FC Liverpool in der Premier League:ManCity raubt Gerrard den Titeltraum

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Steven Gerrard (li.): Trost nach einem bitteren Abend (Foto: Getty Images)

Steven Gerrard hat beim FC Liverpool alles gewonnen bis auf die englische Meisterschaft. Dieses Jahr schien der Titel für die "Reds" und ihren Kapitän zum Greifen nah. Doch Manchester City und zwei Rückschläge binnen einer Woche haben die Chancen minimiert.

Von Martin Anetzberger

Wohl jeder in Liverpool, der es mit den "Reds" hält, saß am Mittwochabend in einem Pub oder vor irgendeinem Fernseher. Aber nicht, weil der FC Liverpool spielte, sondern der größte Rivale um die diesjährige Meisterschaft in der Premier League, Manchester City.

Was die Fans auf den Bildschirmen sahen, dürfte ihnen jegliche Illusion geraubt haben. City gewann sein Heimspiel gegen Aston Villa mit 4:0 und setzte sich einen Spieltag vor Schluss an die Tabellenspitze. Die Meisterschaft ist für den FC Liverpool damit in weite Ferne gerückt. Zwei Punkte Rückstand und das deutlich schlechtere Torverhältnis sind für den einstigen Rekordchampion mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr aufzuholen - schon am Sonntag steht der letzte Spieltag an.

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Verloren und trotzdem gewonnen. Paris Saint-Germain unterliegt Rennes, profitiert aber von einem Patzer des Verfolgers AS Monaco und wird vorzeitig Meister. Auch Manchester City ist auf dem besten Weg zum Titel. Allerdings droht beiden Klubs eine hohe Strafe.

Dabei hatte es vor wenigen Wochen noch so gut ausgesehen. Elf Spiele gewann die Mannschaft von Trainer Brendan Rodgers in Serie. Kapitän Steven Gerrard erlebte in dieser Zeit wohl zwei der emotionalsten Momente seiner Karriere. Zunächst gedachte ein zu historischer Stille verstummtes Publikum im Stadion an der Anfield Road der 96 Liverpool-Fans, die 25 Jahre zuvor bei der Hillsborough-Katastrophe ums Leben gekommen waren - Gerrard verlor bei der Massenpanik seinen Cousin. Auf die Schweigeminute folgten 90 Minuten, in denen sein Team Manchester City besiegte, durch einen Treffer wenige Minuten vor dem Ende.

Liverpool hatte den großen Rivalen im direkten Duell geschlagen, stand vier Spieltage vor Saisonende auf Platz eins der Tabelle. Für den schlanken Mittelfeldspieler mit den eckigen Schultern und dem stets leicht verkniffenen Gesichtsausdruck war das Ziel nun greifbar, den ersten Meistertitel seit 1990 an die Anfield Road zu holen.

Gerrard ist in doppelter Hinsicht eine Ausnahme im europäischen Spitzenfußball. Er spielt schon seit seiner Kindheit beim FC Liverpool und ist im Profibereich nie für einen anderen Verein aufgelaufen. Seine Treuezeit von 25 Jahren übersteigt die der lebenden Manchester-United-Legende Paul Scholes. In Liverpool lieben sie ihn. Ihm zu Ehren singen sie zur Melodie von "Que Sera, Sera", welch gute Pässe Gerrard schlägt, wie schussstark er ist, sogar besser als Frank Lampard vom FC Chelsea. Gerrard tritt außerhalb des Platzes sehr ruhig auf, wirkt fast schüchtern. Negative Schlagzeilen produzierte er nur einmal wegen einer Prügelei in einer Kneipe 2008, ein Gericht sprach ihn später frei.

Doch im Gegensatz zu Lampard oder Scholes hat Gerrard bisher keinen nationalen Meistertitel gewinnen können. Er wäre somit einer der wenigen, der seine Laufbahn im Klubfußball nicht mit der Champions League, sondern mit der nationalen Meisterschaft krönt.

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Seine Trophäensammlung ist schon jetzt beeindruckend. Er gewann den Uefa-Cup, die Champions League, zwei Mal den FA-Cup und drei Mal den League Cup. Doch seine Reaktion nach dem Spiel am vergangenen Montag zeigte, wie sehr sich Gerrard diesen einen Titel noch wünscht. Im Auswärtsspiel bei Crystal Palace hatten die Reds innerhalb von zehn Minuten eine 3:0-Führung verspielt. Aus den erhofften drei Punkten wurde nur einer, von da an war Liverpool auf einen Sieg Aston Villas gegen Manchester City angewiesen, um noch eine realistische Chance zu haben.

Um doch noch Meister werden zu können, muss Liverpool sein letztes Spiel gegen Newcastle United gewinnen, und Man City zu Hause gegen West Ham United verlieren. Ein sehr unwahrscheinliches Szenario, hat City doch im eigenen Stadion diese Saison erst ein einziges Mal verloren.

Das wusste auch Gerrard, der nach dem Abpfiff bei Palace entsetzt von der eigenen Nachlässigkeit in die Hocke ging. Später geleitete er den unter seinem hochgezogenen Trikot weinenden Mannschaftskollegen Luis Suárez vom Feld und verscheuchte dabei sogar die Kameraleute. Das Spiel war die bittere Umkehrung seines größten Triumphs im Jahr 2005. 0:3 hatte er im Finale der Champions League in Istanbul gegen den AC Mailand bereits zurückgelegen, Liverpool gewann schließlich im Elfmeterschießen.

Diesmal gab es jedoch keine Verlängerung und auch kein Elfmeterschießen. Das 3:3 hat Bestand. "Crystanbul" nannte die britische Zeitung Daily Mail das überflüssige Unentschieden. Schon eine Woche zuvor hatte Liverpool das drittletzte Saisonspiel zu Hause gegen den FC Chelsea 0:2 verloren und musste die Tabellenführung wegen des deutlich schlechteren Torverhältnisses an City abgeben. Ausgerechnet Gerrard war unmittelbar vor dem 0:1 unglücklich weggerutscht. Die beiden Spiele könnten nun als diejenigen in die Geschichte eingehen, mit denen sich der FC Liverpool die erste Meisterschaft seit 24 Jahren selbst vermasselte.

Gerrard wird bis zum Schluss versuchen, sich diesen wichtigen Titel zu holen. Zunächst hat er wohl bis 2016 damit Zeit. Vor wenigen Tagen bot der Verein dem bald 34-Jährigen eine Vertragsverlängerung an. Paul Scholes war bei seinem letzten Meistertitel 2013 bereits 38 Jahre alt.

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