FC Bayern:Wie der FC Bayern sich von der Konkurrenz wegrotiert

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  • Gegen den 1. FC Köln verändert Carlo Ancelotti die Startaufstellung des FC Bayern auf fünf Positionen.
  • Auch in der Hinrunde wechselte der Italiener viele Spieler, meistens verschlechterte sich aber die Leistung.
  • In wenigen Tagen könnten zudem erstmals seit langer Zeit alle Bayern-Spieler fit sein.

Von Christopher Gerards, Köln

In der 82. Minute war es endgültig zu spät. Der vierte Offizielle hielt an der Seitenlinie seine Anzeigetafel in die Luft, sie verkündete den dritten und letzten Wechsel des FC Bayern in diesem Spiel. Auf der Tafel leuchtete eine rote "29" auf, was bedeutete, dass Kingsley Coman ging. Daneben stand eine grüne "13", und das bedeutete nicht nur, dass Rafinha kam. Es hieß eben auch: Für Sven Ulreich, den Ersatztorwart der Bayern, war es jetzt endgültig zu spät. Er würde nun nicht sein erstes Ligaspiel der Saison machen, und im Nachhinein muss man das ausdrücklich bedauern. Denn gemessen an den 82 Minuten, die bis dahin vergangen waren, stand ja fest: Gespielt hätte Ulreich irgendwas zwischen ziemlich gut, überragend und gehobener Weltklasse.

Das 3:0 (1:0) des FC Bayern beim 1. FC Köln war einerseits ein vollkommen normales Fußballspiel, andererseits aber auch nicht. Die Bayern hatten wieder gewonnen, das war wie immer. Aber wie dieses Dreinull zustande kam - das war neu. Ein bisschen fühlte sich das Spiel an wie eines dieser Feste, das Kleinstädte feiern, um ihre Ehrenamtler zu würdigen, es war ein Tag für alle, deren Leistungen das Publikum gern mal vergisst. Nicht Robert Lewandowski, dafür Javi Martínez, Juan Bernat und, ja, auch Franck Ribéry: Das waren die Torschützen. Und der Sieg war noch ein bisschen weniger normal, weil Trainer Carlo Ancelotti eine Elf aufgestellt hatte, die so auch noch nicht oft zusammengespielt hat. Auf fünf Positionen hatte er durchgewechselt nach dem Pokalspiel gegen Schalke, aber letztlich war das wurscht. Es konnte spielen, wer wollte - einen guten Job haben irgendwie alle gemacht.

"Ja, wir treffen sonst nicht so oft, da freut es mich besonders" - diesen Satz hat Martínez hinterher gesagt, über sich und Bernat, und so ähnlich wird sich auch Ancelotti gefühlt haben. Er weiß jetzt sicher: Er kann seine Mannschaft radikal umbauen, größere Unfälle erleidet sie zumindest im Alltag trotzdem nicht. Im Zweifel gewinnen die Bayern halt nur 3:0 statt 8:0, aber Ancelotti ist pragmatisch genug, um damit klar zu kommen. RB Leipzig, noch immer als Verfolger geführt, hatte seinerseits zuvor nur 2:2 gegen Augsburg gespielt, was bedeutet: Der FC Bayern hat jetzt sieben Punkte Vorsprung. Das war die eigentlich Pointe des Spieltags: dass die Bayern anfangen, sich von der Konkurrenz wegzurotieren. Dass sie einerseits einfach ihre Spiele gewinnen. Und andererseits ihre Alonsos und Robbens schonen können fürs nächste Spiel in der Champions League, diesmal am Dienstag gegen den FC Arsenal.

Die Tradition des Bastelns, Schraubens und Bauens am Kader ist lang beim FC Bayern, sie reicht zurück in eine ferne Zeit, in der Ottmar Hitzfeld die Elf trainierte, später überführte Pep Guardiola das Format in die Postmoderne. Ancelotti hat auch schon in der Hinrunde munter gebastelt, geschraubt und gebaut, aber nicht immer lief das so locker wie in Köln. Eine listige Ankündigung hatte er deshalb vor dem Spiel gemacht: Womöglich habe das Team "nicht 100 Prozent Energie". Nach diesem Satz konnte er gar nicht mehr verlieren: Wenn die Bayern in alte Holper-Gepflogenheiten verfallen wären - mei, hätten die Leute gesagt, der Carlo hat's gewusst.

Aber nach dem lockeren 3:0 dürfen nun alle staunen, welche Qualitäten der Kader bietet und wie nonchalant Ancelotti ihn durchs Frühjahr manövriert. Ein fast metaphysisches Geraune hatte sich zuletzt entwickelt über die sogenannte "Ancelotti-Zeit", die jetzt komme. Und allmählich bekommt man ein Gefühl dafür, was das heißt. Man weiß jetzt: Eine kluge - und keineswegs selbstzweckhafte - Rotation, die gehört schon mal dazu. Zur Wahrheit gehört zwar auch, dass der FC Bayern vielleicht etwas weniger locker gewonnen hätte, wenn Manuel Neuer nach 18 Minuten nicht mal eben eine unwirklich Parade angebracht hätte, um einen Kopfball von Yuya Osako aus dem Winkel zu boxen. Aber Ribéry hatte durchaus recht, als er sagte: "Die Mannschaft funktioniert sehr gut im Moment." Und: "Wenn wir viele Titel gewinnen wollen, brauchen wir alle."

Jérôme Boateng könnte schon im nächsten Bundesligaspiel wieder im Kader stehen

Das Duell gegen Köln war so gesehen alles in einem: ein Bundesligaspiel, eine Minimierung von Risiken, ein Warmlaufen für die Champions League - und ein Muntermacher für alle Zu-kurz-Gekommenen. Bernat, 2017 erst zwei Mal von Anfang angetreten, bekam mal wieder ein ganzes Spiel geschenkt, dazu ein Tor und eine Vorlage; Rafinha durfte ran, Joshua Kimmich und auch der frisch genese Ribéry. Mats Hummels konnte derweil seine Gesäßzerrung aus dem Pokalspiel auskurieren.

Das ist übrigens eine weitere interessante Begleiterscheinung dieses Frühjahrs: dass der FC Bayern fast seinen ganzen Kader gesund und munter beisammen hat. Renato Sanches fehlt mit einer Erkältung, aber sonst? Verteidiger Boateng, lange mit Schulterproblemen ausgefallen, könnte schon gegen Frankfurt wieder auf der Bank sitzen. Es wird dann spannend zu sehen, wer künftig neben wem in der Abwehr spielt: Boateng, Hummels und/oder Martínez. "Dann haben wir einen Spieler mehr, den wir aufstellen können. Und einen mehr, der auf der Bank sitzen kann", sagte Ancelotti nur. Was so viel hieß wie: Er wird vermutlich einfach weiter rotieren.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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