Bundesliga:Bayern hat sich einen ansehnlichen Speckgürtel zugelegt

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  • Mit Perisic, Pavard und nicht zuletzt Thomas Müller wirkt es, als habe der FC Bayern plötzlich doppelt so viele Möglichkeiten.
  • Gegen Mainz zeigt sich allerdings, dass die Münchner durchaus auch Probleme haben und bei schnellen Angriffen verwundbar sind.
  • Der Kader des FC Bayern ist kurz vor Ablauf der Wechselfrist allerdings bombastisch.

Von Benedikt Warmbrunn

Der Fußballtrainer Mehmet Scholl hat nicht den besten Ruf, manchen gilt er als Gescheiterter, was ein sehr hartes Urteil ist. Scholl hat zweimal den FC Bayern II trainiert, er war ein Spielerentwickler, der die Sprache der Talente gesprochen hat; in der Rückrunde war sein Team stets besser als in der Vorrunde. Aber weil er zweimal nicht aufstieg und zweimal nach einem Jahr wieder aufgehört hat, fehlt seiner Trainerkarriere die Vollendung. Seit mehr als sechs Jahren ist Scholl Fußballprivatier, er hat ein paar Angebote bekommen und alle abgelehnt, und so ist es ruhiger um ihn geworden. Bis er am Samstagabend so etwas wie eine späte Genugtuung erfahren hat.

David Alaba hatte am Nachmittag einen Freistoß so präzise getreten, als habe er einen Zirkel im linken Schuh stecken, nun sollte er erklären, was das Geheimnis seiner Schusstechnik sei. "Ich habe schon in der Jugend begonnen, das zu trainieren", sagte Alaba, dann verriet er: "Und ich hatte Mehmet Scholl in der zweiten Mannschaft als Trainer. Der hat sich viel Zeit mit mir genommen und das noch einmal verfeinert." Scholl war ein fordernder Mentor, er war ja selbst ein ausgezeichneter Freistoßschütze, und so hatte er bestimmt viele hervorragende Ratschläge. Welche Tore ihm am besten gefallen, das hatte Scholl ja schon als Spieler erzählt: "Die schönsten Tore sind diejenigen, bei denen der Ball schön flach oben rein geht."

Sechs Tore hat der FC Bayern am Samstag gegen Mainz erzielt, manche davon gingen schön flach oben rein, andere auch schön hoch unten, und so dürfte es Trainer Niko Kovac gut verkraften, dass den Ruhm für das schönste Tor nicht er, sondern sein früherer Münchner Mitspieler Scholl abbekommen hat. Kovac hat bei dem 6:1 genug Erkenntnisse sammeln können, die sich - richtig kombiniert - zu noch größerem Ruhm zusammenfügen können.

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Der FC Bayern hatte gegen Mainz auch Probleme, er ist bei schnellen Angriffen verwundbar, besonders in der Mitte des Spielfeldes; gezeigt hatte sich das beim Führungstor der Gäste durch Jean-Paul Boetius. In der ersten halben Stunde waren die Angriffsversuche der Bayern wenig überraschend, zu früh zog die Mannschaft das Spiel in die Breite, und dann blieb als letzte Option oft schon nur noch eine Flanke aus dem Nirgendwo an der Seitenlinie. Die erste halbe Stunde hatte also gezeigt, dass die Bayern zumindest in ihrer aktuellen Form gegen strukturierter verteidigende und angreifende Gegner ihre Schwierigkeiten haben dürften; der erste dieser Gegner kommt schon in zwei Wochen, beim Spiel in Leipzig. Doch die zweite und die dritte halbe Stunde gegen Mainz haben dann die für die Bayern versöhnliche Erkenntnis gebracht, dass die Mannschaft genug Klasse vereint, um in der Liga am Ende der Saison doch wieder ganz oben in der Tabelle zu stehen.

Das Tor zum Ausgleich: ein Kunstschuss von Benjamin Pavard. Das Führungstor: der Freistoß von Alaba, mit Einflüssen von Scholl. Der dritte Treffer: ein Kopfball von Ivan Perisic, bei dem dieser sekundenlang zu schweben scheint. Das 4:1: Kingsley Coman, nach einer Ecke. Es folgten das unvermeidliche Tor von Robert Lewandowski, sein sechstes in dieser Saison, sowie der Treffer zum Endstand von Alphonso Davies, der nach feiner Vorlage von Thomas Müller den Ball nur noch ins leere Tor hineinstoppen musste.

Kurz vor Ende der Wechselfrist an diesem Montag hat der FC Bayern also vorgeführt, was für einen bombastischen Kader er hat. In der Innenverteidigung überzeugte Lucas Hernández mit einer Ruhe, als würde er sich gerade einen morgendlichen Tee kochen; er wirkt bereits wie ein Veteran im Bayern-Trikot. Auch die anderen drei Zugänge in der Startelf konnten andeuten, wie sie das Spiel der Münchner bereichern könnten. Philippe Coutinho bringt die überfällige Gedankenschnelligkeit in die Spielfeldmitte. "Er hatte gute Momente, vor allem mit dem Ball", sagte Kovac, der Coutinhos "Tiefenpässe" hervorhob.

Pavard steht für den Speckgürtel, den der Kader hat

Perisic ist eine solide Option, um Serge Gnabry und Coman, die beide mit feinen, aber auch empfindlichen Sehnen ausgestattet sind, eine Pause zu gönnen, so wie Gnabry am Samstag. Und Pavard? Ihn rettete sein Tor, deutete Kovac an, wohl vor der frühzeitigen Auswechslung; beim Gegentor lief er spektakulär teilnahmslos mit, seine Flanken waren zunächst selten scharf und gefährlich. Doch auch er steht für den Speckgürtel, den der Kader hat. Durch ihn konnte Joshua Kimmich sich erneut im defensiven Mittelfeld versuchen. Die Möglichkeiten scheinen sich für Kovac verdoppelt zu haben, mindestens.

Auf der Bank saßen übrigens die Weltmeister Müller, Jérôme Boateng, Corentin Tolisso. "Das ist ja das, was wir uns wünschen: Dass wir Qualität von außen nachlegen können, um dem Spiel auch Impulse zu geben", sagte Müller, der selbst besonders viel Impulse nach seiner Einwechslung brachte. "So ist Thomas. Er kommt rein, macht Randale und Wind", sagte Kovac, "wir sind froh, dass wir ihn haben."

Dass die Randale sich auf das Spielfeld beschränken und sich nicht als Unruhe in die Kabine ausbreiten, das wird nun die große Aufgabe für Kovac. Nach dem Abpfiff war zu beobachten, wie er - ganz in Schollscher Tradition - sich viel Zeit für einzelne Spieler nahm. Er sprach mit Coutinho, er sprach mit Thiago, mit zwei Spielern also, die er in der zweiten Halbzeit auswechselte. Beide waren anschließend bester Laune, sie spielten mit Thiagos zweijährigem Sohn Gabriel, der noch einen Ball ins Tor schießen durfte und daher wie einer wirkte, der in eineinhalb Jahrzehnten eigentlich nur noch einen Trainer braucht, der ihm gut zuhören will.

© SZ vom 02.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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