Ilkay Gündogan bei Manchester City:Guardiolas erster Repräsentant

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Die Arme hoch! Ilkay Gündogan schießt Manchester City zum Sieg im FA Cup. (Foto: Adam Davy/PA/Imago)

Ilkay Gündogan schießt Manchester City mit zwei Volleytoren zum Sieg im FA Cup. Sein Trainer Pep Guardiola ist zu Tränen gerührt, doch Gündogan bleibt beherrscht - er hat noch ein großes Ziel.

Von Sven Haist, London

Angesichts der mittlerweile enormen Bedeutung von Ilkay Gündogan für Manchester City ist es heute kaum mehr vorstellbar, dass er bei seiner Verpflichtung im Sommer 2016 in England nur als ein weiterer Mittelfeldspieler des Vereins betrachtet wurde. Trainer Pep Guardiola verlangt Spielkontrolle, und Gündogan sollte diese mit seiner Ballgewandtheit auf den Platz bringen. Seit seinem Wechsel hat sich der DFB-Nationalspieler vom zuverlässigen Passspieler zum ersten Repräsentanten von Guardiolas Spielkultur entwickelt. Über die Jahre setzte Guardiola seinen Ballverteiler im Ballbesitz vermehrt als Offensivspieler ein - und Gündogan bestätigte den Zug des Trainers mit Toren.

Gündogans Entwicklung ist aber nicht auf eine größere Torausbeute begrenzt: Er ist Kapitän der Mannschaft, und die Fans sehen ihn seit seinen beiden Toren im Meisterschaftsfinale der Vorsaison als Vereinslegende. Im ersten englischen Pokalfinale zwischen beiden Manchester-Teams, City und United, kam am Samstag eine weitere ehrenvolle Bezeichnung für ihn hinzu: Gündogan ist jetzt auch Matchwinner in Pokal-Endspielen.

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Gündogan, 32, entschied das Duell der Stadtrivalen im Alleingang, das kann man ohne große Übertreibung sagen. Er schoss zwei Volleytore, die so präzise erschienen, als hätte Guardiola sie am Reißbrett erdacht. Einmal traf Gündogan mit rechts, einmal mit links. Und fast wäre ihm ein drittes Tor gelungen, er stand aber knapp im Abseits. Die Stadionregie rief ihn bereits unter dem Applaus der City-Fans in dem mit 83 179 Zuschauern besetzten Wembley-Stadion "zum Mann des Spiels" aus, obwohl die Begegnung zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht abgepfiffen war. Aber dass in der Restspielzeit ein anderer Profi mit noch besseren Treffern aufwarten würde, war kaum vorstellbar.

Gündogan trifft, bevor Alex Ferguson sitzt

Beim Siegtor zum 2:1 (1:1) für City wuchtete Gündogan in der 51. Minute eine Freistoßflanke des Mitspielers Kevin De Bruyne per Vollspann-Aufsetzer ins Tornetz. Derart kunstvoll, dass der Ball trotz eines voll besetzten Strafraums nicht mehr abgeblockt werden konnte. Damit setzte der City-Kapitän den Schlusspunkt in einem Spiel, das er auch eröffnet hatte.

Schon nach zwölf Sekunden hatte Gündogan das früheste Tor in der Geschichte aller FA-Cup-Finals erzielt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Vereins-Legenden Sir Alex Ferguson (United) und Mike Summerbee (City), die den Pokal gemeinsam ins Wembley getragen hatten, noch nicht mal ihre Plätze auf der Ehrentribüne eingenommen. Den Angriff zum 1:0 hatte Gündogan selbst eingeleitet, was zu seiner seit Wochen blendenden Form passte. Am Mittelkreis jonglierte er kurz den Ball und führte dann den Anstoß mit einem Flachpass zu Stefan Ortega aus. Der Torhüter, der in nationalen Pokalwettbewerben den Vorzug vor Stammkeeper Ederson erhält, stoppte den Ball, schlug ihn zu Mittelstürmer Erling Haaland, der ihn in den Lauf von De Bruyne legte. Von dessen Schulter sprang die verunglückte Kopfballabwehr des United-Verteidigers Victor Lindelöf vor die Füße von Gündogan. Er hielt drauf - und traf. Zwischenzeitlich verwandelte United-Spielführer Bruno Fernandes einen Handelfmeter zum Ausgleich (33. Minute), das 152. Endspiel des ältesten Pokalwettbewerbs ist nun das erste, in dem beide Kapitäne trafen.

Macht seinen Trainer glücklich: Ilkay Gündogan in den Armen von Trainer Pep Guardiola. (Foto: Kieran McManus/Shutterstock/Imago)

Nach dem Abpfiff hielt es fast keinen City-Spieler mehr auf den Beinen. Fast alle ließen sich vor Freude auf den Rasen fallen. Nur Gündogan gehörte zu den wenigen Profis, die standhaft blieben - bis ihn später die Mitspieler auf Händen durchs Wembley trugen, in dem er 2013 seine vermeintlich größte Niederlage kassiert hatte. Damals unterlag er im Finale der Champions League mit Borussia Dortmund dem FC Bayern mit 1:2 (zwischenzeitlich hatte er den Elfmeter-Ausgleich erzielt). Der Henkelpokal der Königsklasse scheint ihn seitdem mehr als jede andere Trophäe anzutreiben - und war vermutlich der Grund, weshalb der Pokalsieg bei ihm offensichtlich mehr Erleichterung als Ekstase auslöste. Beinahe routiniert nahm er den Pokal bei der Siegerehrung entgegen. Anders als Trainer Guardiola, den der Erfolg zu Tränen rührte.

Wo er in der kommenden Saison spielt? Noch sei "nichts entschieden", sagt Gündogan

Wegen der fünften Premier-League-Meisterschaft in sechs Jahren und dem frischen Pokalsieg sieht es jetzt tatsächlich so aus, als würde City dem Stadtrivalen United immer näher rücken - wie die City-Fans das zu Spielbeginn euphorisch auf einem Plakat verkündet hatten: "We are the boys in blue - coming after you ..." Die Referenz war eine Anspielung auf Uniteds einmaliges Titel-Triple 1999, bestehend aus dem Ligatitel, dem FA Cup und der Champions League. Einen solchen Coup kann Manchester City in einer Woche nachstellen, sollte zum Saisonabschluss auch Inter Mailand im Finale der Königsklasse besiegt werden.

Die bisherigen Erfolge würden sich "unglaublich" anfühlen, sagte Gündogan nach dem FA-Cup-Finale. In der zweiten Halbzeit habe sein Team "außergewöhnlich" gespielt. Nur zur Frage nach seinem zum Saisonende auslaufenden Vertrag in Manchester zeigte er sich weniger auskunftsfreudig. Noch sei nichts entschieden, betonte er. Man werde sehen, was passiere. Vermutlich hängt die Entscheidung auch davon ab, ob er sich den Traum vom Henkelpokal erfüllen kann.

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