FC Bayern:Die verbotenen Träume des Carlo Ancelotti

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Carlo Ancelotti gewann in seiner Karriere die Champions League so oft wie eine nationale Meisterschaft. (Foto: dpa)

Der Bayern-Trainer würde lieber die Champions League als die Meisterschaft gewinnen. Bisher hatte in München die Schale oberste Priorität. Sein Satz bedeutet einen mittelschweren Bruch mit dem Brauchtum.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Der FC Bayern ist ein Verein, der mächtig stolz ist auf sein Brauchtum. Es gibt in diesem Klub also ein paar Eigenheiten, über die alle Menschen lachen würden, käme einer damit bei irgendeinem Klub außerhalb des Vereinsgeländes an der Säbener Straße an. Dazu gehört, dass sich der Trainer zum Einstand eine Lederhose schenken lassen muss. Dazu gehört, dass er sich auf dem Oktoberfest als trinkfest beweisen sollte. Dazu gehört, dass er München mindestens für die tollste Stadt der Welt zu halten hat. Das kann manchmal anstrengend sein, aber dass sie das konsequent durchhalten, auch darauf sind sie stolz in diesem stolzen Verein.

Carlo Ancelotti arbeitet nun seit einem knappen halben Jahr bei diesem FC Bayern, er hat sich brav über die Lederhose zum Einstand gefreut, er hat sich auf dem Oktoberfest als trinkfest (mehr als eine Maß) bewiesen, und er mag die Stadt München. Es wirkte so, als ob ihm das ganz leicht falle mit dem bajuwarischen Brauchtum. Dann redete er über die Titel, die es zu gewinnen gebe.

"Es ist mir immer lieber, die Champions League zu gewinnen als die nationale Meisterschaft", hat Carlo Ancelotti nun den spanischen Sportzeitungen AS und Marca gesagt, es ist ein Satz, der harmlos daherkommt. Und der dennoch einen mittelschweren Bruch mit dem Brauchtum des FC Bayern bedeutet.

Im Verein versuchen sie erst gar nicht, ihre Genugtuung darüber zu kaschieren, dass neben der Lederhose, der Zuneigung zur Stadt München und der angemessenen Etikette auf dem Oktoberfest in der jüngeren Vergangenheit auch der Gewinn der deutschen Meisterschaft zum Brauchtum des FC Bayern geworden ist. Vor der vergangenen Saison, der letzten unter Trainer Pep Guardiola, betonten sie alle, dass die Champions League schon reizvoll sei, aber die viel größere Herausforderung sei es, zum vierten Mal in Serie deutscher Meister zu werden. Entsprechend versöhnlich fiel dann am Ende auch das Saisonfazit aus (kein Champions-League-Titel, aber, viel wichtiger: Meister, zum vierten Mal in Serie!).

Ancelotti ist eher ein Champions-League- als ein Liga-Spezialist

Und nun schwärmt Ancelotti vom wichtigsten Titel Europas. Ausgerechnet vor den letzten beiden Ligaspielen des Jahres, dem am Sonntag (15.30 Uhr) in Darmstadt sowie dem am Mittwoch gegen Leipzig, dem wichtigsten Spiel der Hinrunde. Und ausgerechnet Ancelotti, der in seinen 20 Jahren als Fußballtrainer die Champions League genauso oft gewann wie eine nationale Meisterschaft, genauso oft also, wie Guardiola in drei Jahren deutscher Meister wurde - dreimal. Ancelotti ist also eher Champions-League- als Liga-Spezialist, und er weiß selbst, dass er mit seinen Träumen vom Champions-League-Titel etwas fast Verbotenes ausspricht: "Der Klub will die Bundesliga gewinnen, denn er weiß, dass die Champions League sehr kompliziert ist." Dennoch: Er wolle "wenigstens ins Finale" kommen.

Am Freitag sitzt Ancelotti in der Pressekonferenz vor dem Darmstadt-Spiel, in dem es nicht um den Gewinn der Champions League geht, in dem es darum geht, sich warm zu spielen fürs Spiel gegen Leipzig, in dem es allerdings auch nicht um den Gewinn der Champions League gehen wird. Als Profi, der er ist, gelingt es Ancelotti dennoch, die Partie aufzuwerten. "Alle Spiele", sagt er, "sind schwierig."

Für die nächsten Spiel gilt das zumindest insofern, als er länger auf Jérôme Boateng verzichten muss. Der Innenverteidiger muss nach einem unglücklichen Trainingssturz auf die Schulter operiert werden. Dass ein Eingriff notwendig ist, bestätigte der 28-Jährige am Freitag dem kicker mit den Worten: "Leider ja". Immerhin kehrt Mats Hummels zurück, der zuletzt aufgrund eines Magen-Darm-Infekts ausgefallen war. Einsatzbereit sind zudem Franck Ribéry und Arjen Robben, die beide am Donnerstag im Teamtraining noch pausiert hatten. Und es gibt ja noch die Allzweckwaffe Rafinha, 31, dessen Vertrag der Verein dank einer Allzweckklausel am Freitag bis 2018 verlängert hat. Es läuft ganz angenehm für Ancelotti, "sehr gut trainiert" habe sein Team, lobt er.

Dann sagt der Trainer einen Satz, der zeigt, wie schnell er das mit dem Brauchtum verstanden hat, wie leicht ihm das eigentlich fällt: "Wir sind an der Spitze der Liga, und wir wollen dort bleiben."

Dass er zuletzt lobend über die Stadt München gesprochen hat, versteht sich ja ohnehin von selbst.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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