Eiskunstlauf:Goldkür ohne Zugabe

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Kür des Lebens: Aljona Savchenko und Bruno Massot beim Olympiasieg 2018 in Südkorea. (Foto: Paul Kitagaki/Zuma/imago)

Aljona Savchenko hat vergeblich gehofft - aber eine Fortsetzung der Paarlauf-Karriere mit Bruno Massot wird es nicht geben. Drei Jahre nach dem letzten Wettkampf orientieren sich die Olympiasieger neu.

Von Barbara Klimke

Einen Zehndollarschein, mehr hatte sie damals nicht in der Tasche. Aljona Savchenko war erst 18, als sie in Kiew ein Flugzeug stieg. Sogar ihre Schlittschuhe und ihr Wettkampfkleid ließ sie dem alten Eiskunstlaufverband zurück. Es war der Beginn einer Expedition, die von den mühevollen Anfängen in höchste Höhen führte: bis zum Olympiasieg in Pyeongchang, als sie, auf den Händen ihres Partners Bruno Massot durch die Luft wirbelnd, die Welt in ihrer Goldkür von ganz oben sah. Erst jetzt ist diese lange Reise offiziell zu Ende gegangen: Aljona Savchenko, mittlerweile 37, die beste Paarläuferin der Geschichte, hat erklärt, dass sie mit Massot nicht mehr aufs Eis zurückkehren wird.

Der Entschluss fiel ihr schwer, "ich kämpfe immer noch mit mir", schrieb sie in einem offenen Brief, den sie am Freitag ins Internet stellte. Denn sie liebe "das Adrenalin der Wettkämpfe", die täglichen Mühen, "das Gefühl, über die Grenzen hinaus zu gehen". Was den Lebensweg prägt, lässt sich nicht so leichtfertig ablegen wie ein altes Kostüm. Bis zuletzt hatte Aljona Savchenko deshalb vergeblich gehofft, ihren fünf Jahre jüngeren Eispartner Massot doch noch zu einem Comeback für die Winterspiele 2022 in Peking zu überreden, auch wenn die Aussichten, realistisch gesehen, minimal waren.

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Der letzte Wettkampf des Duos, die Weltmeisterschaft in Mailand 2018, liegt bereits drei Jahre zurück. Damals, nur fünf Wochen nach dem Olympiasieg, schlugen sie die Zuschauer mit ihrer Kür "La terre vue du ciel" ("Die Erde von oben gesehen") noch einmal in ihren Bann. Schon mitten im Programm begann der Beifall, die Preisrichter würdigten den Vortrag mit einer Weltrekordwertung. Danach küssten Savchenko und Massot das Eis. Es ist, wie man nun weiß, der Abschiedskuss gewesen. Es wird keine Zugabe geben. Sie liefen noch gemeinsam bei Shows, etwa Holiday on Ice, dann zog sich der gebürtige Franzose mit deutschem Pass als Trainer in die Schweiz zurück, um sich mit seiner Familie einen neuen Berufsweg aufzubauen.

Bereits im Olympiawinter 2018 hatte Massot unter Schmerzen in der Wirbelsäule gelitten, die Jahrzehnte der Belastung als Paarläufer gespürt, "die Gesundheit ist das wichtigste Gut", hatte der Trainer des Gold-Paares, Alexander König, besorgt gesagt. Die Aussichten auf eine Verlängerung der Karriere waren schon zu jenem Zeitpunkt vage.

Ein Ersatz für Massot ist in zehn Monaten bis Peking 2022 nicht zu finden

Auch Aljona Savchenko begann in Oberstdorf, wo sie mit ihrer Familie lebt, als Trainerin zu arbeiten. Sie hat im Winter die 16-jährige Aya Hatakawa auf dem Weg zur deutschen Meisterin begleitet und trotzdem noch "auf eine Fortsetzung der Karriere gehofft", wie sie jetzt bei Instagram schrieb, "aber leider fehlen ein paar Teile des Teams". Erst Massots jüngster Entschluss, von der Schweiz aus in seine Geburtsstadt Caen in der Normandie zurückzukehren, um dort für den französischen Verband ein Paarlaufzentrum aufzubauen, hat die Träume endgültig begraben. Erschwert wurde die Lage auch durch die Einschränkungen der Pandemie.

