Eisschnelllauf bei Olympia:Blitzeis

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Auf dem Weg zum Weltrekord: Der Schwede Nils van der Poel am Freitag im 10 000-Meter-Rennen im National Speed Skating Oval von Peking. (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty)

Zwei mal Gold, ein Weltrekord: Der schwedische Eisschnellläufer Nils van der Poel hat in Peking die Langstrecken dominiert. Dem holländischen Verband, der die übrigen vier Goldmedaillen gewonnen hat, unterstellt er "Korruption".

Von Barbara Klimke, Peking

Nach sechs, spätestens sieben Runden geht es los: Die Beine beginnen zu brennen. Dann wird es schlimmer, Runde um Runde um Runde, immer allein gegen die Uhr: kein Windschatten, keine Entlastung, keine Erholung im weiten Oval. "Wir laufen die ganze Zeit im Laktatzustand", hat Patrick Beckert kürzlich berichtet, 25 Stadionrunden lang. Sein Fazit: "Die 10 000 Meter in Maximalgeschwindigkeit sind eine reine Qual."

Beckert, 31, erlebt in Peking seine vierten Olympischen Spiele, er ist Spezialist für die Langstrecke, Deutschlands bester Schlittschuhläufer auf der Durchhaltedistanz. Am Freitag wurde er Siebter in 13:01,23 Minuten, nachdem er in Peking über 5000 Meter zuvor auf Rang elf ins Ziel gekommen war. "Ein guter Lauf", fasste er das Leiden zusammen: "Noch schöner wäre es gewesen, wenn es unter 13 Minuten geblieben wäre."

Auch das war möglich in der Halle im Nordwesten des Pekinger Olympiageländes, wie kurz danach der Schwede Nils van der Poel, 25, unter Beweis stellte. Er raste fast jede der 25 Runden schneller als der deutsche Meister über die Bahn, zum Schluss mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, wie die Kameras in Nahaufnahme zeigten. Eine Quälerei? Die 10 000 Meter? Wieder das Lächeln: "Eisschnelllauf ist kein Leiden, beim Eisschnelllauf geht es darum, Härte mit einer Leichtigkeit zu ertragen." Das sei ein großer Unterschied, erläuterte er, und wenn man es schafft, beschere das "ein cooles, ein fantastisches Gefühl". Mit dieser asketischen Philosophie ist Nils van der Poel in Peking zum Weltrekord gekreiselt in 12:30,74 Minuten, obwohl in der neue Halle kein Renneis ausliegt wie in Heerenveen, wo er 2021 bereits den alten Weltrekord (12:32,95) aufgestellt hatte. Beraten ließ er sich unter anderem von Wolfgang Pichler aus Ruhpolding, der lange als Biathlon-Trainer in Schweden arbeitete.

Olympiasieger Nils Van Der Poel. (Foto: Sebastian Bozon/AFP)

Nils van der Poel, der sich schon über 5000 Meter zum Olympiasieger kürte, ist derzeit auf dem Oval nicht einzuholen, jedenfalls nicht unmotorisiert. Am nächsten kam ihm noch der Niederländer Patrick Roest in 12:44,59 Minuten, der "ganz zufrieden" mit Silber war, wie er sagte: "Mehr war da nicht zu machen."

Ohnehin sind Niederländer derzeit nicht gut zu sprechen auf den Konkurrenten aus dem hohen Norden, der seine Karriere zweimal unterbrochen hat, um neue Motivation beim Fallschirmspringen oder bei Ultraläufen zu finden. Nach den Winterspielen in Pyeongchang 2018 heuerte er beim Militär an und absolvierte eine einjährige Ausbildung beim Ranger Battalion in Arvidsjaur, darunter harte Wochen in Eis und Schnee. Und wer dem Frost trotzen kann, der nimmt es auch mit der Eisschnelllaufmacht Niederlande auf. Nils van der Poel hat dem holländischen Verband KNSB, der bis Freitag die anderen vier Goldmedaillen in den bis dato sechs olympischen Rennen von Peking gewonnen hat, vor einigen Tagen öffentlich "Korruption" unterstellt.

Der schnelle Schwede witterte Verrat, weil er in einem Online-Medium gelesen habe, dass holländische Eisexperten Einfluss auf den Eismeister in Peking, einen Kanadier, nähmen, um möglichst Bedingungen zu schaffen, die für das Team Oranje von Vorteil seien. Das sei verwerflich, erklärte er, und redete sich in Rage: Manipuliertes Eis sei der "größte Skandal im Eisschnelllaufen" und nicht weniger abscheulich als Doping. Am Freitag legte er noch einmal nach: Unter "Korruption" verstehe er ein Handeln, bei dem jemand für sich Fairplay reklamiere und dann das Gegenteil davon ausführe, sagte er. Der Begriff sei deshalb angemessen.

Die Reaktion des niederländischen Verband KNSB fiel gemäßigt aus. "Das sind große Worte", sagte der technische Direktor Remy de Wit zu den Anschuldigungen. Einen Einfluss auf die Eismeister könne er nicht erkennen, diese seien souverän in ihren Entscheidungen. Der Olympia-Zweite Patrick Roest wies darauf hin, dass längst nicht alle niederländischen Schlittschuhläufer harten Untergrund bevorzugten. Manche mögen lieber Soft-Eis.

Van der Poel hat nun eine offene Debatte über das Thema gefordert, die er nach den Spielen fortsetzen will. Aber was immer die Eismeister tiefgefroren haben in Pekings neuer Halle: Für den Schweden war es Blitzeis.

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