FC Bayern gewinnt gegen Wolfsburg:Wehe, wenn sie den Rhythmus finden

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Gewonnen, Tabellenführung verteidigt, Druck reduziert: Das 2:0 des FC Bayern gegen Wolfsburg ist schwer verdaulich, die Spieler ordnen das Ergebnis nüchtern ein. Dennoch wird ein Detail der mittelmäßigen Partie überschwänglich gelobt - und die Konkurrenz bibbert.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Es waren durchaus martialische Drohungen, die der FC Bayern am Samstag nach dem Spiel an die Konkurrenz schickte. "Denken Sie mal an die Hinrunde", sagte Christian Nerlinger - und womöglich werden sie in Dortmund und auf Schalke deswegen nicht ihre verdienten und deutlichen Siege feiern, sondern ob dieser Ansage aus der Abteilung Attacke bibbern.

Franck Ribéry (Mitte) stürzt, das Spiel endete trotz mittelmäßiger Leistung mit 2:0 für den FC Bayern. (Foto: dapd)

Was hätten die Münchner aber auch tun sollen nach diesem schwer verdaulichen 2:0-Sieg gegen den VfL Wolfsburg, als darauf zu verweisen, dass sich der FC Bayern in der Hinrunde ebenfalls eine peinliche Niederlage gegen Gladbach und einen knappen Sieg gegen Wolfsburg geleistet hatte, um danach mit der Eleganz und Leichtigkeit eines Jewgeni Pluschenko (der am Samstag übrigens zum siebten Mal Eiskunstlauf-Europameister wurde) durch sämtliche Wettbewerbe zu gleiten.

Die Vorstellung gegen Wolfsburg gab wahrlich keinen Anlass zu forschen Aussagen, das erkannten auch die Münchner Akteure. "Dass wir besser Fußball spielen können, dass wir besser Fußball spielen wollen, das steht außer Frage", sagte Philipp Lahm. Toni Kroos erkannte richtig, dass es "kein glanzvoller Sieg" war. Allein Thomas Müller sagte: "Das war eine ordentliche Leistung. Von der Art und Weise fand ich's jetzt nicht so schlimm."

Beinahe unisono machten die Spieler einen Unterschied zur Vorwoche aus, sie vergaßen allerdings zu erwähnen, dass sie in da gegen forsche und freche Gladbacher agiert hatten, während sich an diesem Wochenende eine bemerkenswert scheue und ungefährliche Wolfsburger Elf in der Arena in Fröttmaning präsentierte. Die eigene Leistung war nun zwar keine Kopie der Vorwoche, aber Rätselfreunde dürften sich schwer tun, beim Spiel Finde den Fehler mehr als fünf Unterschiede auszumachen.

"Es geht manchmal zu langsam, wir müssten das Spiel schneller verlagern", monierte etwa Arjen Robben ähnlich wie schon am vergangenen Wochenende, "für Offensivspieler ist es wichtig, dass es auch mal schnell geht." Der Holländer merkte an, dass "es eben nicht von Null auf Hundert geht". Dies wirft aber doch die Frage auf, was die Münchner in der laut Trainer Jupp Heynckes "besten Vorbereitung meiner Karriere" gemacht haben, wenn sie nun von Null beginnen möchten.

In der Tat inszenierten die Münchner ihre Angriffe recht eindimensional und langsam: ein paar Querpässe, ein Rückpass, ein kurzes Dribbling nach vorne, dann wieder ein paar Querpässe. Dann musste der Ball irgendwie zum gut aufgelegten Franck Ribéry gelangen, der mit einem wilden Dribbling zur Grundlinie gelangte und den Ball nach innen brachte. "Ich bin ziemlich müde, weil ich viel gelaufen bin", sagte Ribéry nach dem Spiel. Freilich sagte Ribéry "viel geloff'", als er arg wackelig durch die Mixed Zone humpelte.

