Braun-weiß gefleckte Kühe grasen auf einer saftigen Wiese, Radler gleiten am Waldrand entlang, ein Vogel kreist über den Tannen. Doch dann macht es: brumm, brumm. Der Formel-1-Zirkus ist wieder in der Eifel eingefallen. Am Freitag haben auf dem Nürburgring die Trainingsläufe begonnen, immer wieder heulen die Motoren auf. Dass der Große Preis von Deutschland an diesem Wochenende in der Eifel stattfinden kann, ist jedoch fast ein Wunder - und vielleicht das letzte Mal.
Es steht nicht gut um den Nürburgring, Deutschlands traditionsreichste Rennstrecke. Vergangenen Sommer musste die Betreiber-GmbH Insolvenz anmelden. Erst im Januar wurde bekanntgegeben, dass der Grand Prix hier ausgetragen werden kann. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone musste dabei den Betreibern entgegenkommen. In Ländern wie China oder Katar zahlen die Veranstalter mittlerweile weit über 30 Millionen Euro dafür, ein Rennen ausrichten zu dürfen. In Europa sind solche Summen nicht mehr denkbar, auch die Betreiber der Strecken in Monza oder Spa haben große Geldsorgen. 14 Millionen hätte der Nürburgring angeblich überweisen sollen, dann soll jedoch Ecclestone den Veranstaltern ein Teil des Geldes erlassen haben und dafür an den Ticketverkäufen beteiligt worden sein. Genaues will man nicht verraten. Doch Ecclestone weiß: Er braucht die Rennen in Europa, wo die Formel 1 viel tiefer verwurzelt ist als in den Schwellenländern.
Wie schlecht es um den Nürburgring bestellt ist, ist an diesen Tagen nicht leicht zu bemerken. Denn natürlich sind die Hotels in der Umgebung restlos ausgebucht, auf dem Campingplatz an der Rennstrecke haben schon am Donnerstag viele Motorsportfans ihre Zelte aufgebaut. Schon jetzt stockt der Verkehr auf der Landstraße, die zur Rennstrecke führt.
Grand Prix am Nürburgring:Ungewissheit an der Reifenfront
Die vielen Reifenschäden beim Grand Prix in Silverstone haben Konsequenzen: Die Fahrer drohen vor dem Rennen auf dem Nürburgring schriftlich mit Boykott, der Automobilweltverband schreibt den Teams exakt vor, wie sie mit den Pneus umzugehen haben. Ob damit das Problem gelöst werden kann, ist allerdings nicht sicher.
50.000 Zuschauer werden am Sonntag erwartet. Die Betreiber versichern, sie seien mit der Zahl zufrieden, aber sie ist nicht berauschend. Bei Michael Schumachers erstem Erfolg 1995 kamen 90.000. Doch Sebastian Vettel ist eben kein Michael Schumacher. Kaum ein Zuschauer trägt auf dem T-Shirt das Konterfei des Heppenheimers, Schumi-Shirts sind dagegen noch heute häufig zu sehen. Nicht einmal das erwartete Duell zwischen Vettel und Nico Rosberg um Platz eins lockt die Massen.
Im hochglänzenden Programmheft wird der Mythos des Nürburgrings weiter in blumigen Worten beschrieben, als "weltweit einmaliges Ensemble, in dem sich Tradition und Moderne zu einem Ganzen verbinden." Nur ein etwas sperriger Satz im Vorwort von Karl-Josef Schmidt, dem Geschäftsführer der Nürburgring-GmbH, lässt die katastrophale Lage erahnen: "In den Jahrzehnten, während derer die Formula 1 hier schon stattfindet, hat sich im Motorsport und am Nürburgring vieles verändert."
Was ist schiefgelaufen mit der Rennstrecke? Für 330 Millionen Euro hat die SPD-Regierung 2009 neben dem Circuit einen Freizeitpark bauen lassen. Es sollte ein Prestigeprojekt von Ministerpräsident Kurt Beck werden, doch es misslang. Weit weniger Menschen als geplant wollen mitten in der Eifel ins Casino gehen, das Kino besuchen oder eine Shoppingtour machen. Die Achterbahn "Ring Racer" steht symbolisch für das Scheitern: Bei Testfahrten war es zu Unfällen gekommen, das Fahrgeschäft konnte deswegen nie in Betrieb genommen werden.
Die Folgen der Pleite: Der rheinland-pfälzische Finanzminister und Aufsichtsratschef der Nürburgring GmbH musste zurücktreten, in einem Untersuchungsausschuss im Landtag wurde nach Schuldigen gesucht, die Landesregierung kündigte den Pachtvertrag mit der Nürburgring Automotive GmbH, im Juli 2012 übernahmen die Insolvenzverwalter das Projekt, die Steuerzahler mussten für das Minus aufkommen.
Vor kurzem nun wurde die Strecke zum Verkauf ausgeschrieben. Ecclestone hat offenbar Interesse. "Wenn ich das mache, würde das bedeuten, dass der Große Preis von Deutschland in Zukunft gesichert ist", sagte der Formel-1-Chef am Freitag der Welt. Falls sich allerdings kein Käufer finden sollte, ist ein deutscher Mythos bald Geschichte.
1927 wurde auf dem Nürburgring das erste Autorennen ausgetragen, 1951 dann das erste WM-Rennen. Als Juan Manuel Fangio 1954 den Sieg errang, sahen 400.000 Zuschauer zu. Damals wurde auf der 20 Kilometer langen Nordschleife gefahren - genannt "Die grüne Hölle". Eingebettet in die Natur der Eifel führt die Strecke über 170 Kurven und 300 Meter Höhenunterschied. Die Biegungen tragen keine Nummern sondern Namen wie Kesselchen, Fuchsröhre oder Karussell. Eine Kultstätte.
Mythos Nürburgring:Die grüne Hölle
Der Nürburgring schrieb bedeutende Geschichten des Rennsports: von der ersten Gebirgsstrecke über die Legende der Silberpfeile bis zum schlimmen Unfall von Niki Lauda. Nun geht die Rennstrecke endgültig in die Insolvenz.
Immer wieder kam es jedoch zu tödlichen Unfällen, die Fahrer boykottierten schließlich die Strecke. Daraufhin wurden Bäume gefällt sowie Leitplanken, Fangzäune und Randsteine gebaut. Am 1. August 1976 fing allerdings das Auto von Niki Lauda Feuer, der Pilot überlebte nur mit viel Glück. Die Folge des fatalen Unfalls: Dem Nürburgring wurde die Formel-1-Lizenz entzogen. Es musste etwas passieren.
Die "Grüne Hölle" ist eine Kultstätte geblieben. Die Formel 1 gastiert hier nicht mehr, jedoch Langstreckenrennen. Zudem wird sie für Testfahrten vermietet, Besucher können für 26 Euro eine Runde drehen. Statt der Nordschleife wurde Anfang der Achtziger eine neue Grand-Prix-Strecke gebaut. Die Formel 1 kehrte in die Eifel zurück. Mittlerweile wechselt sich der Nürburgring jedes Jahr mit dem Hockenheimring mit der Austragung ab.
5,145 Kilometer ist der Circuit lang, 17 Kurven müssen die Fahrer absolvieren, 60 Mal geht es am Sonntag im Kreis. Und dann? Dann ist womöglich die Formel 1 am Nürburgring Geschichte.