U19 des FC Bayern in der Youth League:Rangierbahnhof mit Endstation

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Sein Treffer reicht nicht: Robert Ramsak gegen Piräus. (Foto: Ulmer/Imago)

In der Youth League lässt der FCB seine besten U19-Talente spielen und kommt so weit wie nie - doch im Viertelfinale gegen Piräus ist Schluss. Das Lernpotenzial ist deutlich höher als in der U19-Bundesliga.

Von Christoph Leischwitz

Es war ein Spiel, bei dem eine Jugendmannschaft des FC Bayern viele wichtige Dinge lernen kann. Zum Beispiel, wie man einen Torwart nicht anspielt, wenn er von mehreren Gegnern angelaufen wird. Weil das diesmal grob misslang, geriet die U19 des FC Bayern am Dienstagnachmittag gegen Olympiakos Piräus in der 32. Spielminute in Rückstand, taumelte, kassierte in diesem Youth-League-Viertelfinale schnell zwei weitere Gegentore. Und konnte dann in der zweiten Halbzeit lernen, wie man einen Abwehrriegel knackt - oder eben auch nicht. Denn es gelang nur einmal, Robert Ramsak traf in der 64. Minute zum Anschluss, doch die Bayern verloren 1:3 - und nehmen nun die Erkenntnis mit, dass sie in diesem Wettbewerb so weit gekommen sind wie noch nie, es für ganz oben allerdings noch nicht reicht.

Alle waren gekommen: Der Ehrenpräsident Uli Hoeneß saß auf der Campus-Tribüne, der ehemalige Chefausbilder Hermann Gerland sah zu, natürlich auch der neue Sportvorstand Max Eberl und viele andere Vereinsprominente. "Für viele dieser Jungs ist es auf Vereinsebene sicherlich das bis dato größte Spiel ihrer noch jungen Karriere", hatte der Sportliche Leiter Halil Altintop vor dem Spiel gesagt. So viel Aufmerksamkeit für ein Spiel der Bayern-Jugend gab es schon lange nicht mehr.

Das ist kurios. Denn vor zehn Tagen hatte die U19 doch tatsächlich das Stadtderby verloren. Das ist eine seltene Schmach für die Roten, die aktuell sogar in der U19-Bundesligatabelle hinter 1860 München auf Rang acht stehen. Gleichzeitig kommt die Mannschaft in der Youth League so weit wie noch nie, schon der Einzug ins Viertelfinale ist der größte Erfolg einer Campus-Jugendmannschaft seit der Drittliga-Meisterschaft der U23 vor vier Jahren. Woher kommt diese Diskrepanz?

Am besten ist es, man stellt sich die U19 als zwei verschiedene Mannschaften vor. Ein gutes Beispiel dafür ist Lovro Zvonarek, der am Dienstag als Kapitän auflief. Ein Kapitän, der allerdings in der U19-Bundesliga noch kein einziges Mal auf dem Feld stand. Der Grund dafür ist das unterschiedliche Niveau der Wettbewerbe und das sich daraus ergebende Lernpotenzial.

Pavlovic hätte laut Reglement sogar noch gegen Piräus antreten dürfen

Campus-Leiter Jochen Sauer steht am Fenster über dem Campus-Stadion, es steht gerade 3:1 für Olympiakos. Diese Partie sei ein gutes Beispiel: "Hier spielen sie gegen Gegner, die sie noch nicht kennen, gegen eine Mannschaft, die sehr hart zu Werke geht. Das ist für unsere Spieler in der Bundesliga nicht immer gegeben. Da kommen sie oft gar nicht in die Situation, sich körperlich durchsetzen zu müssen", sagt der 51-Jährige. Demnach spielt in der Youth League eine echte U19, in der Bundesliga aber de facto eine U18. Natürlich dürften die dort auch Gas geben, natürlich dürfte man dort auch gerne um die Meisterschaft mitspielen - aber die Priorität ist das aktuell nicht. Sauer sagt das selbst nicht und dementiert es nicht - aber womöglich ist der Kader in der Breite aktuell auch nicht ganz so gut besetzt, um auf allen Hochzeiten tanzen zu können.

Eine weitere Campus-Sichtweise: Nachdem es endlich zumindest teilweise gelingt, eigene Spieler in der ersten Mannschaft zu verankern oder an Erstligisten zu verleihen, bekommt der Campus unweigerlich akute Nachteile. So war Bayerns neuer Stammspieler Aleksandar Pavlovic noch fest für die U23 eingeplant (die in der Regionalliga zurzeit auch nicht besonders gut dasteht). Pavlovic hätte übrigens laut Reglement sogar noch gegen Piräus antreten dürfen. Auch der eine oder andere der vielen verliehenen Spieler hätte sich noch in der U23 einbringen können, etwa der erst kürzlich zu Austria Wien transferierte Frans Krätzig, 21.

In der Youth League hätte es sogar noch besser laufen können. Die U19 musste sich als Tabellenzweiter der Vorrunde über eine Zwischenrunde für das K.-o-System qualifizieren. In der entscheidenden Phase der Vorrunde fehlten vier Stammspieler: Torwart Max Schmitt, Verteidiger Maximilian Hennig, Mittelfeldmann Kurt Rüger und Angreifer Robert Ramsak wurden im Herbst U17-Weltmeister.

Die U19 ist mittlerweile ein Rangierbahnhof, das geht bisweilen auch zulasten von Eingespieltheit und blindem Verständnis mit dem Mitspieler. Obendrein ist dann auch noch das eingetreten, was sie am Campus sehr gerne vermieden hätten: Unruhe auf den Trainerpositionen. Sosehr der Campus ein Sprungbrett für Heranwachsende sein soll, hätten sie sich von manchem Ausbilder schon erhofft, nicht gleich hinterherzuspringen, wenn es mal gut läuft. So war zum Beispiel Sebastian Hoeneß seinerzeit nicht mehr zu halten gewesen.

Die U23 hätte theoretisch eine gute Chance, 2024/25 wieder in die dritte Liga aufzusteigen

Umso überraschender war dann die Beurlaubung des U19-Trainers Michael Hartmann unmittelbar vor der Youth-League-Zwischenrunde. Zuvor waren sie sich sicher gewesen, mit Hartmann endlich Beständigkeit ins Haus geholt zu haben. Und dann kam seine Beurlaubung dermaßen kurzfristig, dass nicht einmal an Nachfolger bereitstand. Sein geschwind vorgestellter Nachfolger ist René Maric, 31, der für sein Alter zwar schon ungemein viel Erfahrung sammelte, aber nicht als Jugend-Cheftrainer. Gerüchteweise soll Maric ab Sommer sogar die U23 übernehmen. Aktuell läuft sein Vertrag mit den Bayern nur bis Ende Juni.

In der kommenden Saison werden sie sich gut überlegen, was sie mit den Spielern der Jahrgänge 2005 und 2006 machen. Die U23 hätte theoretisch eine gute Chance, in der Saison 2024/25 wieder in die dritte Liga aufzusteigen: Es gibt wenig Konkurrenz, es gäbe keine lästigen Aufstiegsspiele. Vielleicht haben die jungen Spieler, die am Dienstag gegen 18 Uhr die Köpfe hängen ließen, bis dahin ja schon ausreichend gelernt, sich im Männerfußball zu behaupten.

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