Eishockey-WM:"Es spielen nicht immer die Besten"

Lesezeit: 2 min

Herzlich willkommen: Routinier Felix Schütz (rechts) nimmt den Neuling Frederik Tiffels nach dessen drei Treffern gegen Lettland im Kreis der WM-Fahrer auf. (Foto: Felix Kästle/dpa)
  • 23 Spieler schaffen den Sprung in das WM-Aufgebot von Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm.
  • Drei von ihnen spielen in der nordamerikanischen Profiliga NHL, auch Leon Draisaitl und Tom Kühnhackl könnten noch nachrücken.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen im Eishockey.

Von Johannes Schnitzler, München

Dass Frederik Tiffels schnell ist, wussten Branchenkenner. Der Linksaußen der Western Michigan University ist flink auf den Beinen, für einen Flügelstürmer durchaus eine vorteilhafte Qualität. Wie schnell sich der 21-Jährige in den vergangenen Tagen in den Vordergrund spielte, verblüfft aber selbst die Experten. In den beiden letzten Tests der deutschen Nationalmannschaft für die am Freitag beginnende Eishockey-WM in Köln und Paris erzielte Tiffels gegen Lettland drei Treffer. Es waren seine Länderspieltore eins, zwei und drei im siebten beziehungsweise achten Einsatz für den Deutschen Eishockey-Bund (DEB).

Durch den 3:2-Erfolg bei der Generalprobe verschaffte Tiffels nicht nur Bundestrainer Marco Sturm "ein gutes Gefühl", er empfahl sich zudem nachhaltig für eine Berufung in das vorläufige WM-Aufgebot. "Er hat alles umgesetzt, was wir verlangt haben, er brennt", sagte Sturm, der den Joker als Mittelstürmer einsetzte. Tiffels überrumpelte sogar eines der international führenden Scouting-Portale, das am Dienstag hinter seinem Namen in der Rubrik Länderspieltore noch immer eine Null führte. DEB-Präsident Franz Reindl staunte: "Dass er so einen Sprung in der Vorbereitung machen kann, ist schon überraschend."

Neben Geschwindigkeit bringt Frederik Tiffels neuerdings also auch Torgefahr mit, eine Eigenschaft, die er mit neun Treffern in 37 Spielen in der nordamerikanischen College-Liga NCAA nicht unbedingt belegt hatte. Weshalb er seinen Dreierpack gegen Lettland auch nicht überbewerten wollte: "Manchmal geht jeder Schuss rein", sagte er am Montag, "und heute war so ein Tag." Verteidiger Christian Ehrhoff war von dem gebürtigen Kölner dennoch beeindruckt: "Er hat sich in der Vorbereitung kontinuierlich gesteigert und gezeigt, dass er dabei sein will", lobte der ehemalige NHL-Profi.

Tiffels' Auftritte machten die Aufgabe für Marco Sturm am Tag, bevor die Mannschaft am Mittwoch ihr WM-Quartier bezieht, etwas kniffliger. 25 Mann darf der Bundestrainer für die WM nominieren. Aus dem 27-Mann-Aufgebot gegen Lettland strich er am Dienstag Verteidiger Pascal Zerressen (Köln) und Stürmer Brent Raedeke (Mannheim). "So kurz vor einem WM-Turnier den Spielern mitzuteilen, dass sie nicht mehr dabei sind, ist besonders hart, aber leider auch Aufgabe des Bundestrainers", sagte Sturm.

Dass er unpopuläre Maßnahmen nicht scheut, hatte der 38-Jährige schon zuvor bewiesen. Den Mannheimer Torhüter Dennis Endras, 2010 bei der bislang letzten Heim-WM als erster und immer noch einziger Deutscher zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt, schickte er ebenso nach Hause wie den Olympia- und sechsmaligen WM-Teilnehmer Kai Hospelt (Köln).

Als Profi war Sturm der Deutsche mit den meisten NHL-Einsätzen (1006), als Trainer hat er die amerikanische Maxime übernommen: "Es spielen nicht immer die Besten, sondern die, die am besten zusammen spielen." Dazu gehören die NHL-Profis Tobias Rieder (Arizona), Dennis Seidenberg und Thomas Greiss (beide New York Islanders) sowie fünf Spieler des deutschen Meisters München. Manchmal, sagt Sturm, entscheide "das Bauchgefühl".

Die dicksten Brocken kommen zuerst

Dieses Bauchgefühl sagt Sturm, dass er besser nicht alle 25 Mann direkt zu WM-Beginn lizenzieren lässt. In den NHL-Playoffs duellieren sich noch Leon Draisaitl (Edmonton) und Korbinian Holzer (Anaheim) sowie Philipp Grubauer (Washington) und Tom Kühnhackl (Pittsburgh). Für diese vier Optionen wird Sturm zwei Lizenzen offenlassen. Deutschland startet am Freitag gegen die USA, danach warten Schweden und Russland - die dicksten Brocken kommen gleich zu Beginn. In der Gruppenphase trifft das DEB-Team dann noch auf die Slowakei, Dänemark, Italien und Lettland. Spätestens für diese vier Spiele, die mutmaßlich über das Erreichen des Minimalziels Viertelfinale entscheiden, dürften die NHL-Profis zur Verfügung stehen.

Vor allem der gebürtige Kölner Draisaitl, 21, der mit aktuell 85 Scorerpunkten Sturms deutschen NHL-Saisonrekord (60) längst übertroffen hat, wäre eine Verstärkung. Für das Lokalkolorit ist solange Frederik Tiffels zuständig, dessen "Traum, in meiner Heimatstadt Köln bei einer WM dabei zu sein", sich über Nacht erfüllt hat.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

NHL-Profi Draisaitl
:Leon Draisaitl - auf dem Weg zu einem der Besten im Eishockey

Mit 21 Jahren ist er bereits der erfolgreichste deutsche Angreifer in der Geschichte der NHL. Nicht wenige glauben, dass er bald noch ganz andere Rekorde brechen könnte.

Von Jürgen Schmieder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK