FC Schweinfurt:Mit Haut und Haar

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Der Drittliga-Aufstieg wäre auch mal ganz nett gewesen: Schweinfurts Präsident und Geldgeber Markus Wolf schaut sich im vergangenen Sommer die Meistermedaillen der Regionalliga Bayern an. (Foto: Frank Scheuring/Imago)

Der FC Schweinfurt 05 ist ein Traditionsverein, doch wie viel ist das wert, wenn man wieder und wieder scheitert? Über einen Regionalligisten, der gegen das Vergessen kämpft.

Von Sebastian Leisgang, Schweinfurt

Das mit den Haaren sei so eine Sache, sagt Markus Wolf und grinst. Es habe fast zwei Jahre gedauert, bis sie lang genug gewesen seien, um einen Zopf zu binden - aber abgeschnitten, das seien sie schon in ein paar Sekunden.

Ein Freitagmorgen in der Würzburger Innenstadt, eine Bäckerei in der Nähe des Theaters, Wolf, hellblaues Polohemd, die Unterarme tätowiert, bestellt einen Cappuccino und setzt sich an einen Tisch in der Ecke. Wenn er nebenan einen Termin beim Physiotherapeuten hat, kommt er immer hierher, die Frau am Tresen kennt ihn mittlerweile. Die Idee, sich die Haare wachsen zu lassen, sagt Wolf, sei mit Beginn der Pandemie entstanden. Damals durften die Leute nicht mehr zum Friseur gehen, und Wolf, der gerne mal gegen die Strömung schwimmt, ging auch dann nicht mehr hin, als er längst wieder gedurft hätte.

Die Sache mit den Haaren ist schon deshalb ein guter Gesprächseinstieg, weil sie sich auf den FC Schweinfurt 05 übertragen lässt, den Klub, der irgendwie auch Wolfs Klub ist. Er ist derjenige, der den Verein nicht nur lenkt, sondern auch derjenige, der ihn am Leben hält. Wolf, 54, ist ja nicht nur Geschäftsführer und Präsident des Klubs, sondern auch sein größter Geldgeber. Ohne ihn, daran lässt sich nicht rütteln, würde in Schweinfurt niemand an professionellen Fußball denken.

Wolf ist ein beharrlicher Mann. Seit seinem Einstieg vor zwölf Jahren hat er den früheren Zweitligisten mit Geduld und Standhaftigkeit wieder an die Tür zur dritten Liga geführt. Dass es da dann aber auch, wie bei den Haaren, schnell gehen kann, das haben sie in Schweinfurt auch schon erlebt. Wolf spricht jetzt über die Aufstiegsspiele gegen den TSV Havelse, mittlerweile ein Jahr her, aber eine Erfahrung, die immer noch tief sitzt. "Wir hätten uns durchsetzen können", sagt Wolf. Das verlorene Duell mit Havelse war der dritte vergebliche Anlauf Richtung dritte Liga, in der vergangenen Saison, als die SpVgg Bayreuth enteilte, kam noch ein vierter hinzu.

Vier Mal wollte Schweinfurt aus der Regionalliga aufsteigen, vier Mal ist Schweinfurt gescheitert. Wie viel ist es da schon wert, ein Traditionsverein zu sein? Was hat man von der leuchtenden Vergangenheit, wenn die Gegenwart dann doch eher düster ist?

Die Historie, Wolf weiß das, bringt der Mannschaft keine Punkte ein, im Gegenteil. Die Geschichte kann auch eine Last sein, und irgendwann, die Zeit rennt ja, gerät ein Traditionsverein wie Schweinfurt in Vergessenheit. Ist mittlerweile ja schon zwanzig Jahre her, dass der FC 05 in der zweiten Liga gegen Mannschaften wie Bochum, Eintracht Frankfurt und Union Berlin gespielt hat.

In Schweinfurt, auch das weiß Wolf, geht es also um etwas Größeres als nur um ein weiteres Jahr in der Regionalliga, wenn die neue Saison am Freitagabend mit einem Auswärtsspiel beim TSV Rain/Lech beginnt. Schweinfurt kämpft in den nächsten Monaten auch darum, in der breiten Öffentlichkeit beachtet zu werden. Und Wolf ist derjenige, der diesen Kampf mit Haut und Haar austrägt.

Noch so ein Jahr - und er tue sich das nicht mehr an, sagt Markus Wolf, der Geschäftsführer, Präsident und Geldgeber

"Wir müssen aufpassen, dass wir nicht vergessen werden", sagt Wolf in der Bäckerei, "aber Corona, der Krieg, es wird nicht leichter. Und wenn es nicht leichter wird, müssen wir auch in Schweinfurt kleinere Brötchen backen." Denkbar also, dass er es nicht mehr ewig mitmacht als Geldgeber. Die Sponsoreneinnahmen seien ja schon seit mehreren Jahren gleichbleibend, weil sich andere Unternehmen kaum einbrächten. In der vergangenen Saison habe sich auch die Stadt nicht für den Verein interessiert, und in der Fankurve sei die Stimmung ebenso schlecht gewesen wie in der Kabine. "Wir hatten zu viele Spieler, die gedacht haben, sie könnten machen, was sie wollen", sagt Wolf, "die Hierarchie hat gefehlt. Jeder wollte überall mitreden."

Noch so ein Jahr - und er tue sich das nicht mehr an, sagt Wolf und klingt ziemlich entschieden. Ohnehin sitzt da ein Mann, der äußerst klar daherkommt und die Dinge deutlich benennt. Markus Wolf kann ein Lautsprecher sein, einer, der gerne mal auf den Putz haut. Was also ist passiert, dass er jetzt in der Bäckerei sagt, Schweinfurt wolle in der kommenden Saison "eigentlich bloß attraktiven Fußball spielen" und dabei "erfolgsorientiert" sein?

Diesmal grinst Wolf nicht. Wenn nicht den Aufstieg, was hätte der Klub vor einem Jahr nach dem verlorenen Duell mit Havelse sonst als Ziel ausgeben sollen? "Alles andere wäre unglaubwürdig gewesen", sagt Wolf, "das heißt aber nicht, dass der Aufstieg jetzt wieder das Ziel sein muss. Wir haben ganz bewusst viele junge Spieler geholt, die sich noch entwickeln können und bei uns in Schweinfurt etwas erreichen wollen."

Das war in den vergangenen Jahren zwar nicht der Fall, es ist aber auch nicht so, dass Schweinfurt gar nichts erreicht hätte. Der Klub spielte zweimal im DFB-Pokal, traf auf Schalke, besiegte Sandhausen, hatte es wieder mal mit Eintracht Frankfurt zu tun. All das hat Schweinfurt eine Menge Aufmerksamkeit gebracht, Festtage wie diese sind jedoch selten geworden. Deshalb kämpft Wolf. Deshalb gibt er noch nicht auf - und deshalb hat er nicht nur dann Geduld, wenn es um seine Haare geht.

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