Ferrari-Jubiläum in der Formel 1:Party zur Unzeit

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Sebastian Vettel fährt - umlackiert - im Training über die Strecke. (Foto: REUTERS)

Explodierende Bremsleitungen, chancenlose Autos, schlechte Laune: In Mugello begeht Ferrari an diesem Wochenende seinen 1000. Grand Prix - der Rennzirkus reist mit Bauchgrimmen an.

Kommentar von Philipp Schneider

Es ist schon eine merkwürdige Festgemeinschaft, die sich an diesem Wochenende eingefunden hat rund um die Gemeinde Scarperia e San Piero, nördlich von Florenz, die sich selbst zu den schönsten Italiens zählt.

Der Gastgeber? Eigentlich viel zu schlecht gelaunt, um eine süffige Party zu schmeißen. Zu viel Ärger im Job. Bremsleitungen explodieren. Autos fliegen aus schnellen Kurven. Brechen durch Streckensperrungen in Monza, als wären sie das Batmobil in Gotham City. Und falls sie doch mal die Ziellinie überqueren, dann ist man im Hause Ferrari schon froh, wenn sie nicht überrundet wurden.

Dass sie einem der Mitgastgeber vor Monaten erzählt haben, er müsse Ende des Jahres ausziehen aus dem Herrenhaus in Maranello? Trübt nicht länger die Stimmung auf der Feier. Sorgt aber neuerdings für Tratsch und Kichern bei den Gästen. Manche flüstern sich am Cockpittischchen zu, Sebastian Vettel werde sich nach dem Rauswurf mit seinem Umzug nach Silverstone zu Aston Martin nicht nur wohnlich verbessern.

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Von Elmar Brümmer

Die Lästereien haben sie bei Ferrari natürlich antizipiert. Aber absagen kann man so eine Party selbstverständlich nicht mehr, wenn die Gäste schon in Abendgarderobe geschlüpft sind. Als vor Monaten, auf dem Höhepunkt der Pandemie, nach einem halbwegs virenfreien Ort gesucht wurde, wo sich das 1000. Rennen Ferraris feiern ließe, da haben sie es in Maranello für eine Spitzenidee gehalten, die Party gleich im eigenen Hinterhof in Mugello auszurichten. Gäbe es Corona nicht, das 1000. Rennen Ferraris hätte in Kanada stattgefunden. Was wäre das denn bitte für eine Fehlplanung gewesen! Und als die feierlichen Einladungen für Mugello verschickt wurden, da war noch nicht abzusehen, wie mies die Laune am Frühstückstisch Ferraris im September sein würde.

Klagen gibt es nur von einem Mann mit mexikanischem Akzent

Die Gäste? Freuen sich auf die Weltmeisterpunkte, die in Mugello selbstverständlich genauso vorzüglich schmecken wie sonstwo. Klagen gibt es nur von einem Mann mit mexikanischem Akzent. Ein gewisser Sergio Perez ereifert sich mit guten Argumenten, es sei nicht fair, dass er seine Wohnung in Silverstone räumen muss, nur weil Ferrari einen gewissen Vettel vor die Tür setzt. Alle anderen reisen mit leichtem Bauchgrimmen zum Fest. Sie haben dort noch nie gefeiert: Auf der Privatstrecke von Ferrari, wo früher Michael Schumacher übte und probierte, toben sich sonst nur die Motorradfahrer aus. Formel-1-Fahrer haben dort bislang nur getestet. Aber diejenigen, die schon mal eine zünftige Rundensause in Mugello miterlebt haben, berichten von schlimmen Kopfschmerzen am nächsten Morgen. In Fach- und Petrolheadkreisen trägt der Ort den Namen: "Nackenkiller".

Der durchaus zähe Australier Mark Webber war vor Jahren schon mal da. Webber prophezeit, die Strecke werde den Nacken aller Teilnehmer "in zwei Teile spalten". Das mag etwas übertrieben sein. Gleichwohl sorgen die Gesetze der Physik und eine teuflische Kombination aus ultraschnellen Kurven und knackigen Anstiegen dafür, dass die Nacken der Gäste teils in Schräglagen von bis zu 40 Grad verformt werden. Die zwei berühmtesten Rechtskurven tragen eine Warnung als Namen: Arrabiata. An die scharfe Jubiläumssause Ferraris sollen sich alle Teilnehmer eine Weile erinnern!

Und wenn man nun schon mal da ist, dann bringt man Geschenke mit. Ferrari selbst hat sich zur Feier des Tages umlackiert. In Anlehnung an den Ur-Ferrari, der 1950 in Monte Carlo auf die Bühne der Formel 1 rollte: in Burgunderrot. So ein Kleidchen wollten sich die Silberpfeile zwar nicht überziehen. Aber Mercedes steckt zumindest das Safety Car in ein neues Gewand: Es ist tatsächlich rot.

3000 zahlende Zuschauer haben sich trotz Corona angemeldet, um die irrste Formel-1-Party aus der Nähe zu erleben.

© SZ vom 12.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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