Eistanz bei Olympia:Pas de deux auf Kufen

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Lange vermisste Kunst: 20 Monate hatten Gabriella Papadakis und Guillaume Cizeron keine Wettkämpfe mehr bestritten. (Foto: Alexander Vilf /SNA/Imago)

Gabriella Papadakis und Guillaume Cizeron aus Frankreich sind stilgebend für den Eistanz und krönen ihr gemeinsames Schaffen mit Gold. Sie arbeiten nicht nur an Hebungen und Schrittfolgen - sondern auch an ihrer Kommunikation.

Von Barbara Klimke, Peking

Kür und Ehrenrunde waren vorbei, als die drei Tanzpaare in einem kargen Raum der Pekinger Eishalle vor der Weltpresse Platz nahmen, die Köpfe zusammensteckten und auf ihre Handys starrten. Wortlos zunächst. Auch bei den Medienvertretern war die Meldung auf den Displays aufgeblitzt: "Trotz Dopingfalls: Walijewa darf starten." Frage also an die olympischen Medaillengewinner aus Frankreich, aus Russland und den USA: Wie bewerteten sie den Umstand, dass die provisorische Sperre des 15-jährigen Eistalents, das mit einem verbotenen Herzmittel aufgeflogen war, just in diesem Moment aufgehoben war?

Schweigen in der Runde, während die Eistänzer offenbar ihre Gedanken ordneten. Schließlich beugte sich Nikita Kazalapow, 30, übers Mikrofon. "Very happy", sagte der Tänzer aus Moskau, der mit Partnerin Wiktoria Sinizina gerade Zweiter geworden war. Die Olympiasieger Gabriella Papadakis, 26, und Guillaume Cizeron, 27, aus Frankreich tauschten einen Blick: "No comment", teilten sie diplomatisch mit. Die Kollegen aus den USA, Madison Hubbell/Zachary Donohue, einigten sich ebenfalls darauf, nichts zur Sache beizutragen. Zurück zum Sport, die nächste Frage aus dem Auditorium betraf die Kostüme. "Da können Sie ja auch 'no comment' sagen", schlug der Moderator vor. Ein erlöstes Lachen bei den Tänzern auf dem Podium.

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2018 in Pyeongchang galten sie bereits als Favoriten - und wurden dann von Tessa Virtue/Scott Moir aus Kanada überholt

Im Moment des Triumphes keine Überlegungen an die Probleme anderer Leute verschwenden zu wollen, ist das gute Recht von Athleten, die im wichtigsten Moment der Karriere ihre Kräfte und Eindrücke bündeln wollen. Die US-Tänzer Hubbel und Donohue, beide über 30, nahmen am Montag Abschied von Olympia mit der ersehnten Bronzemedaille, ihre Schlussvorstellung ist bei den Weltmeisterschaften im März in Montpellier geplant. Das russische Duo gehört ebenfalls zu den gereiften Eisdarstellern.

Und Papadakis/Cizeron, die seit einem Jahrzehnt mit ihrer Präzision und Fantasie stilgebend für diese artistische Eislaufdisziplin sind, diese Zwischenform aus Sport und Kunst, krönten am Montag ihr gemeinsames Schaffen mit Gold. Es war an der Zeit, Bilanz zu ziehen, und wenn per Zufall ein Eislauf-Skandal einer anderen Sparte einen Schatten auf die Stunde warf, so war es nicht ihre Schuld.

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Die Eiskunstläuferin soll bei einer Anhörung angegeben haben, dass ein Mittel aus der Familie Schuld an ihrem Dopingbefund ist. Im Bob könnte es heute deutsches Gold geben.

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Seit fast 18 Jahren, daran erinnerte Guillaume Cizeron noch einmal, wirbeln sie im Gleichschritt über Glatteis, seit sie einander im Alter von neun Jahren kennenlernten beim Kindertraining in Clermont-Ferrand. Sie haben als Duo eine Perfektionsstufe erreicht, an die niemand annähernd herantanzen kann, nicht bei Tango oder Walzer, nicht beim lyrischen Hip Hop oder dem Waacking, einem Stil aus der Queer-Szene, den sie für ihr diesjähriges Kurzprogramm neu entdeckten. Ihre Gold-Kür liefen sie zur Elegie von Gabriel Faure wie einen Pas de deux auf Kufen.

So eine lange Partnerschaft, erzählt Cizeron, kann auch eine Schwäche sein - wenn das Besondere selbstverständlich wird

Viermal waren die kreativen Franzosen Weltmeister, den Punkteweltrekord haben sie fast 30 Mal gebrochen, was wiederum als Rekord in eigener Sache betrachtet werden darf. Nur Olympiagold fehlte noch in ihrer Sammlung; 2018 in Pyeongchang galten sie bereits als Favoriten und wurden dann von den Eis-Rückkehrern Tessa Virtue/Scott Moir aus Kanada überholt. Auch daraus zogen sie Motivation.

So eine lange Partnerschaft, erzählte Cizeron unlängst, kann allerdings auch eine Schwäche sein, wenn man beginnt, das Besondere als Selbstverständlichkeit zu betrachten, wenn man zu wissen glaubt, was der andere denkt, ohne nachzufragen. Und so hätten sie, so erstaunlich das klingen mag, nicht nur beständig an der Parallelität der Bewegungen, an Hebungen, Schrittfolgen und Twizzles gearbeitet, sondern immer auch an ihrer Kommunikation.

Zuletzt wurde ihre Kunst vermisst, weil sie sich rar machten während der Pandemie. 20 Monate bestritten sie keine Wettkämpfe, auch die Weltmeisterschaft im vorigen Jahr in Schweden ließen sie aus, wo die Russen Wiktoria Sinizina und Nikita Kazalapow vor Hubbel/Donohue den Thron übernahmen. Am Montagabend sind sie alle gemeinsam zur Siegerehrung für die Eistänzer auf der Medal Plaza gegangen. Und da war es wieder, das Thema, das sie nur ungern kommentieren. Die Medaillenvergabe für den Teamwettbewerb, bei dem die Russen vorne lagen, steht aus juristischen Gründen noch aus.

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