Ex-DFB-Service-Mann Manni Drexler im Gespräch:"Der Kreisligist tickt genauso wie der Nationalspieler"

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In 348 Länderspielen hat er sich um Trikots, Hosen, Stutzen und Schuhe der deutschen Nationalspieler gekümmert. Gegen Färöer schaute Manni Drexler zum ersten Mal seit 26 jahren wieder vom heimischen Sofa aus zu. Ein Gespräch über die Materialnöte der Fußballer, Kabinenfeiern und den Wert getragener Trikots.

Interview: Matthias Mederer

Wenn einem deutschen Nationalspieler mal der Schuh drückte, dann ging er zu ihm: 26 Jahre war Manni Drexler Service-Mann beim DFB und für Trikots, Hosen, Stutzen und eben die Schuhe zuständig. Er hat keines von 348 Länderspielen in dieser Zeit verpasst. Insgesamt 14 Welt- und Europameisterschaftsturniere hat er aus der Kabine hautnah miterlebt und dabei so manche Tragödie gerade noch abwenden können. Den Auftakt zur WM-Qualifikation gegen Färöer schaute er sich zum ersten Mal seit langem wieder zu Hause auf der Couch an.

Nach 348 Länderspielen ist Schluss. Der einstige DFB-Service-Mann Manni Drexler schaut sich ab sofort die Spiele der Nationalmannschaft am TV an. (Foto: imago sportfotodienst)

SZ.de: Herr Drexler, haben Sie für das Spiel heute Abend schon alles vorbereitet?

Manni Drexler: Ja, es liegt alles bereit: Adiletten und Fernbedienung. Und wenn mein Enkel (sechs Jahre, Anm. d. Red.) heute durchhält, dann schauen wir das Spiel gemeinsam an.

Normalerweise waren sie in den Stunden vor einem Spiel damit beschäftigt, all das Equipment für die Mannschaft bereit zu stellen, und jetzt sitzen Sie gemütlich auf dem Sofa. Ist das nicht verwirrend?

Zugegeben, ein wenig ungewohnt ist es schon. Ganz ablegen kann ich die Nervosität nicht, und das geht schon die ganze Woche so. Ich habe auch schon beim DFB angerufen und viel Glück für das Spiel gewünscht.

Haben Sie bei der Gelegenheit auch gleich nachgefragt, ob die Mannschaft klarkommt ohne Sie?

(lacht) Die kommen schon klar. Jeder ist doch ersetzbar.

Als Sie beim DFB begannen, hieß der Teamchef noch Franz Beckenbauer. Ihr erstes großes Turnier war die WM in Mexiko, 1986. Was hat sich seitdem verändert?

Vor allem das Drumherum. Früher kümmerten sich bei einem Spiel zehn Mann um die Mannschaft, heute sind das 26. Wir wissen heute einfach viel mehr und deshalb benötigen wir auch mehr Personal, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Heute reisen zum Beispiel drei bis vier Physiobetreuer mit, die sich um die Gesundheit der Spieler kümmern.

Der größte Erfolg in Ihrer Zeit war der Welttitel 1990 in Italien. Dabei wäre es beinahe an einem Schuh gescheitert.

Das ist richtig. Lothar Matthäus kam in der Halbzeit mit seinem Schuh zu mir. Ein Stollen war ihm abgebrochen, ich sagte ihm, dass der Schuh nicht mehr zu richten sei. Dann bin ich zur Kiste mit den Ersatzschuhen gegangen. Normalerweise hatten wir von jeder Größe ein Paar als Ersatz dabei, aber im WM-Finale gehst du da schon mit einem flauen Gefühl zu dieser Kiste; doch es war ein passendes Paar dabei.

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Allerdings nicht ganz. Den entscheidenden Elfmeter überließ Matthäus Andreas Brehme. Später gab er an, dass er sich in den neuen Tretern nicht sicher genug fühlte. Wie haben Sie die Szene erlebt?

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Ich kann mich an diese Szene noch sehr genau erinnern: Sofort nach dem Elfmeter-Pfiff kehrte Lothar dem Punkt den Rücken zu. Andy Brehme hat das erkannt und sprintete nach vorne. Er wusste, wenn er den reinmacht, kann er sich ein Leben lang hauptberuflich Weltmeister nennen.

Der zweite Titel war der EM-Erfolg 1996 in England. Seit dem Sommermärchen weiß das ganze Land, wie es nach einem Spiel in der Kabine der Nationalmannschaft zugeht, nur sehr wenige wissen allerdings, was nach dem Gewinn eines Titels los ist. Wie feiert die Nationalmannschaft einen Titel?

Da gibt es im Grunde keine Unterschiede zu anderen Mannschaften. Fußballspieler sind überall gleich. Der Kreisligist tickt genauso wie der Nationalspieler. Da ist es egal, ob es um den Aufstieg in die Bezirksliga geht, oder eben um den WM-Titel. Da wird einfach gefeiert, freilich auch mit viel Bier.

Das begehrteste Erinnerungsstück nach einem Spiel ist das Trikot. Fans bezahlen hunderte, teilweise über tausend Euro im Internet für original getragene Shirts. Durch ihre Hände gingen sie alle. Wie viele dieser begehrten Hemden habe Sie eigentlich zuhause?

Nicht mehr so viele. Ich habe vor einigen Jahren mal viele Trikots abgegeben für eine Wohltätigkeitsgala bei meinem Heimatverein (Drexler trainiert den Bezirksligisten TSV Winkelhaid, Anm. d. Red.) Die Spieler haben für eine Partie zwei Trikots zur Verfügung, eines tauschen sie häufig nach dem Spiel, eines behalten sie für sich. Hin und wieder bekommen dann aber auch der Service-Mann, die Betreuer oder der Busfahrer eines geschenkt. Bei der EM habe ich die Trikots von Lahm, Klose und Podolski bekommen. Mit diesen Spielern habe ich auch am längsten zusammengearbeitet.

Gibt es ein spezielles Trikot, das Ihnen sehr viel bedeutet?

Nein, das gibt es eigentlich nicht. Und die Trikots liegen ja auch alle im Schrank im Keller, da sieht man sie nicht. Viel bedeutender als Erinnerungsstück sind für mich die beiden Kopien des WM-Pokals von 1990 und des EM-Pokals von 1996. Die stehen bei mir im Büro, und da sehe ich sie jeden Tag.

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