FC Bayern München:Guardiolas wichtige Bänker

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Muss auf Spielsituationen von der Bank aus reagieren können: Pep Guardiola (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Nach dem Sieg gegen Wolfsburg predigen der Bayern-Trainer und Philipp Lahm, wie wichtig Alternativen auf der Bank sind. Mario Götze bekommt trotzdem keine Chance und wirkt wenig amüsiert.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Es sind noch gut vier Monate, bis Pep Guardiola seinen Vertrag beim FC Bayern München erfüllt hat. So überschaubar die Zeit auch sein mag, bis er sich zu Manchester City verabschiedet, ein paar Rollen hat er noch lange nicht abgelegt. Zum Beispiel die des Pädagogen.

2:0 (0:0) hat seine Mannschaft jetzt beim VfL Wolfsburg gewonnen, in letztlich durchaus souveräner Manier. Doch in seinem nachgerade manischen Streben nach dem Unerreichbaren, der fußballerischen Perfektion, hatte Guardiola ein paar verbesserungswürdige Details gefunden, die er nicht unerwähnt lassen wollte, als Joshua Kimmich im Kabinengang auf ihn zukam. Da stand Guardiola also und erklärte Laufwege, richtige Positionierungen und bessere Passoptionen. Derart energisch gestikulierend, dass sich Kimmich erkennbar in den Senkel gestellt fühlte.

Guardiola verteilt Watsch'n

Doch im Grunde war Guardiola auch im Fall Kimmich nur daran gelegen, ihn zu belobigen - wie jeden Bayern-Profi, der den Platz verlassen hatte. Jeder Spieler wurde in die Runde männlicher Sympathie-Rituale einbezogen: Hier setzte es eine Watschn, dort eine Umarmung, die mit einem nachgerade heftigen Schlag auf den Rücken untermalt wurde - und im Falle Kimmichs eben einen Puff auf die Brust.

Der Grund für die herben Ehrerbietungen: Der FC Bayern konnte in einem Revier, in dem ihm in der Vergangenheit nicht allzu viel gelungen war, die Tabellenführung festigen, weshalb Guardiola "ein ganz, ganz großes Kompliment für die Mannschaft" verteilte. Obwohl nichts Definitives erreicht ist?

Bayern hat nun doppelt so viele Punkte wie der Vize-Meister

Von wegen: "Wir werden nicht in dieser Woche die Meisterschaft verspielen", rechnete Kapitän Philipp Lahm vor. Selbst wenn jene Partie am Mittwoch gegen Mainz und jene am Samstag beim Tabellenzweiten Dortmund verloren gehen sollten, hätte es der FC Bayern weiter in der eigenen Hand, in dem am Samstag eingeläuteten 117. Jahr seines Bestehens die 26. Meisterschaft der Klubgeschichte zu holen. Bayern hat nun 62 Punkte. Zum Vergleich: Wolfsburg, immerhin Zweiter der Vorsaison, weist nach 23 Spielen nur halb so viele Zähler auf. Es sind Eckdaten einer Dominanz. "Punktemäßig muss meine Mannschaft in die Spur kommen", sagte Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking, so zerknirscht, wie es nach der anständigen Leistung seiner Elf gerade noch vertretbar war.

Gemünzt war dies ohnehin darauf, dass der VfL zehn Ausfälle zu verkraften hatte. "Jammern gilt nicht", sagte Hecking - der allerdings am Sonntag den nächsten heftigen Schlag zu verkraften hatte: Abwehrchef Naldo erlitt gegen die Bayern eine Sprengung des Schultereckgelenks und muss operiert werden. Der Brasilianer fällt wohl bis zum Saisonende aus, Hecking stehen damit in der Innenverteidigung nur noch Naldos Landsmann Dante und der junge Robin Knoche zur Verfügung.

