FC Ingolstadt:In Pippi-Langstrumpf-Manier

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Oh, es kann ja doch funktionieren: Nico Antonitschs (schwarzes Trikot, Mitte) früher Treffer gab den Ingolstädtern wichtige Zuversicht. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Im zweiten Spiel unter Rüdiger Rehm zeigt Zweitliga-Schlusslicht FC Ingolstadt, dass die Moral noch intakt ist - und belohnt sich mit drei Punkten gegen Dresden.

Von Gerhard Fischer

In der 32. Minute sprangen die Ingolstädter Ersatzspieler auf, als hätten sie ihre erste deutsche Meisterschaft errungen. Sie lachten, sie jubelten, einige ballten die Fäuste, und sie hätten wohl auch Böller in den trüben Dezemberhimmel gejagt, wenn sie welche zur Hand gehabt hätten. Tatsächlich feierten sie nur den gewonnenen Zweikampf eines Mitspielers, der einen Ingolstädter Einwurf vor der Ersatzbank zur Folge hatte.

Oder diese Szene in der 39. Minute: Ein langer Flankenwechsel sollte Marcel Gaus auf der linken Seite erreichen. Der Ball war etwas zu hoch geraten, Gaus lief rückwärts, strauchelte, fiel auf den Hintern, machte fast einen Purzelbaum - es sah drollig aus, und wäre Gaus Robert Lewandowski oder Cristiano Ronaldo gewesen, also etwas berühmter, würde man die peinliche Szene sicher in einem Jahresrückblick finden. Aber Gaus haderte nicht mit dem Missgeschick, er sprang sofort wieder auf, erkämpfte sich den Ball, spielte ihn auf Maxi Beister, der eine Ecke herausholte.

Das 3:0 war der erste Sieg seit August - und der erste für den neuen Trainer

Die beiden Szenen zeigten, dass beim FC Ingolstadt, wie man so schön sagt, die Moral intakt ist; das sich keiner aufgegeben hat; dass die Mannschaft lebt und zusammenhält. Und dass sie deshalb noch gewinnen kann: Das 3:0 (2:0) gegen Dynamo Dresden war der erste Sieg seit August.

Es war auch der erste Sieg (im zweiten Spiel) für den neuen Trainer Rüdiger Rehm, der vor der Partie gesagt hatte, für ihn zähle die Vorrunde nicht mehr; mit dem Spiel gegen Dresden beginne die Rückrunde, und ihn interessiere nur die Rückrundentabelle. Das war sicher schlau, es erinnerte aber auch an Pippi Langstrumpf, die einmal sagte, sie mache sich die Welt, wie sie ihr gefällt. In der harten Realität hatte Ingolstadt vor dem Dresden-Spiel bloß sieben Punkte auf dem Konto, also zehn weniger als der SV Sandhausen auf dem vielleicht rettenden Relegationsplatz.

Ingolstadt spielte erstaunlich souverän für ein Team, das abgeschlagen Letzter ist

Es kam Rehm zupass, dass sein Team schon mal das schnellste Rückrundentor erzielte. Nico Antonitsch, 30, stand nach einem abgefälschten Freistoß am rechten Fleck und bugsierte den Ball über die Linie. "Das Tor in der ersten Minute hat uns gekillt", sagte Dresdens Trainer Alexander Schmidt nach dem Spiel. "Und dass kurz danach gleich das zweite fiel - das muss eine Mannschaft erst mal wegstecken." Das "Kurz-danach" hieß in diesem Fall: 16 Minuten später. Gaus wurde von Dominik Franke auf links freigespielt, er hatte keinen Gegenspieler und so viel Zeit, dass er, wäre er Ronaldo gewesen, vor dem finalen Pass noch die Frisur hätte richten können. Gaus verzichtete darauf, er flankte sogleich auf den langen Pfosten, wo der lange Stefan Kutschke lauerte. Kutschke köpfelte Ehlers an, und von Ehlers prallte der Ball ins Netz (17.). Die Zwei-Tore-Führung war verdient, denn Ingolstadt spielte erstaunlich souverän für ein Team, das abgeschlagen Letzter ist. "Ich glaube, die Mannschaft hat nach dem frühen Tor gemerkt: Oh, es kann ja doch funktionieren", sagte Trainer Rehm, der diesmal Antonitsch, Franke und Michael Heinloth anstelle von Rico Preißinger, Jan Hendrik Marx und Jonatan Kotzke verteidigen ließ. Kollege Schmidt meinte, die Ingolstädter seien "sehr hungrig, sehr griffig" gewesen. "Sie haben sich in jeden Zweikampf reingeworfen und mit Herz verteidigt." Seine Mannschaft war dagegen: herzlich harmlos.

Die zweite Halbzeit konnte man in drei fast gleich lange Drittel einteilen. Zwischen der 46. und der 60. Minute war es hektisch, nickelig, fußballerisch langweilig, Abwechslung brachten alleine ein paar Ingolstädter Aktivisten, die auf der Tribüne mit Kochlöffeln auf Mülltonnen trommelten, um Stimmung zu erzeugen. Im zweiten Drittel der zweiten Halbzeit hatte Dynamo Dresden leichte Vorteile und zwei kleine Chancen. Einmal köpfelte Heinz Mörschel ziemlich weit vorbei (64.), und einmal traf Luca Herrmann mit einem unplatzierten Schuss die erhobenen Fäuste von Tormann Fabijan Buntic (73.).

In der Schlussphase, also im letzten Drittel der zweiten Hälfte, ließ Dresden einige Ingolstädter Konter zu. Zunächst scheiterte der frei stehende Dennis Eckert Ayensa mit einem Kullerball an Keeper Kevin Broll (82.); dann scheiterte der frei stehende Filip Bilbija mit einem wuchtigen Schuss an Keeper Kevin Broll (84.). Bilbija erzielte mit einem Abstauber - und aus abseitsverdächtiger Position - schließlich doch das 3:0 (86.), wenngleich die Ingolstädter, inklusive Ersatzspieler, diesmal erst mit Verzögerung jubeln durften. Sie mussten auf das Placet des Videoassistenten warten.

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