Fahnenträgerin bei Olympia:Pechstein wäre eine fragwürdige Kandidatin

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Claudia Pechstein (Archivbild von 2016). (Foto: AP)

Claudia Pechstein als Fahnenträgerin bei Olympia? Der DOSB sollte sich überlegen, ob er dieses Bild um die Welt schicken will. Denn Pechstein ist eine Athletin, die vor allem auf sich selbst schaut.

Kommentar von René Hofmann

Dass die Diskussion kommen würde, war abzusehen. Vorangetrieben hat sie nun der Bezirksvorstand Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Er fordert: Claudia Pechstein soll bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele am 9. Februar in Pyeongchang die deutsche Fahne tragen! Pechstein gehört seit 1993 der Bundespolizei an, die - wie die Bundeswehr - ein Programm zur Sportförderung unterhält. Jörg Radek, der GdP-Vorsitzende in der Bundespolizei, ist der Meinung: "Pechstein steht in vieler Hinsicht auch dafür, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren und niemals aufzugeben. Das ist auch den jungen Sportlerinnen und Sportlern gegenüber vorbildlich und eine wichtige Einstellung für den Sport und das weitere Leben."

Wer die Fahne ins Stadion trägt, entscheidet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Bei den Sommerspielen 2016 in Rio nominierte er kurz vor Spielestart fünf Kandidaten, befragte die Öffentlichkeit und ließ dann den Tischtennis-Profi Timo Boll vorausmarschieren. In Südkorea ist ein ähnliches Prozedere geplant.

Vor einem großen Publikum stünde sie als nimmermüde Kämpferin da

Dass Pechstein Hoffnungen hegen darf, die Hand an die Flagge zu bekommen, dafür hat DOSB-Präsident Alfons Hörmann gesorgt. Als Pechstein im November in Stavanger das Weltcup-Rennen über 5000 Meter gewann, meinte er, es sei "schlichtweg unglaublich", wie sie die besonderen Belastungen der vergangenen Jahre verarbeitet und sich neue Erfolge in "historischem Ausmaß erarbeitet" habe. Hörmann: "Dass sie damit zum Kreis der potenziellen Fahnenträger gehört, ist klar."

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Die Athletin holt sich in Stavanger den ersten Platz über 5000 Meter. Sie selbst sagt: "Ich habe hier Eisschnelllauf-Geschichte geschrieben."

Pechstein wird im Februar 46 Jahre alt. Die Spiele in Pyeongchang sind die siebten, an denen sie teilnimmt. Das Sportfest 2010 in Vancouver hatte sie verpasst, weil der internationale Eislaufverband ISU sie wegen auffälliger Blutwerte für zwei Jahre gesperrt hatte. Gegen diese Sanktion wehrt Pechstein sich bis heute juristisch. Dürfte sie als Anführerin der deutschen Auswahl auftreten, wäre das für sie ein enormer Erfolg: Vor einem großen Publikum stünde sie tatsächlich als nimmermüde Kämpferin dar.

Der DOSB sollte allerdings gründlich überlegen, ob er dieses Bild um die Welt schicken will. Im grellen Scheinwerferlicht gehen Schattierungen verloren. Und derlei gibt es in der Geschichte der bekannten Sportlerin eben auch einige. Als die Dopinganwürfe aufkamen, setzte sie zunächst auf eine "Notlüge" (O-Ton Pechstein), eine erfundene Erkältung, um ihre überstürzte Abreise vom Wettkampf zu erklären. Und das war nicht der einzige Vorgang, der Fragen aufwarf. Generell zementierten die vergangenen Jahre den Eindruck, den Pechstein in ihrer Karriere zuvor auch schon häufiger vermittelt hatte: Dass da eine bei jeder Gelegenheit vor allem auf sich selbst schaut. Eine Versöhnerin ist die Ost-Berlinerin nie gewesen. Auch im Athletenkreis gilt sie als Reizfigur. Sie wäre eine äußerst fragwürdige Fahnenträgerin.

Dass es so kommt, darf auch aus einem anderen Grund angezweifelt werden. Am Tag nach der Eröffnungsfeier findet im Eis-Oval das 3000-Meter-Rennen statt. Mit Verweis darauf könnte Pechstein die Fahnenträgerrolle elegant absagen. Allein, dass die Diskussion nun aber rollt, dürfte ihr gefallen.

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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