Erste Frau aus Saudi-Arabien bei Olympia:Die Sache mit dem Hidschab vergessen

Lesezeit: 4 min

Auch der Internationale Judo-Verband (IJF) war in einem offiziellen Statement entsprechend stolz, dass diese historische Lücke mit dem Start von Shaherkani nun geschlossen werden würde. Der IJF habe in den vergangenen Jahren demonstriert, "dass die Gleichheit der Geschlechter nicht nur aus Worten besteht" und dass es im Judo keinen Unterschied gebe zwischen dem Wettbewerb der Frauen und dem der Männer.

Erste Frau aus Saudi-Arabien bei Olympia: Sarah Attar (li.) und Wojdan Shaherkani sind die ersten Frauen, die für Saudi-Arabien an den Olympischen Spielen teilnehmen.

Sarah Attar (li.) und Wojdan Shaherkani sind die ersten Frauen, die für Saudi-Arabien an den Olympischen Spielen teilnehmen.

(Foto: AP)

Da hatte sich offenbar weder das IOC noch der IJF Gedanken gemacht, wie die Angelegenheit mit dem Hidschab gelöst werden könnte.

Es gibt andere muslimische Sportlerinnen, die in London mit einem Hidschab antreten, die Schützin Bahya Mansour Al-Hamad aus Qatar etwa oder die Tischtennisspielerin Neda Shahsavari und die Einer-Ruderin Soulmaz Abbasiazad, die beide für Iran starten. Auch Saudi-Arabiens zweite Athletin bei Olympia, die 800-Meter-Läuferin Sarah Attar, wird ihren Wettkampf im Leichtathletik-Stadion mit einem Kopftuch und in langen Hosen bestreiten, um die Gesetze ihres Landes und die Gebote ihrer Religion nicht zu verletzen.

Bei einer Kampfsportart wie Judo aber ist eine fixierte Kopfbedeckung nicht länger nur eine Frage von Religiosität, sondern des Verletzungsrisikos. Und plötzlich stand Shaherkanis Start in Frage.

Kopftuch ab? Auf keinen Fall!

Noch einen Tag vor der Eröffnungsfeier in London bekräftigte der IJF-Präsident, der Österreicher Marius Vizer, dass Shaherkani wie alle anderen Athletinnen ohne Kopftuch antreten werde: "Sie kämpft gemäß den Prinzipien und des Geistes des Judosports, also ohne den Hidschab." Schließlich sei das Ganze "zuallererst eine Frage der Sicherheit", sagte IOC-Sprecher Mark Adams, bevor sich die Verbände übers Wochenende zur Beratung zurückzogen.

Weder die Athletin noch ihre Familie geschweige denn ihr Land wollten auf den Schleier verzichten. Man kann diese rigorose Haltung diskutieren, Fakt aber ist: In Saudi-Arabien werden Frauen, die ohne Hidschab anzutreffen sind, bestraft. Und so sagte Shaherkanis Vater in alle Mikrofone, dass seine Tochter niemals ohne Hidschab antreten werde. Wojdan Shaherkani kann kein Englisch, bei Fragen an sie antwortet bislang immer ihr Vater.

Auf der arabischen Halbinsel selbst wurden Shaherkani und Attar derweil mit wüsten Beschimpfungen überzogen. Schon die Tatsache, dass die beiden Sportlerinnen bei der Eröffnungsfeier gemeinsam mit den Männern der saudischen Mannschaft ins Stadion einzogen, wo sie jeder sehen kann, wurde von öffentlichen Kommentatoren und in Internetforen als Schande bezeichnet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema