FC Bayern München:Das Bewerbungsvideo des Thomas Müller

Lesezeit: 3 min

Zurück zu alter Form: Thomas Müller (Foto: Günther Schiffmann/AFP)
  • Thomas Müller zeigt beim Sieg gegen Mainz seine beste Leistung seit langem.
  • Der Effekt ist auffällig: Plötzlich läuft es beim FC Bayern wieder.

Von Christopher Gerards, München

Zwei der wichtigsten Aktionen von Thomas Müller kamen hinterher in keiner Statistik vor, sie verbesserten nicht seine Note, und sie standen in keinem Spielbericht. Dabei sagten sie eine Menge aus. Die erste dieser Aktionen, sie fiel in die 37. Minute, Mats Hummels hatte gerade versucht, Müller mit einem langen Pass zu erreichen. Wobei: Der Pass war derart missraten, dass er ins Toraus flog, Müller hatte keine Chance ihn zu erreichen. Er hätte jetzt abwinken können, schreien oder einfach gar nix tun. Aber Müller tat etwas, das er kurz darauf wiederholen würde, direkt nach dem Halbzeitpfiff: Er klatschte.

Es ist gar nicht ganz klar, ob Müller in dieser ersten Halbzeit häufiger gepasst oder geklatscht hat, aber das ist auch nicht so wichtig. Diese Aktionen zeigten schlichtweg, wie bemüht Thomas Müller war, das Binnenklima des FC Bayern zu verbessern. Das gelang ihm einerseits, indem er seine Mitspieler aufmunterte. Aber es gelang ihm noch auf anderem Wege, mit einem Tor und einer Vorlage. Denn am Ende war es nicht nur Thomas Müller, der klatschte. Das Publikum beklatschte ihn. Die Fans sangen sogar ein Lied über Müller, nach 14 Minuten schon, es handelte davon, dass "Thoooo-mas Müllll-llller" der beste Mann sei.

Robben singt ein langes Loblied auf seinen Kollegen

Wenn man ehrlich ist, war es nicht ganz eindeutig, wer der beste Mann gewesen ist beim 4:0 (2:0) des FC Bayern gegen Mainz 05. Arjen Robben hatte ein mehr als ordentliches Spiel gezeigt, Manuel Neuer hatte zwei Mal famos gehalten, Joshua Kimmich hatte drei Vorlagen gegeben. Aber Thomas Müller hatte sich als ernsthafter Kandidat aufgedrängt. Für die Frage, wer der beste Spieler dieses Spiels war. Aber auch für die Frage, wen Carlo Ancelotti künftig gern mal häufiger aufstellen könnte. Arjen Robben beantwortete es so, als er darauf angesprochen wurde, dass mit Müller ein weiterer offensiver Spieler auf dem Platz stand: "Das war vielleicht auch der Schlüssel."

Man neigt dazu, Spieler aufgrund ihrer Tore zu bewerten, aber bei Müller, angetreten hinter Angreifer Robert Lewandowski, zählte an diesem Tag etwas anderes. Natürlich war da das Tor, zumal es ein für ihn angemessen kurioses Tor war. Wie er da im Mainzer Strafraum lauerte, in den Rückraum lief, während alle Verteidiger ihn übersahen. Wie er den Ball von Kimmich forderte, sich eindrehte, um mit links zu schießen - und wie Arjen Robbens rechte Wade den Ball noch letztinstanzlich abfälschte, sodass der Mainzer Torwart René Adler am Ball vorbeisprang. Das Tor bekam dann übrigens Müller gutgeschrieben, sein erster Treffer in dieser Saison.

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Aus dem Stadion von Christopher Gerards

Robben, der sonst um jedes Tor kämpft, sprach hinterher nicht lange über das 1:0, er sprach darüber, wie wichtig Thomas Müller für das Spiel des FC Bayern ist, vor allem aufgrund seiner Laufwege: "Mit Thomas hat man viel mehr Bewegung, das ist wie ein zweiter Stürmer. Er reißt Lücken auf, macht Raum für andere. Natürlich muss man aufpassen, was man sagt, das hat nichts mit anderen zu tun. Ich spiele immer sehr, sehr gern mit Thomas zusammen, das funktioniert immer gut."

Das 3:0 war der beste Beleg. Die 50. Minute, der FC Bayern greift an, Arjen Robben ist vom rechten Flügel in die Mitte gezogen, dafür steht Müller außen. Wartet auf einen Pass, bekommt ihn, rennt und flankt flott flach in die Mitte, auf Höhe des Elfmeterpunkts, wo Robert Lewandowski den Ball erreicht und trifft. Auch Lewandowski sprach bei Sky über Müller und dessen "Bewegungen, mit denen er ein, zwei Gegenspieler mitreißt, Räume schafft". Und als Robben Müllers Leistung einordnete, setzte er gar zum Superlativ an, unterbrach sich aber lieber nochmal selbst: "Wenn er auf Platz steht, dann... spiel ich auch... Naja: besser, hört sich komisch an, das hat nichts mit den anderen zu tun. Wir haben viel Qualität, und jeder Spieler hat seine eigene Qualität, aber mit Thomas funktioniert das immer gut." Robben wollte seiner Mitspieler wegen Müller nicht zu überschwänglich loben, aber die Botschaft war angekommen: dass Müller Robben besser machen kann.

Später am Abend, als Müller auf dem Weg Richtung Ausgang der Arena war, sprach ihn ein Reporter auf Robbens Aussage an. Und Müller antwortete: "Das freut mich, dass er das sagt. Das ist jetzt keine neue Erkenntnis für uns beide, aber tut auch nichts zur Sache." Dann grinste Müller. Zur Erinnerung: Nachdem er gegen Bremen 72 Minuten auf der Bank gesessen hatte, sagte er im ARD-Hörfunk, er wisse nicht, welche Qualitäten Trainer Ancelotti sehen wolle.

Einst hatte Louis van Gaal ja das Dogma erschaffen, wonach Müller immer spielt. Aber über die Jahre scheint dem Dogma seine Wirkungsmacht abhanden gekommen zu sein. Müller spielt nicht mehr immer, er hatte ein paar Formkrisen, und er hatte auch mit dem Problem zu kämpfen, dass auf jeder Position des FC Bayern hinreichend gute Fußballer spielen. Dass er auf seiner Lieblingsposition halt keine derart formschönen Pässe spielen kann wie Thiago. Gibt es eine Position, auf der Thomas Müller die bessere Wahl ist als jeder andere Bayern-Profi? Diese Frage hängt über der ganzen Diskussion um Müller, und so gesehen schien dieses Spiel gegen Mainz wie ein kleines Bewerbungsschreiben: Thomas Müller traf, er bereitete ein Tor vor, er lief Räume auf. Das sind seine Qualitäten, und er zeigte alle in einem Spiel.

© SZ vom 17.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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