Florenz-Stürmer Gomez:Gespenst in der Parallelwelt

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Mario Gomez ist nach einer vergebenen Chance frustriert. Der Stürmer trifft das Tor für den AC Florenz zu selten. (Foto: Marco Luzzani/Getty Images)

Mario Gomez erlebt beim AC Florenz die schwerste Zeit seiner Karriere. Der Stürmer trifft nicht mehr, die italienische Presse bespöttelt ihn - und Trainer Vincenzo Montella rät ihm unmissverständlich zum Karriereende.

Von Birgit Schönau, Rom

Man kann jetzt nicht sagen, dass Italien und insbesondere die schöne Stadt Florenz keine Geduld mit Mario Gomez gehabt hätten. Als der Spieler im Sommer 2013 vom FC Bayern kam, wurde er frenetisch gefeiert. Die Florentiner erwarteten große Dinge von "Supermario", der hatte ihren Klub schließlich die schöne Summe von gut 15 Millionen Euro gekostet und erhielt fortan ein Nettogehalt von vier Millionen Euro im Jahr. Dafür sollte er dem AC Florenz Tore und Trophäen bescheren, das war jedenfalls der Plan.

Anderthalb Jahre sind vergangen, fünf Gomez-Tore gefallen. "Supermario" erlebt in Florenz die schwierigste Zeit seiner Karriere, verletzte sich gleich zu Anfang, erholte sich kaum, verletzte sich wieder. Lange versicherten ihm Arbeitgeber und Fans, das sei doch kein Problem. Könne schließlich jedem passieren und gehe auch wieder vorbei. Das Verständnis und der Trost für Mario Gomez schienen grenzenlos zu sein, und der Spieler zeigte allenthalben seine Dankbarkeit für soviel Unterstützung. Die Tore aber blieben weiter aus. Dreizehn Einsätze hatte er in dieser Saison, einen Treffer. Voriges Jahr schloss die Fiorentina auf Platz vier ab, derzeit steht sie auf Platz sechs. Von wegen Meisterschaft, von wegen Champions League. Von wegen Supermario.

Verpatzte Torchance und ein verballerter Elfmeter

Die letzten beiden Auftritte gerieten zum Fiasko. Am Dreikönigstag eine verpatzte Torchance und ein verballerter Elfmeter gegen das Kellerkind FC Parma. Am Sonntag eine weitere desaströse Leistung gegen Palermo, von einem "Gespenst namens Gomez", wie La Repubblica höhnte, "das in einer Parallelwelt der Paranoia lebt". Wäre man nicht schon verzweifelt, könnte man es nach solcher Kritik leicht werden. Aber es ist ja auch wirklich ein Jammer, der große, stattliche Gomez als Ritter der traurigen Gestalt, ein Don Quijote des italienischen Provinzfußballs, der ungeschickt gegen die Windmühlen der gegnerischen Abwehr kämpft, dauernd Bälle verliert, das Tor nicht mehr trifft.

Totalblockade. Sein Trainer Vincenzo Montella kennt das, er war ja selbst mal Stürmer, ein sehr erfolgreicher und extrem populärer noch dazu. Wenn auch ein total anderer Typ als Gomez - schmächtig, wieselflink, voller List und Witz. Vincenzo Montella stammt aus Neapel, und Neapolitaner sind Meister der Andeutung und des Anpirschens, nicht des Frontalangriffs. Auch er hat den Stürmer Gomez lange offiziell unterstützt, ihn sogar entschuldigt, seine Kritiker vertröstet. Jetzt ist damit Schluss. Der samtfüßige Montella hat zum Jagen geblasen, für Gomez wird es Ernst. "Er ist nicht der Spieler, der er mal war", sagte der Trainer nach dem Auftritt gegen Palermo (Florenz gewann 4:3). "Er hat ganz offensichtlich eine seelische Blockade." Kann passieren, geht vorbei. "Aber wir haben mehr von ihm erwartet. Für uns ist der Moment des Resümees gekommen." Au weh: Anderthalb Jahre, sechs Millionen Euro Gehalt. Mehr als eine Million pro Tor.

Sein bisher letzter Facebook-Eintrag zeigt Mario Gomez in der Badewanne. Nicht so günstig, jetzt. Der vorletzte Eintrag liest sich so: "Natürlich würde ich am liebsten jedes Spiel treffen. Ich bin mir aber sicher, dass ich Euren Support bald mit weiteren Siegen und am Ende auch wieder mit Toren zurückzahlen werde. Im Moment spiele ich einfach noch zu unruhig." Im Moment? "Als ich verstanden hatte, dass ich nicht mehr in Topform war, bin ich gegangen. Und habe meine Spielerkarriere beendet, obwohl ich noch ein Jahr Vertrag hatte", sagt Montella.

Unmissverständlich, nicht nur für Neapolitaner. Mit 35 Jahren hörte er auf, fing sofort als Trainer an. Heute ist Vincenzo Montella 40. Gomez hat noch zwei Jahre Vertrag, er ist 29. Genauso alt wie Lukas Podolski, der gerade als Leihgabe bei Inter Mailand anheuerte, dort gute Laune verbreitet und gute Leistungen zeigt. Für vergleichsweise wenig Geld, was die Zuneigung von Fans und Klubleitung ja immer noch ein wenig leichter macht.

Auch Klose trifft nicht mehr

Die italienische Sportpresse bejubelt Poldi und bespöttelt Gomez. Übrigens auch Miroslav Klose, aber dessen Zeit bei Lazio Rom dürfte bei Saisonende ohnehin vorbei sein. Man trennt sich gerade auf Raten, mit den üblichen Sticheleien. "Ich spiele zu wenig", klagt Klose, im Derby gegen den AS Rom (2:2) gönnte ihm Trainer Stefano Pioli gerade mal 25 Minuten. Genug für Klose, um die entscheidende Chance zum Siegtor zu verpassen, genug für die Presse, um auch ihn abzuschreiben: "Vor zwei Jahren hätte er das Tor noch nieder gerissen" (Corriere della Sera).

Vor 20 Jahren wären Klose, Poldi und Gomez vermutlich gar nicht in der Serie A gelandet, aber das ist eine andere Geschichte. Früher zogen deutsche Spieler auf dem Höhepunkt ihrer Karriere nach Italien, heute kommen sie, wenn sie die längste Zeit hinter sich haben aber felsenfest glauben, das Beste könnte noch kommen. Die Italiener lassen ihnen diese Illusion, weil sie sie ja selbst pflegen. Wenn sie bitteschön nicht zu viel kostet.

© SZ vom 13.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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