FC Bayern:Wie gut täte jetzt ein Pizarro!

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Den Ball liebkosen - und Feste feiern, wie sie fallen: Claudio Pizarro nach dem Champions-League-Sieg 2013 mit den Bayern. (Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • "Wir werden keine Notkäufe machen. Wir schauen uns um, aber wir sind ganz ruhig", sagt Hasan Salihamidzic, Sportdirektor des FC Bayern.
  • Mit nur einem Stürmer in die Saison zu gehen, erweist sich nun auch bei der Vorstandsetage als riskante Strategie.
  • In München waren sie jahrelang ein bisschen von Claudio Pizarro verwöhnt, der sich lebensfroh auf die Bank setzte, bis er gebraucht wurde. Doch solche Notfallstürmer gibt es nicht serienmäßig am Markt.

Von Martin Schneider, Glasgow

Dass diese Diskussion den FC Bayern irgendwann einholen würde, das war eigentlich so vorhersehbar wie nasses Wetter in Schottland. Und als der Nieselregen in feinen Fäden auf den Rasen des Celtic-Parks niederging, stand Hasan Salihamidzic, Sportdirektor des FC Bayern, vor den Mikrofonen und meinte: "Wir werden keine Notkäufe machen. Wir schauen uns um, aber wir sind ganz ruhig."

Der entscheidende Teilsatz ("Wir schauen uns um") zeigt: Die Vorstandsetage der Münchner scheint erkannt zu haben, dass es vielleicht doch zu riskant war, mit genau einem einzigen Stürmer in die Saison zu gehen. Robert Lewandowski ist nun nicht schwer verletzt, gegen Leipzig in der Bundesliga meldete sich sein Oberschenkel und gegen Dortmund am Samstag soll er wieder spielen - aber der zwickende Muskel war offenbar ein Warnschuss, den Salihamidzic und Karl-Heinz Rummenigge gehört haben. Rummenigge meinte: "Wenn die sportiche Leitung irgendeinen Namen sinnvoll vorträgt, werden wir uns damit befassen." Das bedeutete: Wäre schon gut, einen Ersatz-Stürmer zu haben, aber wer soll das sein? Wen bekommt man denn im Winter? Da müsste uns Herr Salihamidzic erstmal einen präsentieren.

Dass das Team einen solchen braucht, sah man in Glasgow. Die Taktik ohne Sturm, für die sich Jupp Heynckes schließlich entschied - mit James Rodriguez als hängende Spitze oder "falsche Neun" - führte dazu, dass der Raum, der normalerweise von einem Stürmer besetzt gewesen wäre, ständig frei blieb. Wenn Boateng lange Pässe schlug, musste er Arturo Vidal suchen, der aus dem Mittelfeld startete. James, der vorne die Pässe der Mitspieler annehmen sollte, holte sich die Bälle selbst, nur um dann festzustellen, dass es vorne keine Anspielstation gab - er sollte dort ja eigentlich sein.

Heynckes verweist auf Real Madrid

Thomas Müller, nominell zweiter Stürmer im Bayern-Kader, fällt mit einem Muskelbündelriss aus und auch bei ihm hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Position ganz vorne nicht seine absolute Stärke ist. Der 23-jährige Kwasi Wriedt, eine Entdeckung von Heynckes in der zweiten Mannschaft des FC Bayern, ist in der Champions League nicht spielberechtigt.

Ein zweiter Stürmer wäre gut, da sind sich alle einig. Aber so einfach ist es dann eben doch nicht. Jupp Heynckes, der nach eigenen Angaben in seiner Vor-Bayern-Trainer-Zeit den europäischen Fußball in seinem Ruhestand weiter genau beobachtet hat, bewies das, in dem er vor dem Spiel in Glasgow mal zur europäischen Konkurrenz blickte: "Alle großen Mannschaften haben eine Referenz im Sturm", sagte Heynckes und zählte auf: Real Madrid hat vorne Karim Benzema, der FC Barcelona Luis Suarez und Paris Saint Germain Edinson Cavani. Ersatzstürmer bei diesen Teams: Keine. Jedenfalls keine Lösung, die über die bayerische Improvisation mit Thomas Müller hinausgehen würde.

Beim FC Bayern waren sie jahrelang ein bisschen von Claudio Pizarro verwöhnt. Pizarro, ein fröhlicher Mensch, war der ideale Backup-Stürmer. Er zog lebenslustig durch München, setzte sich unkompliziert auf die Bank und wenn er eingewechselt wurde, dann schoss er vier Tore gegen den HSV. Eines der besonderen Merkmale von Claudio Pizarro ist aber auch, dass es nur einen Claudio Pizarro gibt.

In der Theorie klingt das nämlich gut. Im Notfall einfach Scheibe einschlagen und Ersatzstürmer aus der Vitrine holen - in der Praxis scheiterte aber auch Real Madrid zum Beispiel daran, einen vom Kaliber Alvaro Morata zu halten. Borussia Dortmunds Versuche, mit Adrian Ramos oder Julian Schieber einen Aubameyang-Backup im Kader zu haben, waren auch nicht wirklich erfolgreich. Während es beim Ersatz-Torwart klar definierte Regeln gibt, ist das Berufsbild des Ersatz-Stürmers nämlich noch relativ neu. Die Pizarro-Eigenschaften des Notfall-Stürmers - fröhlich auf der Ersatzbank und auch ohne große Spielpraxis torgefährlich - gibt es jedenfalls nicht serienmäßig.

In der Regel kaufen die Münchner auch im Winter nicht ein

Und nun kann man die Liste an Namen, die ohne größere Grundlage gerade kursieren (u.a. Anthony Modeste, Sandro Wagner, Stefan Kießling, Mark Uth, Mario Gomez und, und, und), hernehmen und sich selbst überlegen, welcher davon Bayern weiterhelfen würde, wer davon im Winter zu einem vernünftigen Preis zu haben sein könnte und wer im besten Fall auch noch für die Champions League spielberechtigt ist. Die gleichen Überlegungen werden sie gerade beim FC Bayern haben - es wird spannend sein, ob Salihamidzic und sein Team überhaupt zu einem Ergebnis kommen können.

Denn in der Regel kaufen die Münchner auch im Winter nicht ein. Der letzte Nottransfer, den sie zwischen den Jahren tätigten, war die Leihe von Serdar Tasci 2016 als Hilfe für die Innenverteidigung. Tasci blieb ein halbes Jahr und spielt mittlerweile wieder bei Spartak Moskau.

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