München:Mahner von Eindhoven

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Der FC Bayern ist bereits jetzt fürs Achtelfinale qualifiziert. Arjen Robben findet dennoch Anlass zur Kritik.

Von Benedikt Warmbrunn, Eindhoven

Arjen Robben geht von außen in die Mitte, das ist ja der Laufweg, der ihn zu einem der gefürchtetsten Flügeldribbler der Fußballwelt hat werden lassen, von außen in die Mitte, an allen vorbei, und am Ende lacht Robben. So läuft das üblicherweise. Am Dienstagabend aber geht Robben von außen in die Mitte, sehr weit in die Mitte, aber es sieht nicht nach einem dieser gefürchteten Laufwege aus. Robben kommt in der Mitte an, geht weiter, er verliert an Tempo, er erreicht die andere Seite, er stapft nun, vor allem aber lacht er nicht. Am Ende hat Arjen Robben den Laufweg hinter sich, den er am meisten fürchtet. Den auf die Bank.

Arjen Robben, 32, trägt seine Gedanken stets auf der Stirn, es ist nicht schwer, auf dieser zu lesen. Bei guter Laune wellt sich die Stirn, sie ist in ständiger Bewegung, wirkt fast ausgelassen. Bei schlechter Laune schiebt sich die Muskulatur der beiden Augenbrauen so stark aufeinander zu, dass eine Schlucht von bedenklicher Tiefe entsteht. Am Dienstagabend in Eindhoven verlässt Robben das Spielfeld mit einer der tiefsten Schluchten seiner Karriere.

Früher hätte Sportchef Sammer düstere Sätze gesprochen. In Eindhoven übernahm das Robben

1:1 steht es in der Champions-League-Partie des FC Bayern bei der PSV Eindhoven, es läuft die 64. Minute, es bleiben also noch genug Minuten, um in die Mitte zu dribbeln, zu schießen, zu treffen, der gefeierte Mann des Abends zu werden. Diese Aussicht wird Robben nun genommen, bei seiner Rückkehr, dem ersten Vereinsspiel in den Niederlanden, nachdem er sein Heimatland verlassen hat, seit mehr als zwölf Jahren also. Und dann auch noch in Eindhoven, wo er sich empfahl für diese Karriere als Ausnahmedribbler. Robben klatscht Carlo Ancelotti ab, den Mann, der ihm den Abend miesgemacht hat mit dieser Auswechslung, ein Lächeln will ihm nicht gelingen. "Der Trainer", sagt Robben später, "denkt vielleicht an meine Gesundheit."

2:1 (1:1) hat der FC Bayern in Eindhoven gewonnen, er ist für das Achtelfinale qualifiziert, kann weiterhin Gruppenerster werden. Es war eine aufreibende Partie, mit einem Rückstand aus Abseitsposition heraus (Santiago Arias, 14.), mit einem nicht gegebenen Elfmeter, mit vielen vergebenen Chancen, die schon früh der Partie den Kitzel hätten nehmen können. Es war also ganz sicher keine Partie, in der Robben an seine Gesundheit gedacht hat. Und so sagt er später zu seiner Auswechslung: "Ich fand es schade. Ich war enttäuscht und auch ein bisschen sauer. Das Spiel ist einmalig für mich. Da willst du von der ersten bis zur letzten Minute auf dem Platz stehen." Das war der Teil von Robbens Kritik, den er schon auf der Stirn getragen hatte.

Der Sieg in Eindhoven war der fünfte des FC Bayern in Serie, die meisten Spieler sprachen versöhnlich über dieses 2:1. "Heute haben wir keine Phase gehabt, in der wir nachgelassen oder einen Gang runtergeschaltet haben", sagt Mats Hummels. Früher wäre direkt nach Hummels Matthias Sammer in das kalte Zelt für die Spieler-Journalisten-Gespräche gekommen, er hätte düstere Sätze gesprochen, und alle hätte es gefröstelt, zumindest diejenigen, denen das antizyklische Kalkül des damaligen Sportvorstands neu gewesen wäre. Aber seit diesem Sommer warnt Sammer ja nicht mehr.

Sammers Rolle übernahm in Eindhoven stattdessen ein Mann, der ebenfalls einen kahlen Mahnerkopf hat: Arjen Robben. "Es war schwierig, wir haben in der ersten Halbzeit ohne Überzeugung und zu langsam gespielt. Da kommt man nicht in die richtigen Situationen. Wir müssen das viel besser ausspielen." Dass kein Gang runtergeschaltet wurde? Für Robben war das keine Ausrede, für ihn war die Mannschaft ja bereits im ersten Gang unterwegs. "Es war kein gutes Spiel von uns. Fußballerisch müssen wir daraus lernen, weil wir immer noch die gleichen Fehler machen."

In diesen Wochen gleicht sich die Dramaturgie bei den Spielen des FC Bayern meist. Mal entscheidet Robben ein Spiel, so wie beim 4:1 im Hinspiel gegen Eindhoven. Mal sind es Robben und Robert Lewandowski, wie beim 3:1 am Samstag in Augsburg. Mal Lewandowski, wie nun beim Rückspiel, in dem er beide Tore erzielt (34., 73.). Der Pole weist in diesen Wochen, in denen er über einen verlängerten Vertrag verhandelt, eindrucksvoll nach, dass er zu den Spielern zählt, die nicht zu ersetzen sind.

Zu dieser Dramaturgie gehört allerdings auch, dass der FC Bayern stets anfällig für Konter ist. Das ist nicht neu, auch unter Pep Guardiola, Ancelottis Vorgänger, hatte die Mannschaft Phasen, in denen sie sich allzu leicht überrumpeln ließ. Dass diese Konter den FC Bayern nun durch den Herbst begleiten, das ist der Ausgangspunkt von Robbens Warnung. In dieser gibt ihm dann auch Hummels wieder recht. "Wir müssen uns noch in der Struktur, wie wir mit dem Ball stehen, verbessern. Wir laufen in einem super Tempo hinterher. Es geht darum, dass man schon in den richtigen Positionen steht, um die Konter zu vermeiden." Am Samstag erwartet der FC Bayern immerhin die TSG Hoffenheim, den Tabellendritten, der in der Bundesliga zuletzt fast immer in den richtigen Positionen stand. Es könnte ein Spiel werden, auf das Mahner genau achten werden.

Der Mahner von Eindhoven hat am Dienstag dann auch noch einen versöhnlichen Abschied. Lange nach dem Abpfiff geht Arjen Robben erneut auf das Spielfeld, er lässt sich feiern von Menschen, die ihn weiterhin bewundern, die ihm zeigen, dass sie ihn sicher nie, nie, nie auswechseln würden. Also feiert Robben eben noch mit den Fans der PSV Eindhoven.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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