FC Bayern in der Einzelkritik:Kimmich schreit den Frust ins Schneegestöber

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Der Mittelfeldspieler spielt schöne Pässe, doch auch er ärgert sich. Niklas Süle marschiert wortlos in die Kabine und Leroy Sané wird von Mbappé ausgetanzt. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer

Manuel Neuer

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

War der Mann des Abends - als die Bayern vor siebeneinhalb Monaten im Finale gegen Paris die Champions League gewannen. Da parierte er jeweils gegen die gefürchteten Stürmer Neymar und Mbappé Großchancen, und musste dafür nicht mal seine Hände benutzen. Diesmal musste er das schon früh - und sofort rutschte ihm beim 0:1 in der dritten Minute der vom Schnee nasse Ball nach einem Schuss von Mbappé durch die Beine ins Tor. "Nix passiert", rief er danach, es sollte aufmuntern, aber es entsprach natürlich nicht der Wahrheit. Neuer trug trotz einiger Rettungen im späteren Verlauf somit zu einer oft chaotischen Abwehrleistung der Münchner bei - und damit zu einem für ein Champions-League-Viertelfinal-Hinspiel höchst ungünstigen 2:3-Endstand.

Benjamin Pavard

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Das Finale im August hatte der Franzose noch verletzt verpasst, inzwischen ist er wieder gesetzt als Rechtsverteidiger der Bayern - wobei er eigentlich lieber Innenverteidiger wäre, wie er vor dem Spiel kundtat. Nach vorne diesmal aktiver als sonst, bereitete mit seiner Flanke das 1:2 vor und hatte wie fast jeder Münchner am Mittwoch eine aussichtsreiche Torchance, in seinem Fall waren es gar zwei: Einmal vergab er aus der Distanz, einmal per Volley aus dem Strafraum. Nach hinten allerdings wie die ganze Viererkette: unsicher.

Niklas Süle

(Foto: Matthias Schrader/AP)

Kam im Finale nach 25 Minuten für den verletzten Jérôme Boateng, damals war es für ihn das erste längere Pflichtspiel nach seinem Kreuzbandriss - und er hatte nicht mal Zeit, sich richtig aufzuwärmen. Diesmal gehörte er statt Boateng zur Startelf, war vorbildlich aufgewärmt, aber doch nie so richtig im Spiel. Gehörte beim 0:1 zu den Verantwortlichen, die Vorbereiter Neymar sekundenlang ungestört dribbeln ließen, und verlor Mitte der ersten Hälfte ein Laufduell gegen Mbappé, wonach Flick umgehend Boateng zum Aufwärmen beorderte. Kurz vor der Pause ging Süle dann grimmig vom Platz, ohne Handschlag gleich in die Kabine, angeschlagen mit einer muskulären Verletzung.

Jérôme Boateng

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Diesmal war es also Boateng, der mit kurzem Aufwärmprogramm ins Spiel - und in eine konfuse Viererkette kam. Für ihn war es auch deshalb ein besonderer Abend, weil der FC Bayern in Person von Sportvorstand Hasan Salihamidzic offiziell verkündete, dass Boatengs auslaufender Vertrag im Sommer nicht verlängert wird. Wirkte zunächst sicherer als Süle, doch dann griff er Mbappé nicht an, als der das dritte Pariser Tor des Abends erzielte.

Lucas Hernández

(Foto: Christof Stache/AFP)

Wäre wie Pavard lieber ein Innenverteidiger, das scheint so ein Ding zu sein unter Münchner Außenverteidigern. Anders als Pavard durfte Hernández diesmal innen spielen, wenngleich erst nach der Auswechslung von Leon Goretzka nach 33 Minuten für den nach vorn gerückten David Alaba. Hernández bildete dann erst ein paar Minuten mit Süle und die zweite Halbzeit lang mit Boateng die Innenverteidigung. Seine auffälligste Aktion hatte er als Linksverteidiger mit einem Schuss ans Außennetz schon in der zweiten Minute. In der Defensive sorgte auch er nicht für Sicherheit.

