FC Bayern in der Einzelkritik:Das Stadion erhebt sich für Ribéry

Der Franzose spielt wie zuletzt 2007, Boatengs Pässe segeln ins Nirgendwo und Lewandowski muss leiden. Der FC Bayern beim 0:0 gegen Sevilla in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Martin Schneider

Sven Ulreich

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(Foto: REUTERS)

War der Bayern-Spieler, der am besten die Anzeigetafel im Blick hatte und dort sah, wie nacheinander das 1:0, das 2:0 und das 3:0 für Juventus Turin eingeblendet wurde. Wird in dieser Sekunde sehr, sehr dankbar für das Spiel gewesen sein, das er vor sich beobachten durfte. Denn das war es, was er trotz der nicht zu leugnenden guten Leistung von Sevilla tun durfte: beobachten. Warf sich in der ersten Halbzeit einmal heldenhaft vor Joaquin Correa, tat sich dabei an der Hand weh, konnte aber weitermachen. Beobachtete in der zweiten Halbzeit, wie dieser Correa gegen die Latte köpfte - Ulreich wäre machtlos gewesen. Auch wenn es den Spielverlauf unzureichend wiedergibt, muss man sagen: Ein ruhiger Abend.

Rafinha

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Man tritt ihm nicht zu nahe, wenn man sagt: Rafinha ist kein Spieler für Sprechchöre. Aber kurz vor der Pause sprangen Bayern-Fans auf und reckten die Faust für den Brasilianer in den Himmel, die Kurve sang seinen Namen und der Gefeierte lag mit Schmerzen vor ihnen auf dem Rasen. Der Grund: Javi Martínez trat in den Boden, verlor einen Ball vorm eigenen Tor, der Treffer für Sevilla schien unausweichlich - da kam Rafinha in letzter Sekunde wie die Kavallerie und grätschte den Ball aus dem Sechzehner. Ein Gegenspieler traf ihn dabei an der Schulter, Rafinha blieb unten liegen und das Stadion ließ ihn hochleben. Leitete in der zweiten Halbzeit eine der besten Chancen durch Lewandowski ein und war auch sonst oft da, wenn er da sein musste. Spielt übrigens auch um einen neuen Vertrag.

Mats Hummels

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Sorgte für ein Raunen im weiten Rund, wie man 1960 gesagt hätte. In der 33. Minute war er plötzlich auf halblinks, auf der Arjen-Robben-Position und schoss aufs Arjen-Robben-Eck. Knapp drüber, aber als das Stadion realisierte, dass da wirklich Mats Hummels geschossen hatte, ooooohhhte es respektvoll. In der Abwehr erschreckend souverän. Dass Ulreich einen ruhigen Abend erleben durfte, lag vor allem am Duo Hummels/Boateng, das öfter in Not geriet, aber in letzter Konsequenz immer da war.

Jérôme Boateng

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(Foto: dpa)

Wurde in dieser Einzelkritik öfter mal als "Herr der langen Bälle" bezeichnet, weil eines seiner Markenzeichen der perfekt gespielte lange Ball aus der Abwehr heraus ist, meist auf Lewandowski. Schlug auch gegen Sevilla viele lange Bälle - aber in zwei Punkten unterschieden sie sich von seinen üblichen Pässen. Erstens: Er musste sie schlagen, weil Sevilla das Bayern-Mittelfeld sehr geschickt zustellte. Zweitens: Sie kamen zu oft nicht an, und zwar nicht im Sinne von "kamen knapp nicht an" sondern "segelten oft ins Nirgendwo". Bei seiner Kernaufgabe - dem Verteidigen - sah er oft, dass die die Absicherung vor der Abwehr nicht griff und er öfter retten musste. Tat das geschickt, aber in der 50. Minute, als er wieder in Not eingreifen musste, schrie er einen bosshaften Anpfiff durch die komplette Arena. Hätte sich danach selbst maßregeln müssen, weil ihn Joaquin Correa übersprang und gegen die Latte köpfte.

Joshua Kimmich

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(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

An ihm sah man gut die Konstruktions-Schwäche der Bayern-Taktik. Weil Heynckes mit fünf offensiven Spielern spielte und Javi Martinez alleine im defensiven Mittelfeld war, sorgte das dafür, dass Kimmich auf Arjen Robben als Abwehr-Partner setzen musste. Und wer Arjen Robbens Rückwärtsbewegung kennt, der weiß, dass das länger dauern kann. Versuchte dennoch, in vorderster Linie präsent zu sein und als Lahm-Erbe Robben vorne zu hinterlaufen. Und wie das so ist, wenn man überall sein will, dann passiert es manchmal, dass nichts so richtig klappt. Fand in der zweiten Halbzeit eine bessere Balance, hat auch mit 23 Jahren ein bisschen mehr Luft als Kollege Rafinha (32).

Javi Martinez

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(Foto: AP)

Wurde in dieser Einzelkritik mal als "beste Einerkette der Welt" bezeichnet, weil er die Fähigkeit besitzt, das komplette defensive Mittelfeld im Notfall alleine zu verteidigen. Hätte das auch gegen Sevilla tun sollen, Jupp Heynckes stellte ihm James Rodriguez zur Seite. War gegen Sevilla mit der Wächter-Aufgabe überfordert, weil die Andalusier in seinem Aufgabenbereich einfach so weit an die Außenlinie spielten, dass selbst ein Javi Martinez nicht mit dem Räume-Zulaufen hinterherkam. Das verunsicherte ihn, leistete sich einen Stockfehler, der nur deswegen nicht "folgenschwer" war, weil Rafinha ihn rettete. Auch im Passspiel nicht so sauber wie sonst. Wurde Sekunden vor Feierabend von Correa - man muss es so ausdrücken - weggetreten. Correa sah Rot, Martinez stand auf.

