Formel 1: BMW:Frust am Fahren

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Nachdem BMW das Aus in der Formel 1 verkündet hat, müssen nicht nur die Piloten um ihren Job bangen. Nick Heidfeld verhandelt schon seit längeren mit anderen Teams.

René Hofmann

BMW-Sauber steht unter besonderer Beobachtung. Als die Mechaniker der deutsch-Schweizer Renngemeinschaft in dieser Woche die Rennwagen auspackten, die sie zum Großen Preis von Europa nach Valencia gebracht haben, schauten die Kollegen von Williams ganz genau hin und registrierten: Da ist einiges neu am Auto. Als sie die Erkenntnis in der Fahrerbesprechung vortrugen, wunderte sich Pilot Nico Rosberg: "Die steigen aus und bringen trotzdem noch neue Teile. Das ist irgendwie komisch."

BMW-Sportchef Mario Theissen will das Team unter neuen Eigentümern am Leben halten. (Foto: Foto: AP)

Irgendwie komisch. Die beiden Worte beschreiben die Stimmung am besten, die rund um das Formel-1-Team von BMW herrscht. Vor gut drei Wochen hat der Firmenvorstand beschlossen, 2010 nicht mehr in der Rennserie anzutreten. Seitdem herrscht Ungewissheit. Vor allem die gut 400 Angestellten der Rennwagenfabrik, die Peter Sauber in Hinwil bei Zürich aufgebaut hat, müssen um ihre Jobs bangen. Ein erster Versuch von Sauber, die Firma wieder zu übernehmen, ist gescheitert. Offiziell, weil nicht genügend Zeit für Verhandlungen war. Das Thema Geld dürfte aber auch eine Rolle gespielt haben.

Die Börsen begrüßten das Formel-1-Aus

Anders als die japanische Firma Honda, die ihre Rennwagenfabrik in Brackley in England nach ihrem Formel-1-Ausstieg Ross Brawn schenkte und für das erste Nach-Honda-Jahr noch einen ordentlichen Millionen-Betrag spendierte, ist BMW offenbar nicht bereit, den großzügigen Überlebenshelfer zu spielen. "Uns liegen einige Anfragen vor. Diese evaluieren wir gerade", sagt Sportchef Mario Theissen, der die Vorstands-Entscheidung im Formel-1-Fahrerlager verteidigen muss: "Es ist unsere Priorität, das Team unter neuen Eigentümern am Leben zu erhalten." Was eine weitere Option wäre, sagt Theissen auch: In Hinwil könnte ein Forschungs- und Entwicklungszentrum entstehen. Einen akuten Bedarf dafür hat die Firma aber nicht.

An den Börsen kam das Formel-1-Aus gut an. Am Tag der Verkündung kletterte der Aktienkurs. Auf dem Sportplatz aber nehmen viele der Firma die Kehrtwende übel. Im Winter hatte BMW als einziges Team darauf beharrt, die extrem teure Kers-Technik einzuführen, die es erlaubt, in einem Hybrid-System einen Teil der Energie zu speichern, die beim Bremsen frei wird. Mercedes verhalf die Technologie beim Großen Preis von Ungarn zum Sieg. Die weiß-blauen Autos hat sie dagegen nie nach vorne gebracht. Inzwischen hat Theissen Kers wieder ausbauen lassen. Statt um "efficient dynamics", so der Slogan einer Anzeigenkampagne im Frühjahr, geht es nun um "Nachhaltigkeit". Das Zauberwort steht über dem Plan, den der Vorstand dem ganzen Konzern verordnet hat.

Was damit genau gemeint ist, weiß kaum einer. Weil die Rückzugsverkündung mit der Comeback-Ankündigung von Michael Schumacher zusammenfiel, fragte aber auch kaum einer genau nach. Der Münchner Konzern hatte Glück: Wegen der vielen Schumacher-Schlagzeilen erntete er sehr wenig negative PR. Was die Situation zudem für BMW leichter macht als für Honda: Anders als in England werden in der Schweiz bei einem Rückzug wohl keine Abfindungen für Formel-1-Angestellte fällig, die vor die Tür gesetzt werden.

Ein teurer Rechtsstreit könnte dem Unternehmen trotzdem drohen: Robert Kubica hat einen Vertrag, der ihm garantiert, dass er auch 2010 einen Formel-1- BMW bewegen darf. Der Pole sagt zwar: "Über eine Klage mache ich mir jetzt keine Gedanken." Übersetzt heißt das aber nur: "Ich schließe sie nicht aus." Der 24-Jährige hat nun jedenfalls ein Druckmittel, falls sich ihm die Chance bietet, das Team noch in diesem Jahr zu verlassen - etwa zu Ferrari.

E-Mail von BMW

Dass er die Nase voll von BMW hat, lässt Kubica deutlich anklingen. "Sehr, sehr seltsam" findet er, dass der Vorstand das Aus mitten in der Saison verkündete. "Normalerweise versucht man doch, alles zu tun, um das Team motiviert zu halten. Das könnte nun schwierig werden", sagt Kubica, der sich außerdem in einer Einschätzung aus dem vorigen Jahr bestätigt fühlt. Als er damals die WM-Wertung anführte, hatte er gemahnt: Wir müssen jetzt alles für den Titel tun; wer weiß, ob wir diese Chance nochmal bekommen. Dass die Chance mit BMW nicht mehr kommen wird, erfuhr er nach dem Joggen am Morgen der offiziellen Verkündung aus dem Internet. Kurz darauf erreichte ihn eine E-Mail von BMW, was zeigt, mit welch technokratischer Schnödigkeit der Rückzug zu einem große Teil abgewickelt wird.

Nick Heidfeld rief Sportchef Mario Theissen zumindest an. Der 32 Jahre alte Deutsche geht dafür, dass er immerhin sieben Jahre mit der Sauber-Equipe verbrachte, erstaunlich schnell auf Distanz zu seinem langjährigen Arbeitgeber. Er habe schon vor der BMW-Ankündigung mir anderen Teams verhandelt, sagt Heidfeld, wenn er gefragt wird, wie seine Zukunft aussieht. Sein Vertrag mit den Bayerischen Motorenwerken wäre allerdings ohnehin ausgelaufen. Die sieben Rennen bis zum Saisonende Anfang November werden für ihn nun ebenso zu Werbeauftritten wie für das ganze Team. Bis ein Käufer gefunden ist, hat Sportchef Mario Theissen angeordnet, wird die Weiterentwicklung wie geplant weiterlaufen - auch die für das nächstjährige Auto.

© SZ vom 22.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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