Finale der Europa League:Der FC Sevilla gedeiht in der Nische

Lesezeit: 3 min

  • Der FC Sevilla könnte mit einem Sieg gegen Liverpool zum zweiten Mal seinen Titel in der Europa League verteidigen.
  • Die Erfolge der Spanier folgen einem Plan: Man hat es sich in der Nische bequem gemacht und holt ständig gute, unbekannte Fußballer.

Von Javier Cáceres

Wer verstehen will, warum der FC Sevilla zu einem der erfolgreichsten Teams des europäischen Fußballs geworden ist und an diesem Mittwoch schon wieder - das heißt: zum fünften Mal seit 2006 - im Finale der Europa League steht, muss zurückgehen an den Anfang des Jahrtausends.

Damals wurde der Mannschaftsbetreuer und vormalige Torwart des Klubs, den alle Monchi rufen, zum Sportdirektor bestimmt und einem Crashkurs in Sachen Kaderplanung unterworfen. Sevilla dümpelte in der zweiten Liga herum. Die Fans ertrugen kaum den Spott der Anhänger des Lokalrivalen Betis. Und Monchi, dessen bürgerlichen Namen Ramón Rodríguez Verdejo schon damals keiner kannte, musste ein neues Team zusammenstellen.

Das Problem: Der Klub hatte nicht eine einzige Pesete. So hieß damals die Währung, die in Spanien zirkulierte. Das Finanzamt hatte die Konten des Klubs blockiert. Monchi selbst verdiente nur noch die Hälfte seines Betreuergehalts - und "hatte keine Ahnung von dem Job", wie er in einem Interview erklärte. Dafür bewies Monchi etwas, was sich im Nachhinein nur als dies lesen kann: Geschick. Er stellte für den spanischen Meister von 1946 eine Truppe zusammen, die als Tabellenerster in die erste Liga aufstieg und diese seither nie wieder verließ.

Am Mittwoch (20.45 Uhr, live in Sport1) tritt sie im Europa-League-Finale in Basel gegen den FC Liverpool an, der die Trophäe, um die es geht, bislang drei Mal gewonnen hat. Sollte der FC Sevilla siegen, wäre es die erste Mannschaft seit dem FC Bayern der Siebzigerjahre, die drei europäische Titel in Serie holt - zuvor hatten das lediglich Real Madrid und Ajax Amsterdam vollbracht.

Viermal stand Sevilla seit 2006 im Finale

"Wir haben ein Monster erschaffen", sagt Monchi. Und dieses Monster ist so gefräßig, dass die Finalteilnahmen allmählich mit der gleichen Regelmäßigkeit daherkommen wie die Osterprozessionen der andalusischen Hauptstadt. Während andere spanische Klubs wie der FC Valencia dem Größenwahn erliegen und nichts unterhalb der Champions League akzeptieren, hat der FC Sevilla Europa League und Pokal als Nische entdeckt, um zu wachsen - erst recht, seit der Europa-League-Titel zur Teilnahme an der Champions League berechtigt, die man im vergangenen Jahr (Tabellen-5.) und in dieser Saison (7.) verpasste.

In den vergangenen zehn Jahren hat Sevilla vier Europa-League-Titel geholt und vier europäische Supercup-Finals (ein Sieg) gespielt. So viele letztinstanzliche Saisonauftritte können in der gleichen Zeit nur Real Madrid, der FC Barcelona, AC Mailand, Ajax Amsterdam und der FC Bayern nachweisen.

Ein mittelschweres Wunder ist das deshalb, weil der FC Sevilla mit großer Regelmäßigkeit die besten Spieler ziehen lässt - die Monchi dank eines international dicht gespannten, streng nach Liga-Stärke hierarchisierten Spähsystems ausfindig macht. "Zu meiner aktiven Zeit habe ich darunter gelitten, dass ich meistens Ersatztorwart war. Nun kommt mir die Zeit auf der Reservebank zupass", sagte Monchi der Zeitschrift JotDown.

Dort studierte er das Spiel und saugte Trainerweisheiten auf. "Auch wenn ich seinen (destruktiven) Fußball nicht mochte, keiner hat mich so geprägt wie Carlos Salvador Bilardo", der argentinische Weltmeistertrainer von 1986. Zu den Spielern, mit denen Monchi die Kabine teilte, zählten Diego Maradona, Davor Šuker und Toni Polster.

Beim FC Sevilla wissen sie, wie Europa League geht. (Foto: dpa)

Der Trainer studiert von Gegnern zwölf Stunden Videomaterial

Unter Monchi hat sich der FC Sevilla darauf spezialisiert, die Spieler zu entdecken, die die Welt noch nicht kennt. Namen wie die brasilianischen Nationalspieler Dani Alves oder Julio Baptista finden sich darunter, Juan Arango, Frédéric Kanouté, Jesús Navas oder Ivan Rakitic, der vom FC Schalke 04 kam und nun beim FC Barcelona spielt. Nicht so überragend schlugen andere Spieler mit Bundesliga-Hintergrund ein: Andreas Hinkel, Marko Marin, Piotr Trochowski und zuletzt Ciro Immobile.

Zu den Leistungsträgern der vergangenen Saison, die gewinnbringend verkauft wurden, zählen Carlos Bacca (AC Mailand), Aleix Vidal (FC Barcelona) und Denis Suárez (Villarreal). Dazu kommt eine gute Jugendarbeit, die ebenfalls von einer wenig spanisch wirkenden Kontinuität geprägt ist, dort wirkt Pablo Blanco nun schon seit Jahrzehnten. Trainer Unai Emery, ein 44 Jahre alter Baske, der aus einer Fußballerfamilie stammt, aber selbst nie hochrangig spielte, ist nun auch schon im vierten Amtsjahr dabei - und hat wie Monchi einer Reihe von gut dotierten Abwerbeversuchen widerstanden.

Emery kommandiert nun eine intensive, kraftvolle Mannschaft, in der Spaniens Torwart Nummer drei, Sergio Rico, der argentinische Stratege Éver Banega, der polnische Abräumer Grzegorz Krychowiak, der torgefährliche spanische Mittelfeldspieler Vicente Iborra und der französische Stürmer Kevin Gameiro herausragen. Sie alle werden vom obsessiven Emery mit genauesten Matchplänen versorgt. Coach Emery selbst sagt, er studiere von jedem Gegner zwölf Stunden Videomaterial. Mindestens.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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