auf - Michael Schumacher fährt das beste Rennen seit seinem Comeback.

Es fehlten nicht mehr viele Meter bis zum Ziel, aber dann schlitterte er doch noch seitlich weg: Sebastian Vettel hat beim Chaos-Rennen in Montreal seinen sechsten Saisonsieg verschenkt und Jenson Button den Erfolg am Ende ziemlich leicht gemacht. Nach einem kurzen Ausrutscher in der letzten Runde blieb für den Weltmeister der zweite Platz vor seinem Teamkollegen Mark Webber und Rekordweltmeister Michael Schumacher, der nach einem beherzten Rennen als Vierter nur knapp seinen ersten Podiumsplatz seit 1715 Tagen verpasste.

Sieger in der letzten Runde: Jenson Button profitierte von einem Dreher von Sebastian Vettel kurz vor Ende des Rennens. (Foto: REUTERS)

Wenige Runden vor Schluss hatte Schumacher Rang zwei belegt, die deutschen Fans durften von einem überraschenden Doppelsieg träumen. Vettel schien in einem verrückten Rennen, das wegen eines Wolkenbruchs zwischenzeitlich 125 Minuten unterbrochen und von zahlreichen Safety-Car-Phase geprägt war, seinen ersten Kanada-Erfolg schon in der Tasche zu haben, bis er wenige Kilometer vor dem Ziel kurz neben die Strecke rutschte und Verfolger Button durchschlüpfte.

"Ich habe von der ersten bis zur letzten Runde geführt. Wenn man den Sieg in der Hand hat und ihn dann weggibt, ist das nicht das schönste Gefühl", sagte Vettel: "Ich hatte gedacht, dass es reicht. Aber es hat nicht gereicht, weil ich einen Fehler gemacht habe. Natürlich überwiegt erst einmal die Enttäuschung. Wenn man um den Sieg fährt, fuchst einen das schon."

Verlierer des Tages war Hamilton, der nach einem erneuten "Rambo-Auftritt" mit Kollisionen mit Vettels Red-Bull-Teamkollegen Mark Webber sowie seinem eigenen Stallrivalen Button frühzeitig ausschied und auch noch nachträglich mit einer Strafe rechnen muss.

Schon zwei Wochen zuvor in Monte Carlo war Hamilton durch rüpelhafte Fahrweise negativ aufgefallen, um eine Strafe aber gerade noch herumgekommen. Ferrari-Pilot Fernando Alonso schied nach einer Kollision mit Button ebenfalls aus und blieb ohne Punkte. In der Gesamtwertung baute Vettel mit jetzt 161 Punkten seinen Vorsprung auf 60 Punkte vor dem jetzt zweitplatzierten Button (101) aus. Dritter ist Webber (94) vor Hamilton (85) und Alonso (69).

Außer Vettel und Schumacher kam kein deutscher Fahrer in die Punkte. Nico Rosberg fiel in der letzten Runde bis auf Rang elf zurück, Timo Glock belegte Rang 16. Nick Heidfeld und Adrian Sutil schieden nach Unfällen aus. "Es wäre schön, wenn wir das hätten halten können. Leider gab es kein deutsches Happy-End", sagte Schumacher: "Es ist natürlich nicht schön, wenn man so kurz vor dem Podium steht und noch Vierter wird. Aber wir können happy sein, das war nach den letzten Rennen mal wieder ein Highlight."

Zuletzt war im vorigen Jahr der Große Preis von Südkorea nach vier Runden wegen Regens unterbrochen worden. Das Rennen wurde später aber neu gestartet und über die komplette Distanz ausgetragen. Im April 2009 in Malaysia war der Grand Prix nach 31 von 56 Runden ebenfalls wegen Regens gestoppt und ganz abgebrochen worden. "Es ist so viel Wasser, schon für das erste Auto ist es schwierig, aber die dahinter können sicher gar nichts sehen. Zwischen Kurve 9 und 13 ist es fast unbefahrbar", hatte Vettel über den Boxenfunk gesagt.

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Kurz darauf reagierte die Rennleitung. "Die FIA hat sehr umsichtig gehandelt, es war die richtige Entscheidung", meinte Mercedes-Sportchef Norbert Haug. "Mit der Sicht ist das kritisch, sehr kritisch. Man sieht gar nichts, Wahnsinn, das kann man sich nicht vorstellen", erklärte Rosberg. "Das war absoluter Blindflug", sagte Virgin-Pilot Timo Glock.

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Nach mehr als zwei Stunden Pause, die die Fahrer in den trockenen Boxen verbrachten, gab die Rennleitung aber wieder grünes Licht. Der Regen hatte nachgelassen, die Strecke war mit Kehrmaschinen und Besen von den Wassermassen befreit worden. Nach neun Runden hinter dem Safety-Car wurde das Rennen in der 35. Runde wieder freigegeben, und ging gleich turbulent weiter, weil einige Fahrer sich schnell Intermediate-Reifen holten. Als in Runde 37 Button und Alonso sich berührten und der Ferrari-Pilot gegen die Begrenzungsmauer prallte, rückte erneut das Safety-Car aus.

Vettel nutzte das, um sich auch neue Reifen zu holen. Ab der 41. Runde hatte er dann wieder an der Spitze freie Fahrt. Mit den Intermediate-Reifen holte vor allem Schumacher mächtig auf und schob sich bis auf den zweiten Platz nach vorne. Nachdem in der Schlussphase alle Fahrer sogar auf Trockenreifen gewechselt hatten, musste er seine Position gegen Webber verteidigen. In Runde 56 wurde wieder das Safety-Car nötig, nachdem Heidfeld gegen eine Mauer geprallt war und Teile seines Frontflügels auf der Strecke lagen.

Nach Regenfällen am Vormittag war das Rennen aus Sicherheitsgründen schon hinter dem Safety-Car gestartet worden. Vettel, der sich am Samstag zum sechsten Mal im siebten Rennen des Jahres die Pole Position gesichert hatte, führte das Feld in den ersten vier Runden in langsamem Tempo hinter dem Mercedes SLS des früheren DTM-Piloten Bernd Mayländer an.

Hamilton setzte seine Rambo-Fahrt wie zuletzt in Monaco fort. Gerade, als die Rennkommissare seine erste Aktion gegen Webber untersuchten, rammte Hamilton auf der Zielgeraden seinen eigenen Stallrivalen Button, schied aus und verursachte schon nach neun Runden eine erneute Safety-Car-Phase.

Die Krönung: Während Button entsetzt über den Boxenfunk rief "Was macht der denn da?", versuchte Hamilton mit dem zerstörten Auto noch in die Box zu fahren, blieb aber dann auf der Strecke stehen. Nach dem Aus wurde der Brite von der Rennkommission im "Fall Webber" frei gesprochen, für den Crash mit Button und für zu schnelles Fahren unter Safety-Car-Bedingungen drohte ihm aber dennoch Ungemach. "Der ist komplett wahnsinnig", schimpfte der frühere Weltmeister Niki Lauda bei RTL.

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