James Rodriguez

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(Foto: REUTERS)

Sah Mitte der ersten Halbzeit, dass er seinen Arbeitsbereich ein paar Meter nach hinten verschieben musste. Spielte im Mittelfeld neben Javi Martinez, und wenn er gedacht hatte, das mit dem Verteidigen könne er dem Basken überlassen, dann musste er einsehen, dass Sevilla dafür doch ein bisschen zu gut war. Musste also statt des Regisseurs den Aushilfs-Vidal geben und tat das gar nicht mal so schlecht. Prägte das Bayern-Spiel nicht wie in der jüngeren Vergangenheit, aber manchmal muss man eben auch den Papierkram eines Fußballers erledigen - Räume besetzen, Querpässe spielen, Passwege zustellen. Lieferte ein Spiel wie eine saubere Steuererklärung.

Arjen Robben

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(Foto: AP)

Es gab eine symbolhafte Szene irgendwann in der zweiten Halbzeit: Arjen Robben, der quer zum Sechzehner läuft, mit links ansetzt, abbricht, weiter läuft, ansetzt, abbricht, schließlich stoppt und den Ball zurückspielt. Er mühte sich, er machte sehr viel, aber er fand nicht so richtig in dieses Spiel. Hielt im Gegensatz zu Kollege Ribéry das Tempo über 90 Minuten, aber er machte auch weniger Meter zurück. Gutes Spiel, guter Einsatz, wenig Ertrag. Wird ihn natürlich nicht zufriedenstellen.

Thomas Müller

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(Foto: dpa)

Von Louis van Gaal ist der Spruch überliefert, dass ein Thomas Müller "viel laufen müsse". Spielte auf der Zehnerposition und interpretierte diese Rolle so, dass er überall auf dem Feld herumlief - nur nicht auf der Zehnerposition. Wirkte in der Offensive lange so wie der Hase aus "Der Hase und der Igel". Lief viel, kam aber immer einen Tick zu spät. Lag auch daran, dass Sevilla tatsächlich mitspielte und er nicht wie in einem normalen Bundesliga-Spiel nur eine Hälfte belaufen musste. Fand sich in der zweiten Halbzeit, als Bayern dominanter wurde, besser zurecht, gab den einen oder anderen gefährlichen Schuss ab.

Franck Ribéry

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Spätestens zur Halbzeit musste man sich fragen, aus welchem Zeitportal dieser Franzose da auf dem Spielfeld getreten ist. Dynamik, Geschwindigkeit und Technik passten nicht zum 2018er-Ribéry, irgendwas musste passiert sein. Der Ribéry des Jahrs 2018 war lange Zeit ein alter Dribbler, aber dieser Spieler mit der Nummer 7 auf dem Feld agierte wie ein junger Eiskunstläufer. Drehte sich wie auf Kufen um Verteidiger Jesus Navas, feuerte einen Schuss aufs Tor, der ihm mit der Gewalt zuletzt 2007 gelungen sein muss, hatte irgendwann im Spiel plötzlich eine Übersicht wie der alte Xabi Alonso und schlug einen Querpass übers ganze Feld zu Arjen Robben. Als er in der zweiten Halbzeit anfing, müde zu werden, wechselte ihn Jupp Heynckes für Thiago aus. Das Stadion erhob sich.

Robert Lewandowski

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(Foto: REUTERS)

Musste schon in den ersten zehn Minuten mehr einstecken als ein Preisboxer mit Reaktionsschwäche. Wurde nach zwei Minuten auf dem Weg zum Tor von Gabriel Mercado gelegt, der bekam Gelb. Kassierte von diesem Mercado ein paar Minuten später beim Kopfballduell mit dem Schädel einen Kinnhacken (er sprang ihm von unten gegen den Kiefer), blieb daraufhin einen Moment liegen. Wieder ein paar Minuten später stieg ihm Steven N'Zonzi auf den Knöchel. Blieb daraufhin etwas länger liegen und musste von Doktor Müller-Wohlfahrt aufgerichtet werden. Wurde öfter gerempelt als jeder Eishockeyspieler, blieb aber standhaft und aus Bayern-Sicht vor allem: unverletzt.

Einwechselspieler: Thiago Alcantara

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(Foto: AFP)

Kam für Franck Ribéry in ein erlahmtes Spiel. Wird sich wundern, dass er überhaupt eingewechselt werden musste.

Sandro Wagner

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(Foto: REUTERS)

Kam für Lewandowski, und seine auffälligste Aktion war, dass er Correa nach dessen Attacke wegschubste. Hatte damit eigentlich völlig recht, sah aber Gelb.

Niklas Süle

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(Foto: REUTERS)

Spielte nach seiner Einwechslung für Rafinha Linksverteidiger und wird sich gedacht haben: Das erzähl ich mal meinen Enkeln, dass ich mal Linksverteidiger im Champions-League-Viertelfinale war.

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