Guardiola bot die Malaise des Gegners die Gelegenheit, den Bogen in die vergangene Saison zu schlagen. Denn dass er damals lesen musste, der FC Bayern habe die Meisterschaft "auf dem Sofa" gewonnen (am Spieltag, an dem der Titel rechnerisch gesichert wurde, hatte der FC Bayern spielfrei), empfand er als verletzend. Die Teamleitung habe den Gewinn jener 25. Meisterschaft für ein "verdammtes Wunder" gehalten, und das Ausscheiden in Champions League (Halbfinale gegen den FC Barcelona) und im DFB-Pokal (Halbfinale gegen Dortmund) für eine unabwendbare Entwicklung, weil so viele Spieler ausgefallen waren. "In der Bundesliga lief es gut", sagte also Guardiola, "aber im richtigen Moment brauchst du im Pokal und in der Champions League deinen Kader. Du musst auf die Bank schauen und sagen können: Okay, wir haben Alternativen." So wie an diesem Samstag in Wolfsburg.

Gegen extrem offensive Bayern waren die Gastgeber vor allem vor der Pause ein massiv und konzentriert verteidigendes Team, eine Art dynamisches Korallenriff, das jedes Durchkommen verunmöglichte, und an dem man sich tiefe Wunden hätte holen können. Zudem hatten die Hausherren Chancen, die besten vergaben Marcel Schäfer kurz vor der Pause, als er freistehend verzog, und der gefällige Julian Draxler nach der Pause, als er volley die Fäuste von Bayern-Torwart Manuel Neuer traf.

"Wir haben eine überragende Bank"

Die Gäste überwanden das dichte Gestrüpp erst durch zwei Rochaden: Guardiola wechselte kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit Thiago und Franck Ribéry ein. Beide stellten neue Aufgaben, die in der Summe von den Wolfsburgern nicht zu bewältigen waren. "Wenn der Gegner so viel hinterherlaufen muss, wie das bei uns meist der Fall ist, weil wir mehr Ballbesitz haben, lassen hinten raus die Kräfte ein bisschen nach, und dann ist wichtig, dass die Spieler, die von der Bank kommen, entscheidende Impulse setzen. Und da haben wir Glück, dass wir eine überragende Bank haben", erklärte Lahm.

Ribéry war gleich an beiden Münchner Toren beteiligt. Beim 0:1 (66.) stürzte er Wolfsburgs Verteidigung nach einem Doppelpass mit Thomas Müller ins Chaos, ehe Kingsley Coman einen abgefälschten Schuss von Robert Lewandowski volley ins Tor schoss. Beim 0:2 (74.) legte Ribéry eine Flanke mit der Brust auf Lewandowski ab, der mit einem artistischen Stoß vollendete. Der Leidtragende der Aufstellung Ribérys war Mario Götze: Der Weltmeister lief wenig amüsiert in die Kabine. Und gab sich auch keine Mühe, das zu verbergen.

Sammer warnt davor, dass man keine Nörgeleien brauche: "Das Team steht über allem."

"Man darf sauer sein, wir wollen ja immer von Anfang an spielen", trat Lahm in die Rolle des Götze-Anwalts, "aber ich mache mir keine Sorgen, weil er ein überragender Fußballer ist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er wieder zum Einsatz kommt."

Sportvorstand Matthias Sammer wiederum nannte es "absolut nachvollziehbar", dass der Franzose spielte, zumal Götze, der ebenfalls lange verletzt war, noch nicht wieder im Zenit seiner Kunst zu sein scheint. Gleichzeitig warnte Sammer, dass man jetzt keine Nölereien brauche: "Das Team steht über allem."

Nur wenn alle das verinnerlicht hätten, das war Sammers Subtext, könne der Titel verteidigt werden. Sollte das gelingen, wäre der FC Bayern der erste Klub, der vier deutsche Meisterschaften in Serie gewinnt. "In diesen drei Jahren und dem Jahr unter Heynckes diese Kontinuität - das sagt viel über die Mentalität dieses Vereins und dieser Spieler aus", sagte Guardiola.

Er will sich am 30. Juni jedoch nicht nur mit einer Erwähnung im Geschichtsbuch aus Deutschland verabschieden.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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