In vier Minuten die Welt verzaubert: Savchenko/Massot sinken nach dem Olympiasieg aufs Eis. (Foto: Jung Yeon-Je/AFP)

Dass Aljona Savchenko, die sechsmal Weltmeisterin war (fünfmal mit ihrem früheren Partner Robin Szolkowy, einmal mit Massot), die 23 Medaillen für die Deutsche Eislauf Union sammelte, noch immer mit ihrer quirligen Energie, ihrem eisernen Willen, ihrem perfektionistischen Drang die Eislauf-Konkurrenz in Schach halten könnte, ist kein abwegiger Gedanke. Sie hat schon kurz nach der Geburt ihrer Tochter wieder fröhlich Sprünge aufs Eis getupft. In ihrer langen Karriere stellte sie mehrmals unter Beweis, dass sie in der Lage ist, mit allem zu brechen und neu anzufangen, um ein Ziel zu verfolgen. Sie war Junioren-Weltmeisterin, als sie 18-jährig mit wenig Geld und großen Erwartungen nach Deutschland aufbrach, weil es in der Ukraine keinen Eis-Partner für sie gab, wie in der Savchenko-Biografie von Alexandra Ilina nachzulesen ist.

Jahre später, als sie mit 30 auf eine brillante, wenn auch komplizierte Partnerschaft mit Szolkowy in Chemnitz zurückblickte, setzte sie erneut alles auf eine Karte und wagte für den Traum von Olympiagold einen weiteren Anlauf mit Massot - Hunderte von harten Landungen auf spiegelglattem Eis inklusive. Nun jedoch gingen ihr die Optionen aus: Ein Ersatz für Massot ist in den zehn Monaten bis Peking 2022 nicht zu finden. Eine Weltklasse-Paarläuferin braucht einen Weltklasse-Partner. "Die Ära ist zuende gegangen", hat Alexander König am Wochenende gesagt.

Was den Trainer traurig stimmt, ist der Umstand, dass es der Deutschen Eislauf-Union und dem gesamten deutschen Sport nicht gelungen ist, "einen Platz für die beiden zu finden, auf dem sie nach der aktiven Karriere weiterwirken" können. Er fürchtet "einen Verlust unserer Kompetenz".

So wird von dem Duo Savchenko/Massot weiterhin das in Erinnerung bleiben, was ihm am 15. Februar 2018 in Südkorea mit dem Olympiasieg gelang, dem ersten Paarlaufgold für Deutschland nach 66 Jahren, als Ria und Paul Falk gewonnen hatten: die Verzauberung der olympischen Winterwelt in viereinhalb Kürminuten. "La terre vue du ciel" ist ein Kunstwerk des Sport, schon heute ein Klassiker, choreografiert vom britischen Tanz-Olympiasieger Christopher Dean. Alles in diesem Programm ist auf das Ende hin komponiert, auf den Höhepunkt, wenn Aljona Savchenko die Erde tatsächlich vom Himmel aus sieht: in den Würfen, in den Sprüngen; getragen von Massot in einer Reihe von schwerelos wirkenden Wirbeln und Manövern. Einem Millionenpublikum wurde vorgeführt, dass Eiskunstlauf, dieser Hochleistungssport, in seinen schönsten Momenten eine Seele haben kann. "Meine Kür des Lebens", hat Aljona Savchenko dieses Programm genannt. Aber, und auch das teilte sie nun mit der gewohnten Entschlossenheit mit: Es wird im Leben neue Herausforderungen geben.

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