Fifa:Zwei Flugaffären wie Tretminen

Lesezeit: 3 min

Sepp Blatter im Dezember 2019. (Foto: Walter Bieri/dpa)

Die Schweizer Bundesanwaltschaft lädt Ex-Fifa-Chef Blatter wegen eines Privatjetflugs vor. Eine ähnliche Reise auf Fifa-Kosten müsste dann aber auch Präsident Infantino in die Bredouille bringen.

Von Thomas Kistner, München

Chaos regiert seit einem Jahr die Schweizer Strafjustiz. Chefankläger Michael Lauber wurde wegen seiner mysteriösen Geheimtreffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino von Fußballverfahren der eigenen Behörde suspendiert, dann platzte im März der global beachtete Sommermärchen-Prozess, und seit Juni läuft ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Bundesanwalt. Parallel prüft ein Sonderermittler, Stefan Keller, ob ein Strafverfahren gegen Lauber und Infantino zu eröffnen ist: Wegen Verletzung von Amtsgeheimnissen und der Anstiftung dazu.

Jetzt, ganz plötzlich, entwickelt Laubers Bundesanwaltschaft (BA) eine hohe Aktivität: Es geht gegen Infantinos Amtsvorgänger Sepp Blatter, den sie im September 2015 vom Thron gestürzt hatte. Damals eröffnete die BA, dank diskret zugelieferter Hinweise, ein Strafverfahren gegen Blatter. Es geht um eine Zahlung von zwei Millionen Franken an den damaligen Fifa-Vize und Uefa-Präsidenten Michel Platini. Beide erklären, das Geld sei für frühere Beraterdienste des Franzosen gegenüber der Fifa geflossen, die BA wittert hingegen Geschäftsuntreue. Seit kurzem wird auch Platini wegen "Gehilfenschaft" als Beschuldigter geführt.

ExklusivFifa-Boss
:Infantinos Lüge

2017 gönnt sich Gianni Infantino für einen Rückflug aus Surinam einen Privatjet - und rechtfertigt die sechsstelligen Kosten mit einem Treffen, das nie stattfand. Über einen Fifa-Präsidenten, der sich für unangreifbar hält.

Von Thomas Kistner

Seit 2015 wurde nicht nur das Sommermärchen (und mutmaßlich weitere Fifa-Verfahren) verbummelt, auch in Sachen Blatter herrschte Ruhe. Jetzt lud die BA den 84-Jährigen gleich dreimal zu diversen Beschuldigungen vor, binnen 32 Tagen - wobei erst die letzte, am 1. September, den Deal mit Platini behandelt. Am 6. August wird Blatter zu einem 2010 ausgereichten Fifa-Kredit über eine Million Dollar an den Fußballverband von Trinidad/Tobago befragt, und schon am 30. Juli muss er sich in Bern zu einem bisher unbekannten Sachverhalt erklären: Es geht um einen Privatjetflug des karibischen Skandalfunktionärs Jack Warner für 365000 Dollar, den die Fifa bezahlt hatte.

Dieses Verfahren ist höchst brisant. Ein Privatjet-Flug auf Fifa-Kosten im Jahr 2017 bringt seit kurzem ja auch Infantino in die Bredouille - zumal er zwecks Rechtfertigung seiner Reise nach bisheriger Aktenlage sogar das Aufsichtsgremium belügen ließ. Es ist eine Flug-Affäre, die Sonderermittler Keller bereits vorliegt. Wenn nun die BA mit ihrem neuen Blatter-Verfahren zeigt, dass sie nicht regelkonforme Charterflüge auf Fifa-Kosten für strafrelevant hält: Was heißt das für so einen Charterflug, der gar mit falschen Angaben gerechtfertigt wurde?

Die Causa Blatter sieht so aus: 2007 war der damalige Fifa-Vize Warner zu Nelson Mandela ans Kap gedüst; Südafrika warb um die WM 2010. Zurück in Trinidad, ließ Warner die Rechnung liegen. Als ihn 2011 die Fifa lebenslang wegen Korruption sperrte, so heißt es bei Blatter, habe sie Warners darbendem Verband in Trinidad geholfen und die Schuld beglichen.

Die Causa Infantino sieht so aus: Der Fifa-Boss flog im April 2017, als ein gebuchter Linienflug Verspätung hatte, aus Surinam mit einem kürzestfristig gebuchten und angelieferten Jet heim. Dieser angeblich ca. 200 000 Franken teure Trip wurde bei Governance-Chef Tomas Vesel mit einem dringenden Geschäftstermin gerechtfertigt, den es niemals gab: Ein Treffen mit dem Uefa-Präsidenten. Just an diesem Tag weilte Aleksander Ceferin im fernen Armenien und übernachtete dort. Infantino und Stab wussten beim Abflug in Surinam genau, dass es anderntags kein Date mit Ceferin gab.

Kostenübernahmen wie für Warners Luxustrip ans Kap sieht das Fifa-Regelwerk, das das Geld der globalen Fußballgemeinde schützen muss, so wenig vor wie den Wunsch Infantinos nach sechsstelligen Sonderausgaben, um Stunden früher zuhause zu sein. Jedoch kommt in seinem Fall hinzu, dass die Fifa ihre Ethikregeln verschärft und sich für Governance-Delikte teuer bezahlte "unabhängige" Aufseher verordnet hat. Governance-Chef Vesel (Slowenien) kassiert in seinem Nebenjob gut eine Viertelmillion Euro jährlich, ein Mehrfaches seiner Berufseinkünfte in Ljubljana: Er schweigt bis heute zum erfundenen Treffen. Und die Fifa erklärt auf die Frage, ob sie Vesel mit dieser Angabe belogen habe, nur ausweichend, der Flug sei regelkonform gewesen. Womit sie zugleich selber einräumt: Dieser Flug war ein Fall für die Aufsicht.

Die beiden Flug-Affären liegen nun wie Tretminen in der Fifa. Die BA, die deshalb gegen Blatter vorgeht, hätte im Falle Infantino ohnehin Befangenheitsprobleme - aber dafür ist ja nun der Sonderermittler da. Stefan Keller sollte bei der Gesamtbeschau der Verfilzungen zwischen BA und Fifa nicht hinter Laubers Behörde zurückfallen.

© SZ vom 18.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungAnti-Rassismus-Proteste
:Der wohlfeile Fifa-Chef

Infantino findet, dass Anti-Rassismus-Proteste von Fußballern Applaus verdienen. Doch wie würde er mit ähnlichen Aktionen bei der WM in Katar umgehen?

Kommentar von Johannes Aumüller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: