Flügelflitzer: Naturdoping aus Kenia:Die Milch macht's

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Die hochdekorierten Langstreckenläufer aus Kenia bringen ihre eigene Milch mit zur Leichtathletik-WM in Berlin. Hoffentlich hat Usain Bolt seine Wunder-Kartoffeln nicht vergessen.

Thomas Hummel

Die Massai sind davon überzeugt, dass alle Kühe der Welt einst ihnen gehörten. Sollten andere Völker oder Stämme heute welche besitzen, müssen sie diese irgendwann von den Massai gestohlen haben, weshalb es nur recht und billig ist, dass diese Kühe "befreit" und zu den Massai in die kenianische Steppe zurückgebracht werden.

Goldmedaillen mit Hilfe der Kuh: Kenias Läufer. (Foto: Foto: AP, AFP)

Diese Geschichte muss kennen, wer sich nun über die kenianische Läufer-Delegation bei der WM in Berlin wundert. Die 40 Athleten und ihr Funktionärstross importieren nämlich nicht nur Trainingsanzüge und Schuhe, Familienbilder und Gebetsutensilien, sondern auch Milch. "Die Sportler werden in Berlin auf jeden Fall ihre geliebte kenianische Milch trinken können", erklärte eine Mannschafts-Sprecherin vor der Abreise in Nairobi.

Eine tägliche Dosis einheimischer Milch plus Talent plus Fleiß stecke hinter den Erfolgen der ausdauernden Läufer. Bei der vergangenen WM im japanischen Osaka gewannen sie mit dieser außergewöhnlichen Kombination 13 Medaillen, darunter fünf goldene.

Tragen die Milchbauern hierzulande nicht schon genug Sorgen mit sich herum? Der Milchpreis ist derart im Sinkflug, dass die Gabe deutscher Kühe bald weniger kostet als das Wasser aus der Leitung. In Bayern haben die Landwirte zuletzt ihre Blumenkästen von den Balkonen abgehängt, um ihren Protest gegen den Preisverfall für alle Touristen sichtbar nach außen zu tragen. Und jetzt soll ihre Milch nicht gut genug sein für die kenianischen Wunderläufer?

Doch die deutschen Milcherzeuger erwarten nicht alleine mit bangem Blick die Körperschau in Berlin. Den Kartoffelbauern ergeht es ähnlich. Schließlich gab Wellesley Bolt vor einem Jahr die bis dahin geheime Information an die Öffentlichkeit, sein Sohn Usain renne selbst mit offenen Schnürsenkeln der Welt davon, weil er so häufig in seinem Leben die im Nordwesten Jamaikas angebaute Trelawny-Kartoffel auf den Teller bekomme.

Nun können die Athleten nur hoffen, dass die Milch aus Kenias Steppe und die Kartoffel aus Jamaikas Hügelland nicht irgendwann von missgünstigen europäischen Funktionären auf die Dopingliste gesetzt werden. Obwohl so eine Dopingliste an sich ja noch nicht beunruhigen muss. Die jamaikanische Dopingagentur hat die fünf Sprinter, die bei den nationalen Meisterschaften positiv auf das Stimulanzmittel Methylxanthin getestet wurden, rechtzeitig für unschuldig erklärt. Und soeben wurde bekannt, dass in ganz Afrika in diesem WM-Jahr noch keine einzige Blutkontrolle bei einem Athleten genommen wurde. Wegen logistischer Probleme, wie der Weltverband einräumt.

Doch halt! Die Europäer und schon gar nicht die Deutschen sollen mit den Fingern auf andere zeigen. Sonst müsste der hiesige Sport einräumen, dass schon die Wunderspieler von Bern 1954 mit deutschem Vitamin C behandelt wurden, wie ein Mannschaftsarzt ein halbes Jahrhundert später einräumte. Es waren Spritzen und Kanülen in der Kabine gefunden worden, acht Spieler erkrankten kurz darauf an Gelbsucht. Doping? Selbstverständlich nicht! Damals gab es noch gar keine Dopingliste.

Und dass die deutschen Sportler bei ihren Weltreisen stets ein Ersatzteam aus Köchen samt eingeschweißter Sportnahrung dabei haben, gilt schon seit Jahrzehnten als vornehmste Aufgabe der Verbandsfunktionäre zum Schutz der wertvollen Athletenkörper. Wer weiß schon, was in so einer karibischen Kartoffel oder afrikanischen Milch alles drin ist?

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