Fall Uli Hoeneß:So ändern die neuen Millionen den Prozess

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Bayern-Präsident Uli Hoeneß (Zweiter von rechts) mit seinen Verteidigern - von links: Bernd Groß, Hanns W. Feigen und Markus Gotzens. (Foto: dpa)

Statt 3,5 sind es nun 27,2 Millionen - trotzdem kann das Gericht sein Urteil gegen Uli Hoeneß auf Grundlage der Anklage fällen. Relevant werden die neuen Millionen bei der Strafe. Man wird sie in Monate oder Jahre Gefängnis umrechnen müssen - sollte er verurteilt werden.

Von Wolfgang Janisch

Zuerst 3,5 Millionen, dann 18,5, schließlich 27,2: Die Explosion der Euro-Beträge, die Uli Hoeneß hinterzogen haben soll, erinnert an die sich überbietenden Schuldenstände aus den schlimmsten Zeiten der Euro-Krise. Für den Prozess vor dem Landgericht München II stellt sich damit die Frage: Sind die dramatischen Steigerungen der vergangenen Tage überhaupt noch von der ursprünglichen Anklage erfasst, die noch von einem Hinterziehungsbetrag von 3,5 Millionen Euro ausging? Oder muss schnell noch eine neue Anklage her - oder gar ein neuer Prozess?

Zwar sieht die Strafprozessordnung im Paragrafen 266 tatsächlich die Möglichkeit einer Nachtragsanklage vor. Allerdings nur dann, wenn die neuen Erkenntnisse aus der Verhandlung nicht bereits von den Vorwürfen in der ursprünglichen Anklageschrift umfasst sind. Entscheidend dafür ist nicht der Schadensbetrag, sondern die Frage, ob die Straftaten, um die es geht, bereits in der Anklage beschrieben sind. Wer sich die Anklage gegen den Bayern-Präsidenten anschaut, der muss feststellen: Der Staatsanwalt hat sämtliche Vorwürfe bereits zum Prozessauftakt verlesen - auch wenn sich binnen dreier Tage der berechnete Schaden vervielfacht hat.

Man kann das am Beispiel eines Diebes erklären, dem der Diebstahl eines Fernsehers vorgeworfen wird: Wenn er im Prozess einräumt, zusätzlich eine wertvolle Uhr von der Kommode mitgenommen zu haben, dann bleibt es bei der Anklage wegen Diebstahls. Hoeneß ist wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen angeklagt, weil er in den Jahren 2003 bis 2009 sieben falsche Einkommensteuererklärungen abgegeben hat. Die zusätzlichen Millionen, deren Hinterziehung er nun eingeräumt hat, stammen aus denselben Jahren und von denselben Konten, sie rührten aus den gleichen Geschäften her und betrafen dieselbe Steuerart. Eine Nachtragsanklage ist damit entbehrlich, das Landgericht kann - formal betrachtet - sein Urteil auf der Grundlage der unveränderten Anklage fällen. Ob es freilich sinnvoll ist, sich angesichts der gigantischen Summen mit einer derart schlanken Beweisaufnahme zu begnügen - das steht auf einem anderen Blatt.

Relevant werden die neuen Millionen bei der Strafzumessung. Mehr als bei anderen Delikten, bei denen die Umstände der Tat stärker ins Gewicht fallen können, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bei der Steuerhinterziehung in allererster Linie die Höhe des Schadens maßgeblich. Für den Fall Hoeneß bedeutet dies: Man wird die zusätzlichen Millionen voraussichtlich in Monate oder, wahrscheinlicher, in Jahre umrechnen müssen - Monate oder Jahre, die der Angeklagte, sollte er verurteilt werden, wenigstens teilweise im Gefängnis verbringen muss. Der "Strafrahmen", die Ober- und Untergrenze der möglichen Haftstrafen, illustriert, wie ernst die Lage für Hoeneß ist: Auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall steht Haft zwischen sechs Monaten und zehn Jahren - und dass es darauf hinauslaufen könnte, war bereits in der ursprünglichen, auf 3,5 Millionen Euro bezifferten Anklage erwähnt.

In seiner Grundsatzentscheidung vom Februar 2012 hat der BGH sogar einige Eckpunkte festgelegt. Der wichtigste davon: Bei einer Hinterziehungssumme jenseits der Grenze von einer Million Euro kommen die berühmten zwei Jahre auf Bewährung nur bei "Vorliegen besonders wichtiger Milderungsgründe" in Betracht. Zwar beteuerte der Steuerstrafsenat seinerzeit, es dürfe "keine schematische Rechtsprechung" geben, Ausnahmen von der Millionenregel müssen mithin immer möglich sein. Dass er aber mit einer Million wirklich eine Million meinte, daran ließ er keinen Zweifel: Der angeklagte Geschäftsführer einer Firma für Medizingeräte hatte 1,1 Millionen Euro Steuern hinterzogen - der BGH hob seine Bewährungsstrafe auf.

Für Uli Hoeneß heißt dies: Bei 3,5 Millionen Euro hätten sich vielleicht noch "besonders wichtige Milderungsgründe" finden lassen, um die Strafe auf zwei Jahre zu drücken - das ist die Obergrenze, bis zu der eine Aussetzung zur Bewährung möglich ist. Bei schwindelerregenden 27 Millionen Euro wird selbst dem phantasiebegabtesten Richter kaum eine Rechtfertigung einfallen, mit der er einem Rekordhinterzieher die Gefängniszelle ersparen könnte.

Damit hängt das Schicksal des Uli Hoeneß an der Wirksamkeit der Selbstanzeige. Auch dazu hat der BGH ein Urteil gefällt, das war im Mai 2010, und auch dort zeigte sich, dass das oberste deutsche Strafgericht beim Thema Steuern inzwischen eine harte Linie fährt. Es gilt das Prinzip "reiner Tisch": Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige "tritt erst dann ein, wenn die Angaben insgesamt richtig sind". Sein Anwalt Hanns Feigen geht davon aus, dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Das Landgericht scheint daran zu zweifeln - immerhin hat es die Anklage ja zugelassen.

© SZ vom 13.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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