FC Augsburg:Sonderbares im Sondertrikot

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Schick gescheitert: Arne Engels (links), Kevin Mbabu und die anderen Augsburger mühten sich im Retro-Gewand vergeblich. (Foto: Christian Kolbert/Kolbert-Press/Imago)

Der FCA hätte einen großen Schritt Richtung Europapokal machen können, verliert gegen Bremen aber 0:3. Trainer Jess Thorup stellt erfolglos auf Dreierkette um - und sucht nach Erklärungen.

Von Julian Sieler

Die Modezeitschrift Vogue verspricht für das Frühjahr die Rückkehr des "Retro-Chic". Trendbewusst lief der FC Augsburg im Heimspiel gegen Werder Bremen am Samstag in Traditionstrikots auf. Sie waren eine Hommage an die Saison 1973/1974. Vor 50 Jahren gewann die Mannschaft um den großen Helmut Haller die Meisterschaft in der Regionalliga, 23 000 Fans kamen im Schnitt ins Rosenaustadion.

Jeder Modezeitschrift wäre das Trikot eine euphorische Kritik wert: ein dezenter rot-grüner Streifen, ansonsten ganz in Weiß. Würde der FC Augsburg darin die Bälle so virtuos verteilen wie bei Wimbledon und die Vermählung mit dem Europapokal feiern? Jedwede träumerische Assoziation wurde von dem Augsburger Auftritt beiseite gewischt: Die Mannschaft verlor gegen Werder Bremen 0:3.

In der ausgeglichenen ersten Hälfte erzielten beide Teams ein Tor, beiden wurde es aberkannt. Dem vermeintlichen Augsburger Treffer war in den Augen von Schiedsrichter Tobias Welz ein Foul vorausgegangen. Auch der Bremer Torjubel verstummte nach einer Freistoßvariante rasch. Mehrere Spieler standen vor der Ausführung im Abseits, um so der Manndeckung zu entgehen. Sie vergaßen jedoch den entscheidenden zweiten Teil: sich im letzten Moment zurückbewegen.

Bremen zertrümmert die veränderte Architektur des FCA-Spiels wie mit einer Abrissbirne

In der zweiten Hälfte stellte Augsburgs Trainer Jess Thorup, der in seinem Anzug wie der Modeschöpfer des Augsburger Catwalks wirkte, auf eine Dreierkette um. Er wechselte Verteidiger Patric Pfeiffer für Mittelfeldspieler Arne Engels ein. Thorup erklärte, er wollte dadurch die Verteidigung in der letzten Linie stärken, auf die Bremen immer wieder zugelaufen war. Die Umstellung schwächte jedoch das Augsburger Mittelfeld und hatte zur Folge, dass Bremen dort die Kontrolle übernahm. "Das hat nicht geklappt", gestand der dänische Trainer ein.

Dies war der Wendepunkt der Partie. Bremen zertrümmerte in wenigen Minuten die veränderte Architektur des Augsburger Spiels wie mit einer Abrissbirne. Nach einem Freistoß erzielte Romano Schmid am zweiten Pfosten das Führungstor für Werder, Kevin Mbabu ließ ihn gewähren. "Ich wollte ihn eigentlich kurz bringen", verriet Vorlagengeber Marvin Ducksch. Wenig später setzte Felix Agu den Blinker und überholte Pfeiffer links. Frisch auf dem Feld, wendete der so schwerfällig wie ein SUV in der Innenstadt und brachte Agu zu Fall. "Wenn er die Flanken nicht reinbringt, dann holt er wenigstens den Elfmeter raus", sagte Ducksch, der diesen verwandelte.

Am zweiten Pfosten entwischt und trocken verwandelt: Werders Romano Schmid (rechts) mit dem 1:0 gegen FCA-Torwart Finn Dahmen. (Foto: Harry Langer/dpa)

Augsburg mühte sich im Anschluss vergeblich. Ein Spieler wie Helmut Haller fehlte schmerzlich. Von Augsburg aus startete er eine Weltkarriere, spielte bei den Weltmeisterschaften in Chile, England und Mexiko, schoss 1966 das 1:0 in Wembley und gewann in Bologna und Turin den Scudetto. Ihm hätten zumindest die Trikots gefallen: Nach der Karriere eröffnete Haller in seiner Heimatstadt eine Modeboutique. Olivier Deman erhöhte noch auf 3:0.

Ob dies der enttäuschendste Auftritt in seiner Amtszeit war, hatte Thorup noch zu bewerten. "Ja", sagte er nach einigen Sekunden Bedenkzeit: "Ich habe die Mannschaft gefragt: Was war heute los? Antworten habe ich im Moment nicht." Augsburg hätte in dem Rennen in Richtung Europa - eher 50-Kilometer-Gehen als 100-Meter-Lauf - einen großen Schritt zurücklegen können. Das Team präsentierte sich aber sonderbar lethargisch, als sei es mit dem Klassenverbleib vollkommen zufrieden.

Dortmund, Stuttgart und Leverkusen stehen noch an - "ich hoffe, es gibt noch neun Punkte", sagt Gouweleeuw

Da auch die Konkurrenz aus Frankfurt, Freiburg und Hoffenheim über ihre Hürden stolperte, bleiben weiterhin Chancen. Aktuell hat Augsburg 39 Punkte. Die 40-Punkte-Marke garantierte einst den Nicht-Abstieg, doch in dieser Saison wird nicht viel mehr nötig sein für die Conference League. In den verbleibenden Partien geht es jedoch gegen Dortmund, Stuttgart und Leverkusen. "Die meisten Spiele in dieser Saison haben gezeigt, dass wir gegen jeden Gegner etwas holen können", sagte Verteidiger Jeffrey Gouweleeuw: "Ich hoffe, es gibt noch neun Punkte."

Statt dem FCA durfte Werder Bremen ein Jubiläum mit einem Sieg krönen - und das ohne Sondertrikot: Für die Gäste war es das 1000. Auswärtsspiel in der Bundesliga. Auch sie hatten keinen Erfolg, als sie vor einigen Wochen aus Anlass des 125. Geburtstags ein Traditions-Outfit trugen. Nach der Niederlage wirkten die Augsburger Trikots nicht mehr elegant, sondern passend zum Auftritt eintönig und altmodisch. Ob der Trend des "Retro-Chic" dieses Spiel überlebt?

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