FC Augsburg:Lang leben die Eintagsfliegen

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Langlebige Eintagsfliegen: Halil Altintop (links) und Raul Bobadilla vom FC Augsburg. (Foto: dpa)

Dem FC Augsburg wurde ein schnelles Ende beschieden, als er im Sommer 2011 in die Bundesliga aufstieg. Doch der Provinzklub hat sich auf robuste Art behauptet. Bleibt die Frage, wie lange Trainer Weinzierl bleibt.

Ein Kommentar von Philipp Selldorf

Die Eintagsfliege genießt kein hohes Ansehen in Gottes Garten Eden. Unter anderem wird das im Jargon der sogenannten Börsianer deutlich. Sie sprechen von Eintagsfliegen, wenn sie über den tiefen Fall einer Aktie berichten, die gestern noch hochgesprungen ist.

Aber Börsianer beten bekanntlich die falschen Götzen an und wissen wenig über das wahre Leben, denn die Eintagsfliege ist besser als ihr Ruf. Ihre knappe Zeit hat sie dem wichtigsten Daseinszweck, der Fortpflanzung, gewidmet. Hochzeitsflug, Paarung und Eiablage bieten ihr einen erfüllten Lebensinhalt.

Manche Eintagsfliegen leben länger als eine Saison

Auch zur Geringschätzung der Eintagsfliegen in der Bundesliga besteht kein Grund. Stolze Vereine wie Preußen Münster oder kuriose Gebilde wie Fortuna Köln haben ihre Spuren hinterlassen; dem Kölner Präsidenten Jean Löring, der 1973 die Spieler zur Aufstiegsfeier in einem Doppeldecker aus dem Phantasialand Kamelle werfend durch die Stadt fahren ließ, soll endlich das Denkmal gesetzt werden, das er längst verdient hat. Tasmania Berlin hat seine Bestimmung gefunden, der Nachwelt als Symbol des vollständigen Scheiterns zu dienen.

Wie in der Insektenwelt leben auch im Fußball manche Eintagsfliegen länger als bloß eine Saison. Dem FC Augsburg haben die Kenner ein schnelles Ende vorhergesagt, als er im Sommer 2011 in die erste Liga aufstieg. Er galt als Provinzklub und als vergängliches Phänomen.

Ein Provinzklub ist der FCA immer noch, was es umso respektabler macht, dass er seine Zugehörigkeit zur ersten Liga nicht bloß verlängert, sondern konserviert hat. Sucht man seinen Platz in der Tabelle, findet man ihn in gehobener Position, während sich die großen Marken im Keller drängeln. Die Augsburger haben sich auf ihre robuste Art in die Liga hineingekämpft, längst haben sie begonnen, sich über den Kampf hinaus spielerisch zu verwirklichen. Sie besitzen inzwischen die Mittel, um teuer aufgerüstete Gegner wie den Hamburger SV zu besiegen.

Trend in der Bundesliga
:Ballungsraum Abstiegszone

Unterhalb des FC Bayern steuert die Liga auf eine kuriose Saison zu: Den Neunten trennen nur vier Punkte vom Siebzehnten. Niemand ist sicher: Wer heute aufatmet, dem kann morgen schon wieder der Atem stocken.

Ein Kommentar von Christof Kneer

Früher haben sich Klubs, die von einem festen Platz in der ersten Liga träumten, an Freiburg orientiert, das sich in seiner ökologischen Nische den Lebensraum geschaffen hat. Inzwischen spielt der SC seine 16. Bundesligasaison. Dann kam Mainz hinzu - dank strategischem Geschick nun im neunten Erstliga-Jahr. Und inzwischen darf auch Augsburg von sich sagen, eine Lösung zur Behauptung gefunden zu haben.

Typisch für diese Klubs sind nicht die Nationalspieler, die sie entwickelt oder gekauft haben, sondern ihre Trainer-Persönlichkeiten: Finke/Streich in Freiburg, Klopp/Tuchel in Mainz, Weinzierl in Augsburg. Wie lange das noch gut geht, weiß keiner. Aber der FCA sollte sich darauf einstellen, dass er demnächst ohne Weinzierl sein Überleben sichern muss.

© SZ vom 01.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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