Eishockey-WM in Deutschland:Rekord für 218 Tage

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Der Umbau der Schalker Arena für das Eröffnungsspiel ist teuer, bringt aber dringend nötige Werbung für die Eishockey-WM und einen Weltrekord - zumindest vorübergehend.

Ulrich Hartmann

Der Partenkirchner Franz Reindl ist nicht nur Generalsekretär des Deutschen Eishockey-Bundes, sondern auch ein früherer Eishockeyspieler. Deshalb weiß er ganz gut, wie sich die deutschen Nationalspieler fühlen werden, wenn sie am kommenden Freitag auf Schlittschuhen in den Innenraum der Schalker Arena staksen. Sie werden, wo sonst die Bundesliga-Fußballer dem Ball hinterherjagen, vor 76.152 Zuschauern Eishockey spielen und gegen die USA die Weltmeisterschaft eröffnen.

Umbau für den Weltrekord: Die Schalker Fußballarena wird zum Eishockeystadion. (Foto: Foto: dpa)

"Da wird's einem schon mulmig", prophezeit Reindl, während er von der Tribüne hoch droben in den im Umbau befindlichen Innenraum hinunter schaut. Er selbst zeigt allerdings keinerlei Angst, sondern vielmehr Freude, weil dieses Eröffnungsspiel in Gelsenkirchen-Buer "ein gigantisches Vehikel" ist, um jene 74. Weltmeisterschaft anzuschieben, von der laut einer Umfrage bislang 13,9 Prozent der Menschen in Deutschland Kenntnis besitzen. "Umfrage hin oder her", sagt Reindl, "wir wollen bei dieser WM auf 400.000 Zuschauer kommen, und der Zuspruch ist gut."

Unabhängig vom sportlichen und organisatorischen Erfolg beginnt die WM am Freitag also mit einem Weltrekord, denn so viele Zuschauer hat es bei einem Eishockeyspiel noch nicht gegeben. Das ist eine spektakuläre Angelegenheit für Gelsenkirchen und für das deutsche Eishockey, allerdings werden sie diesen Weltrekord kaum länger als 218 Tage behalten dürfen.

Michigan gegen Michigan

Dann wird im gewaltigen Footballstadion des US-Städtchens Ann Arbor im Bundesstaat Michigan wohl schon wieder ein neuer Weltrekord aufgestellt: Am 11. Dezember wird dort ein Freiluftduell zwischen den College-Teams der Michigan State Spartans und der University of Michigan ausgetragen. Die erste Auflage dieses Duells hatte am 6. Oktober 2001 im kleineren Stadion der benachbarten Stadt Lansing stattgefunden und hält bis heute den weltweiten Eishockey-Rekord von 74.554 Zuschauern.

Mehr als 105.000 Menschen sollen aber im kommenden Dezember im wenige Kilometer südöstlich gelegenen Ann Arbor zur Neuauflage ins deutlich größere Footballstadion kommen und den Weltrekord von Gelsenkirchen nur sieben Monate später schon wieder auf Platz zwei der Bestenliste verbannen.

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Von der absehbaren Vergänglichkeit ihres Rekords werden sich die deutschen Spieler am Freitag aber kaum beirren lassen. Mit den USA bekommen sie im ersten Gruppenspiel gleich einen rasanten Kontrahenten aufs Eis gestellt, und ob die 76.152 Zuschauer ihnen bei der erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderung helfen oder sie blockieren, wird spannend zu beobachten sein. "Ich selbst habe in Montreal mal vor 21.000 Zuschauern gespielt", erzählt Reindl, "und schon da werden dir die Oberschenkel dick und die Füße ganz schwer."

Während der Sportdirektor über beeindruckende Kulissen sinniert, bauen rund 100 Arbeiter die Schalker Arena in einen Eistempel um. Dazu wurde der Rasen in seiner Schublade aus dem Stadion hinausgeschoben, und im Innenraum wurden rund um die vergleichsweise klein anmutende Eisfläche Tribünen mit 14.920 zusätzlichen Plätzen aufgebaut. Zusammen mit den regulären 61.232 Plätzen in der Arena ergibt das ein Fassungsvermögen von 76.152 Zuschauern.

Obwohl das Spiel seit Wochen ausverkauft ist, wird es am Freitag Stand-by-Tickets geben, denn jeder Platz, der leer bleibt, wird während der ersten Drittelpause mit Nachrückern besetzt, damit der Weltrekord bloß nicht gefährdet wird.

Sie wagen nicht zu träumen

Mit 1,2 Millionen Euro nimmt das Eröffnungsspiel etwa sieben Prozent des WM-Gesamt-Etats von 17 Millionen Euro in Anspruch, und mit seinen mehr als 76.000 verkauften Tickets knapp ein Fünftel der bislang im Vorverkauf abgesetzten 350.000 Eintrittskarten.

Annähernd so spektakulär wie am Freitag in Gelsenkirchen würde die zweiwöchige WM in Köln und Mannheim wohl nur dann, wenn die deutsche Mannschaft in ihren weiteren beiden Gruppenspielen gegen Finnland (10. Mai) und Dänemark (12. Mai) in der Kölner Arena die Basis für ein erfolgreiches Weiterkommen legt. Die Zwischenrunde der besten zwölf Nationen nennt Reindl als Ziel für die deutsche Mannschaft.

Vom Viertelfinale, das Deutschland bei der Heim-WM 2001 unter Hans Zach erreicht hatte, wagen sie diesmal nicht zu träumen - es sei denn, die deutschen Spieler holen sich vor ihrer Rekordkulisse in Gelsenkirchen so viel Adrenalin, dass es für ein ganz erfolgreiches restliches Turnier ausreicht. Das würde dem Generalsekretär Franz Reindl natürlich am allerbesten gefallen.

© SZ vom 04.05.2010/dav - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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