Alphonso Davies

(Foto: Christof Stache/AFP)

Der Linksverteidiger in der Bundesliga derzeit rotgesperrt, deshalb fehlte er wohl auch in der Startelf. Ist in dieser Saison nicht mehr der aufregende Roadrunner, der er im Finale von Lissabon noch war. Stand nach seiner Einwechslung für Goretzka aber einmal richtig auf der Linie, um in der zweiten Hälfte das 1:3 zu verhindern. Es war womöglich die einzige gelungene Münchner Abwehraktion des Abends.

Joshua Kimmich

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Im Finale musste er wegen Pavards Verletzung noch als Rechtsverteidiger aushelfen, was inzwischen den Tatbestand der Mentalitätsmonsterzähmung erfüllt und deshalb in München und der Nationalmannschaft so gut wie verboten ist. Lenkte aus der Mittelfeldzentrale mit gewohnt schönen Pässen das Offensivspiel, bereitete das 2:2 vor, aber das änderte auch nichts daran, dass er häufiger seinen Frust über diesen Abend ins Schneegestöber schrie. Denn auch Kimmich war nach hinten nicht immer sicher.

Leon Goretzka

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

War beim 1:0 in Leipzig, im Spiel eins ohne den verletzten Robert Lewandowski, der Münchner Torschütze. Hatte auch diesmal eine Chance per Kopf, die früh den Ausgleich bedeutet hätte, aber vergab. Musste nach 33 Minuten wegen einer Muskelverletzung vom Platz - in einer Phase, in der die Münchner Konfusion ihren Höhepunkt erreichte.

David Alaba

(Foto: Christof Stache/AFP)

Zu den gerüchteweise genannten möglichen neuen Arbeitgebern des Österreichers von diesem Sommer an gehören so ziemlich alle Spitzenmannschaften des Planeten, also war auch irgendwann schon mal PSG dabei. Alabas favorisiertes Ziel ist aber bekanntlich Spanien, und als Bewerbung diente sein Spiel ohnehin kaum. Auch er machte Fehler, einmal rückte er im falschen Moment vor und riskierte so das 0:3. Rückte nach der Verletzung von Goretzka dann von der Innenverteidigerposition ins defensive Mittelfeld vor. Dort spielte er besser, vergab aber auch eine aussichtsreiche Torchance.

Leroy Sané

(Foto: Christof Stache/AFP)

Der einzige Spieler in der Startelf, der im August noch nicht den Champions-League-Sieg feierte. Duellierte sich also erstmals im Münchner Trikot mit zwei der besten Dribbler der Welt. Wurde von Mbappé einmal mit zwei Übersteigern ausgetanzt, was symptomatisch aussah, aber folgenlos blieb. Doch eine Revanche dafür gelang ihm trotz guter Ansätze nicht.

Thomas Müller

(Foto: Christof Stache/AFP)

Spielte im Finale zwar auch schon eine Hauptrolle, klar, ist seitdem aber noch wichtiger für die Bayern geworden, weil er noch besser spielt und noch lauter Kommandos ruft, jedenfalls gefühlt. Versuchte auch am Mittwoch viel, einmal sogar einen Fallrückzieher. Blutete, rannte, brüllte, traf per Kopf zum zwischenzeitlichen Ausgleich und verzweifelte an der Ineffektivität seiner Mannschaft. Er konnte natürlich nicht auch noch verteidigen.

Kingsley Coman

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Erzielte im Finale das Tor zum Titel, ist seitdem noch wichtiger für die Bayern, als er es vorher schon war, und trägt seinen Spitznamen "King" quasi mit historischer Begründung. Sein Auftritt am Mittwoch war allerdings nicht sehr königlich, verdribbelte sich und ließ Bälle verspringen, dass sogar Hansi Flick einmal vor Frust laut brüllte. Gab aber nicht auf und trug so auch seinen Teil zu am Ende 31 Münchner Torschüssen bei. Paris brauchte für drei Tore nur sechs.

Eric Maxim Choupo-Moting

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Für ihn war es gleich aus mehreren Gründen ein besonderes Spiel: Weil er in der Sturmspitze schon zum zweiten Mal hintereinander in einer außerordentlich wichtigen Partie den Weltfußballer Lewandowski in der Startelf ersetzen musste, und weil er im vergangenen Jahr im Finale noch für PSG auflief. Traf mit einem schönen Kopfball zum 1:2, aber hätte noch mindestens ein, eher zwei Tore mehr schießen können, wahrscheinlich müssen.

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