Die Suche nach den Gründen, warum der FC Liverpool die Krone des europäischen Vereinsfußballs erobert hat, führt zum Buchstaben "K". Dieser Triumph in Rot, er erscheint wie eine perfekte Symbiose aus den Kernfaktoren Kohle und Know-how, aus der Kraft von Klopp und The Kop, wie sie an der Anfield Road ihre Fantribüne nennen; sowie aus Kontinuität - und einer klugen Kaderpolitik bis ins kleinste Detail.
In Liverpool haben sich nun vier Jahre lang finanzielle, emotionale und fußballfachliche Antriebskräfte auf höchstem Niveau vermischt. Auch dieser Traditionsverein und sein deutscher Vollgastrainer Jürgen Klopp profitierten seit dessen Ankunft 2015 vom neuen Reichtum des Fußballs auf der Insel. Von explodierten Einnahmen aus englischen Fernsehverträgen und von schwerreichen Investoren aus fernen Ländern. Dennoch ist der LFC, dessen Besitzer aus den USA kommen, in der Wahrnehmung kein Verein von Geldsäcken oder Scheichs, sondern ein von Geschichte und Gefühl getragenes Kulturgut. Die emotionale Power der Fans, ihre Sehnsucht nach lange vermissten Titeln, dazu der Guru Klopp, der die Menschen in der Stadt und die Spieler wie ein Erwecker motivierte - all das half, um auch betrübliche Momente zu überstehen.
Ein Europa-League- und ein Champions-League-Endspiel gingen gemeinsam verloren (2016, 2018). Auch diesmal, nach dem 0:3 beim Halbfinal-Hinspiel in Barcelona, schien alles vorbei zu sein. Und die erste englische Meisterschaft seit 29 Jahren wurde im Mai trotz furioser Bilanz (97 Punkte) verpasst. Doch der Wunsch, endlich etwas Großes zu gewinnen, war stärker als jede Depression.
Die spannendste Pointe bei Liverpools Kaderbau
Der Henkelpottgewinn ist aber vor allem das Ergebnis eines sinnvoll eingesetzten Wohlstands. Für die Pflege ihrer Luxuskader haben alle englischen Spitzenklubs internationalen Sachverstand verpflichtet: die besten Trainer der Welt, von Guardiola bis Klopp. Letzterer konnte in Liverpool ein Team ganz nach seinem Gusto komponieren, streng abgestimmt auf seinen "Gegen-den-Ball"-Trainerfußball mit Pressing und Geschwindigkeit als Basis. Schritt für Schritt wurde die Mannschaft verfeinert, mit jener Ausdauer über Jahre hinweg, die Klopp bereits in Mainz und Dortmund auszeichnete.
Die spannendste Pointe bei Liverpools Kaderbau war, dass die letzten fehlenden Puzzleteile sündteure Zugänge für Positionen waren, für die früher niemand verrückte Summen bezahlt hätte. Doch auch Klopp erkannte, dass es für große Trophäen nicht mehr genügt, galaktische Offensivhelden zu kaufen. Messi, Ronaldo, Salah, Mané & Co. sind zwar ebenfalls unerlässliche Garanten für Weltklasse, aber sie brauchen auch defensive Weltklasse, die sie beschützt. Auf jeder Position.
So holte Liverpool Anfang 2018 den Innenverteidiger Virgil van Dijk, für 85 Millionen Euro, und nur ein halbes Jahr später den Torwart Alisson Becker aus Rom (65 Millionen) - unter dem Eindruck der Missgeschicke seines deutschen Vorgängers Loris Karius im 2018er-Finale. Ohne Monsterparaden von Alisson gegen Neapel (1:0) und Barcelona (4:0) hätte Liverpool dieses Jahr nicht mal die K.o.-Phase erreicht, geschweige denn das Finale. Und auch gegen Tottenham waren es nun der Torwart und die vom Niederländer van Dijk dirigierte Defensive, die an einem fußballerisch eher sparsam gestalteten Abend das goldene 2:0 sicherten.
So betrachtet, könnte es auch für den hinter Europas Spitze zurückgefallenen FC Bayern lohnend sein, dass er auf dem überhitzten Markt nun alleine 115 Millionen Euro in die Hand nimmt, um zwei französische Abwehrspieler zu kaufen (Hernandez, Pavard). Man kann das ballaballa finden. Oder blitzgescheit.