EM-Triumph der U19-Mannschaft:Ein Titel, der bleibt - aber keine Karriere garantiert

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Hany Mukhtar erzielt das einzige Tor im U19-EM-Finale. (Foto: AFP)

Der schönste Abend seiner Karriere: Der 19-jährige Hany Mukhtar erzielt für den DFB das Siegtor im U19-EM-Finale. Was die Zukunft für ihn und die anderen Europameister bringt, ist trotzdem ungewiss - und hängt von vielen Faktoren ab.

Von Lisa Sonnabend

Der Pass segelte in den Strafraum, direkt vor den Körper von Hany Mukthar. Der 19 Jahre alte Berliner zog das rechte Bein hoch, schraubte seinen Körper in Position und wuchtete den Ball mit dem Knie ins Tor. Unorthodox wie Thomas Müller, abgebrüht wie Miroslav Klose, ein Treffer fast so bedeutend wie der von Mario Götze beim WM-Finale in Rio.

Das Tor in der 39. Minute blieb das einzige im Endspiel gegen Portugal. Dank Mukthar holten die deutschen U19-Spieler am Donnerstagabend in Budapest den EM-Titel. Nach der Partie sagte der Torschütze: "Die Mannschaft hat den Titel geholt, und ich habe meinen Teil dazu beigetragen."

Mukthar knuffte seine Mitspieler in die Seite, er umarmte Betreuer, das Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht, die Augen strahlten. Als Kapitän Niklas Stark den Pokal in die Höhe reckte, während goldenes Konfetti vom Budapester Stadiondach regnete, hatte Mukthar Tränen in den Augen. Vor fünf Jahren war er noch Balljunge im Berliner Olympiastadion, nun hatte er soeben ein EM-Finale entschieden.

Mit sieben Jahren wurde Mukthar auf dem Fußballplatz beim FC Stern Marienfelde entdeckt, Hertha BSC engagierte ihn. Der 1,74 Meter kleine Mittelfeldspieler etablierte sich, er wurde Kapitän der Jugendmannschaft und gewann 2012 seinen ersten Titel: die B-Junioren-Meisterschaft. "Wegen meiner Größe musste ich mich in den Jugendmannschaften durchsetzen", sagte Mukthar einmal dem Berliner Kurier. "Das war nicht leicht." In der vergangenen Saison schaffte er den Aufstieg in die Bundesliga, auch wenn er zunächst nur als Ergänzungsspieler aushalf. Hertha-Trainer Jos Luhukay schickte ihn bei zehn Erstliga-Partien auf den Platz. Der 19-jährige wurde ein- oder ausgewechselt, nur beim 0:4 gegen Borussia Dortmund spielte er durch.

EM-Titel für DFB-Junioren
:Tänze, Küsse, Tränen

Der Sommer 2014 ist ein historischer für den deutschen Fußball: 18 Tage nach dem WM-Triumph gewinnen die Junioren-Nationalspieler das Finale der U19-EM. Das Tor des Abends erzielt Hany Mukhtar - gejubelt wird nach Schlusspfiff wie in Rio.

Von Ulrich Hartmann

Bei Hertha kämpft Mukthar derzeit noch um einen Stammplatz. Bei der U19-EM übte er diesen mit Leichtigkeit aus. Mukthar hat eine feine Technik, läuft schnell und behält meist den Überblick. Er präsentierte sich während des Turniers als einer der stärksten im Team von Marcus Sorg - neben Julian Brandt von Bayer Leverkusen, Davie Selke aus Bremen, Marc Stendera von Eintracht Frankfurt und Niklas Stark aus Nürnberg.

Zwar war auch im Finale zu sehen, dass das Niveau des U19-Turniers niedriger ist als in einem Bundesliga- oder Zweitligaspiel. Doch es fällt auf: Wird den jungen Fußballern Spielpraxis geboten, zeigen sie, was sie können. Sie tanzen Gegner aus, treten gefährliche Standards und präsentieren ein ansehnliches Konzept.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der das Finale von der Tribüne verfolgt hatte, sagte nach Spielende: "Die Jungs haben sich bei diesem Turnier toll präsentiert." Auch Bundestrainer Joachim Löw übermittelte lobende Worte: "Die EM hat gezeigt, dass sich der deutsche Fußball auf neue große Talente freuen kann." Und Nationalspieler Lukas Podolski twitterte: "Überragend, Jungs! Feiert schön!" Die Jungs setzten die Anweisung noch auf dem Spielfeld artig um.

Es war ein glücklicher Moment in der Karriere der U19-Spieler, deren Zukunft noch ungewiss ist. Es gibt keine Garantie, dass die Nachwuchs-Europameister mit einer Profikarriere belohnt werden. 2008 wurden die DFB-Junioren zuletzt Europameister. Ron-Robert Zieler, Lars und Sven Bender standen im Kader, sie sind Nationalspieler geworden. Aber auch Björn Kopplin, Richard Sukuta-Pasu oder Savio Nsereko waren damals große Verheißungen, durchsetzen konnten sie sich nie. Verletzungen, Pech oder Überforderung durch den Erfolg - die Gründe, warum eine Karriere ins Stocken gerät, sind vielfältig.

Auch Mukthar weiß noch nicht, wie es bei ihm weitergeht. Sein Vertrag in Berlin läuft noch ein Jahr. Trainer Luhukay will den 19-Jährige langfristig binden, er sagte: "Wir möchten ihn gerne halten." Doch Mukthar will Spielpraxis. Die Vertragsverhandlungen sind deswegen ins Stocken geraten. "Wir haben ihm bereits im Oktober einen Vertrag vorgelegt, den er bislang leider noch nicht unterschrieben hat", sagte Luhukay der dpa.

Nachwuchshoffnung Marc Stendera
:Mini-Götze aus Frankfurt

Kurze Wackler, gestreichelte Bälle, nur 1,71 Meter groß: Marc Stendera verknotet bei der U19-EM reihenweise europäischen Nachwuchskickern die Beine. Auch bei Eintracht Frankfurt haben sie große Pläne mit dem 18-jährigen Mittelfeld-Talent.

Von Jonas Beckenkamp

Auch den Teamkollegen fällt es - zumindest noch - schwer, sich in der Bundesliga zu etablieren. Niklas Stark hat sich bei Nürnberg durchgesetzt, sein Vertrag wurde vor wenigen Tagen vorzeitig verlängert. Doch er muss nun erst einmal zurück in die zweite Liga. Davie Selke, mit sechs Treffern Torschützenkönig der U19-EM, kommt gerade einmal auf drei Bundesliga-Einsätze für Werder. Und Marc Stendera, der das Spiel der U19 prägte wie kein anderer, soll in dieser Saison endlich einen Stammplatz in der ersten Mannschaft der Eintracht bekommen. Eine Garantie, ob das klappt, gibt es natürlich nicht.

Trainer Sorg sagte nach dem EM-Triumph seiner Mannschaft: "Diesen Titel haben die Jungs sich verdient und er bleibt ihnen für die Ewigkeit." Also auch, falls danach kein weiterer folgen sollte.

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