Freistoßspray-Urteil gegen die Fifa:Teurer Schaum

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Das Freistoßspray - eine verzwickte Sache für die Fifa, wie sich jetzt herausstellt. (Foto: Ivan Franco/picture alliance)

Der Oberste Gerichtshof des Bundesstaates Rio de Janeiro verurteilt den Fußball-Weltverband zu einer möglicherweise millionenschweren Entschädigungszahlung - wegen der Verletzung des Freistoßspray-Patents.

Von Javier Cáceres

Der 30. Oktober ist ein Feiertag für Pablo Silva, er ist Fan der Mannschaft Argentinos Juniors und Maradonianer durch und durch. Am Samstag wird es in La Paternal, der Heimstatt von Maradonas erstem Profiklub, eine Feier zu Ehren der Niederkunft von Doña Tota geben: Dann wird es 61 Jahre her sein, dass der 2020 verstorbene Diego Maradona das Licht der Welt erblickte. Es werde emotional werden, sagt Silva am Freitag am Telefon, mindestens so emotional wie am Donnerstag, als er via Zoom einen langjährigen Rechtsstreit gegen einen übermächtigen Gegner gewann: gegen den Fußballweltverband Fifa.

Die Idee zum Spray hatten Silva und Allemagne zur Jahrtausendwende

Das Oberste Gericht des Bundesstaates Rio de Janeiro sprach Silva und seinem brasilianischen Partner Heine Allemagne eine Entschädigung zu, deren genaue Höhe noch von einem anderen Gericht festgelegt werden muss. Im Raum stehen Millionen; in manchen brasilianischen Medien war sogar von einem niedrigen, dreistelligen Millionen-Dollar-Betrag die Rede.

Der Grund: Die Fifa habe das Patent einer Erfindung von Silva und Allemagne nachhaltig verletzt, die seit einigen Jahren zur Ausstattung von Elite-Schiedsrichtern gehört: das Freistoßspray, das verwendet wird, um den Abstand der Mauer bei Freistößen zu markieren, und sich dann auf wundersame Weise auf dem Rasen verflüchtigt.

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Die Idee zum Spray hatten Silva und Allemagne zur Jahrtausendwende, sie offerierten es den Verbänden, überstanden Probeläufe in Südamerika und schließlich auch bei Fifa-Wettbewerben. Die Fifa kam mit dem Vorschlag um die Ecke, den Erfindern das Patent abzukaufen - für 500 000 Dollar.

Die Erfinder gingen darauf nicht ein, weil der Betrag nicht einmal die Kosten für die Lobbyarbeit gedeckt hätte - und sie den begründeten Verdacht hatten, dass die Fifa das Patent an "befreundete" Unternehmen weiterverkaufen wollte: an die US-Firma Johnson & Johnson sowie die mexikanische COMEX.

Später folgte angeblich eine Offerte durch den früheren Fifa-Präsidenten Joseph Blatter und seinen argentinischen Vize Julio Grondona, der mittlerweile verstorben ist. Sie sollen 40 Millionen Dollar angeboten haben (von denen später, nach dem Fifagate-Skandal, der Blatter und Grondona wegspülte, nicht mehr die Rede war). Und dennoch: Silva und Allemagne zeigten guten Willen: Sie stellten der Fifa für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien gratis Dosen zur Verfügung, das Spray wurde zu einem Erfolg. Aber sie wunderten sich: Das Firmenlogo war getilgt worden. Und das wiederum war das Zeichen dafür, dass da gerade etwas gehörig schief lief.

Was folgte, war der nun beendete Rechtsstreit. Brasiliens Justiz sieht es als erwiesen an, dass die Fifa den Patentschutzes verletzt habe. Die Fifa habe sich in den Verhandlungen mit den Spray-Erfindern "unredlich" gezeigt, den guten Willen von Allemagne und Silva sowie deren Expertise ausgenutzt, heißt es im Urteil, gegen das nur eine Revision, nicht mehr eine Berufung mit neuer Beweisaufnahme möglich sei.

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Es gab schon ein kleineres Schmerzensgeld, 50 000 Reales, rund 9 000 Euro - plus Zinsen seit dem erstinstanzlichen Erfolg der Erfinder, die nun auf einen Millionensegen hoffen dürfen. Immerhin wollen sie alle Spiele in Rechnung stellen, bei denen ihr Patent verletzt wurde. Und selbst wenn die Entschädigung niedriger ausfallen sollte als erhofft, es gibt ja noch andere Nationen.

Silva und Allemagne haben ihr Produkt in fast 50 Ländern patentrechtlich schützen lassen, nach Abschluss des Prozesses in Brasilien wollen sie auch in anderen Ländern klagen. Auch in Deutschland, sagt Silva, man könne sich nun absehbar schwere Geschütze leisten, sprich: gute Anwälte. "Bislang haben wir nur mit Zahnstochern kämpfen können" - und gewonnen.

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