Natürlich ist die Spielweise der Münchner auch dem Dilemma geschuldet, in dem sich Heynckes vor der Partie befand und die wohl jeder kennt, der jemals vor dem Computer eine Bundesliga-Manager-Simulation gespielt hat: Da hat man fünf herausragende Offensivspieler, die sich in ansprechender Form befinden - aber die taktische Formation weist nur vier offensive Planstellen auf.

Viele Computerspieler lösen das Problem, dass sie einen Akteur einfach auf eine ungeliebte Position stellen in der Hoffnung, dass es schon klappen wird. Das tat Heynckes auch, er ließ Toni Kroos neben Bastian Schweinsteiger im defensiven Mittelfeld spielen. Doch Kroos fühlt sich dort ungefähr so wohl wie die FC-Bayern-Fans vor ein paar Tagen auf Facebook. Kroos fand kaum Zugang zum Spiel und konnte diese Partie auch nicht wirklich prägen.

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Arjen Robben will einen neuen Trick erfinden, Rafinha fordert fehlerfrei gelbe Karten, Philipp Lahm möchte unbedingt ein Poster in einer Zeitschrift. Und die Fans? Präsentieren sich nach der Facebook-Aktion des Vereins in Bestform. Die Bayern beim 2:0 gegen Wolfsburg in der Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Vielleicht haben die Münchner Spieler auch nur auf ihren Trainer gehört, der schon zu Saisonbeginn gefordert hatte, auch schmutzige Siege schätzen zu lernen - und diese Forderung am Freitag noch einmal bekräftigt hatte: "Von der ersten bis zur letzten Minute, rauf und runter, kämpfen, rennen. Daran muss sich die Mannschaft messen lassen, sonst an nichts." Freilich schob Heynckes auch ein: "aber auch Fußball spielen" - aber man kann ja schließlich nicht alles auf einmal befolgen.

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Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Die Münchner Akteure wollten sich nicht allzu lange mit den Details dieser Partie beschäftigen, weil das wohl nicht unbedingt zur Steigerung des Selbstvertrauens beigetragen hätte. Sie betrachteten lieber das Große und das Ganze: 2:0 gewonnen, Tabellenführung verteidigt, Druck reduziert. Also Punkte gutschreiben und ab nach Hamburg zum nächsten Bundesliga-Spiel.

Nur ein Detail war allen Spielern wichtig: ein Loblied auf Ivica Olic. Der war von Heynckes beim Stand vom 0:0 vom Warmmachen geholt worden. Olic warf sich sein Trikot über - doch da fiel das 1:0 durch Mario Gomez, also wurde er zurückgeschickt zu den anderen Ersatzspielern. Olic begrüßte kurz den gegnerischen Trainer Felix Magath und setzte dann professionell das Einlaufen fort.

Wenig später dann wurde Olic vom Pädagogen Heynckes doch noch aufs Feld beordert, er lief sich geschickt frei und überlupfte in der letzten Minute den Torwart. Den Ball schubste ein Wolfsburger Spieler von der Linie, doch von Arjen Robbens Hand prallte er ins Tor. "Das ist mein Punkt, aber das Tor gehört Ivica", gab sich Robben ungewohnt altruistisch - und pries wie all seine Kollegen die Einstellung von Olic: "Er ist eine herausragende Persönlichkeit, er stellt sich in den Dienst der Mannschaft und trainiert herausragend."

Sie haben nicht gut gespielt, die Münchner, aber sie haben am Ende verdient gewonnen. Sie stehen nicht bei Null und nicht bei Hundert, sondern exakt dazwischen. Nun möchten sie sich schnell der maximal möglichen Leistung nähern. "Wir arbeiten, wir verbessern uns und jetzt werden wir unseren Rhythmus finden", sagte Lahm. Was passiert, wenn der FC Bayern seinen Rhythmus gefunden hat, war in der Hinrunde zu bestaunen - und das könnte bei den Konkurrenten tatsächlich ein leichtes Bibbern auslösen.

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