Eishockey-WM:"Die Jungs sind heiß"

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Deutschland gewinnt gegen Dänemark und zieht in die Zwischenrunde der Heim-WM ein. Ein NHL-Profi sitzt bereits im Flugzeug, um dem Team zu helfen.

Michael König, Köln

Uwe Krupp ging das Problem pragmatisch an: Keinen Treffer hatte seine Mannschaft beim Spiel gegen Finnland erzielt, also verordnete der Bundestrainer seinen Spielern ausgedehntes Torschuss-Training. Was sollte er auch sonst tun? Defensiv hatte seine Mannschaft überzeugt bei dieser Heim-WM, auch kämpferisch ist ihr kein Vorwurf zu machen.

John Tripp (ohne Helm) kämpft um den Puck. (Foto: Foto: dpa)

Es mangelte ein wenig an spielerischer Klasse - und es mangelte an Toren. So war der Einzug in die Zwischenrunde gefährdet, und um die sicher zu erreichen, brauchte es einen Sieg gegen Dänemark, das dank zweier Siege schon für die Zwischenrunde qualifiziert war. Also nominierte Krupp auch Daniel Kreutzer, der zuvor zwar mit der Mannschaft trainiert hatte, aber erst vor diesem Spiel offiziell in den Kader aufgenommen wurde.

Der dänische Torjäger Kim Staal deutete vor der Partie an, man wolle "Deutschland die WM versauen". Und Trainer Per Bäckman tat seine Einschätzung kund, wonach die DEB-Auswahl keineswegs das Niveau von Finnland und den USA habe.

Am Mittwochabend wird Bäckman diese Einschätzung womöglich bereut haben. Und von "WM versauen" konnte auch keine Rede mehr sein. Deutschland gewann gegen Dänemark mit 3:1 und zieht in die Zwischenrunde der Heim-WM ein.

"Die Jungs sind heiß", hatte Krupp seit Beginn des Turniers immer wieder gesagt. Nun war allerdings die Betriebstemperatur gleich zu Spielbeginn leicht überschritten, was Patrick Hager dazu veranlasste, seinen Gegenspieler regelwidrig zu behindern. Er musste auf die Strafbank, wo er kurz darauf Gesellschaft von Alexander Sulzer bekam - Hagers Teamkollege hatte mit seinem Stock gecheckt, was im Eishockey ebenfalls verboten ist.

Vor der Partie war gerätselt worden, ob die Dänen angesichts des schon gesicherten Weiterkommens auch heiß sein würden. Es sah zunächst danach aus: In zweifacher Überzahl spielten sie Deutschland aus. Philip Larsen stürzte sich in einen Schuss eines Teamkollegen und bugsierte den Puck über die Linie. Deutschlands Goalie Dennis Endras und Verteidiger Korbinian Holzer warfen sich auf den Bauch, um noch zu retten - vergebens: 1:0 für Dänemark (4. Spielminute). "Das waren keine dummen Strafen, wir wollten von Beginn an hart auf den Gegner gehen und den Dänen den Rhythmus nehmen", sagte Marcel Goc nach dem Spiel.

Die Deutschen waren nun wütend, auf den Schiedsrichter, den Gegner und wohl auch auf sich selbst, und in kaum einer Sportart lässt sich Wut so gut kanalisieren wie im Eishockey. Das Team von Uwe Krupp sprintete, kämpfte und checkte nun, als habe die innere Temperatur eine unerträgliche Gradzahl angenommen.

Den Dänen blieb gar nichts anderes übrig, als dagegenzuhalten. Diesmal war es Jesper Damgaard, der dabei für den Geschmack des Schiedsrichters zu ruppig zu Werke ging und mit einer Zeitstrafe belegt wurde. Die Deutschen waren nun in Überzahl, und dem NHL-erfahrenen Marcel Goc gelang es, aus der Hitze ihrer Gemüter etwas Zählbares zu machen: Der Stürmer der Nasvhille Predators lenkte einen Schuss des von der Strafbank zurückgekehrten Sulzer ins Netz - der 1:1-Ausgleich.

Kumpelhaftes Durchrütteln

Und die DEB-Auswahl machte so weiter, die Zahl der Torschüsse lag im ersten Drittel bei elf, während die Dänen nur vier Mal schossen. Die deutschen Fans waren in der Pause bester Laune - nicht nur, weil es in der Köln-Arena neuerdings eine Kuss-Kamera gibt, die unter den Zuschauern (potentielle) Liebespaare ausfindig macht und sie so lange filmt, bis Mann und Frau sich küssen - unter dem Gejohle der übrigen Fans.

Es lief die 14. Minute des zweiten Drittels, als sich die Liebe auch auf der deutschen Bank breit machte: Krupp packte seinen Stürmer Felix Schütz an den Schultern, rüttelte ihn kumpelhaft durch und herzte ihn ein bisschen. Schütz hatte soeben das 2:1 für Deutschland erzielt: Nach Vorarbeit von Justin Krueger war er in die Mitte gezogen und hatte dem dänischen Keeper durch die Beine geschossen.

Krupps Team lag nun in Führung, die Dänen wirkten einigermaßen verdattert ob der Leistung ihrer Gegner - und das wurde bestraft. Niko Goc, der eigentlich Verteidiger ist und ein wenig im Schatten seines großen Bruders Marcel steht, traf in der 36. Minute ins Netz.

Die Stimmung in der Halle erinnerte nun stark an die beim Eröffnungsspiel, als 78.000 Fans den 2:1-Sieg gegen die USA bejubelten. Einige der 18.623 Fans krempelten die Ärmel hoch, andere zogen die Jacken aus - auch ihnen war warm geworden. Im letzten Drittel ließ ihre Anfeuerungsleistung etwas nach, was nicht schlimm war, denn auch die Dänen wirkten nun erschöpft, sie ließen im letzten Drittel den Ehrgeiz vermissen, das Spiel noch zu drehen.

Die Deutschen konnten es sich so leisten, ebenfalls etwas Energie zu sparen - für die Zwischenrunde, aber auch für die Ehrenrunde im Stadion, die sie nach Spielende drehen sollte. Es war beim 3:1 geblieben, die Zwischenrunde war erreicht. Weil am Abend Finnland gegen die USA gewann, nehmen Deutschland, Finnland und Dänemark jeweils drei Punkte mit in die Zwischenrunde. Die Amerikaner spielen dagegen in der Abstiegsrunde.

"Wir sind mit dem Druck gut umgegangen, haben sehr gutes Eishockey gespielt und über 60 Minuten Druck gemacht", sagte Krupp nach dem Spiel. In der Zwischenrunde kann Krupp auf NHL-Profi Christian Ehrhoff bauen. Der Bundestrainer bestätigte nach der Partie, dass sich Ehrhoff nach dem Ausscheiden der Vancouver Canucks aus den Playoffs bereits im Flugzeug nach Deutschland befindet und bereits im ersten Spiel auflaufen könnte.

"Oh, wie ist das schön", sang das Publikum nach dem Spiel - und Krupps Problem mit den zu wenigen Torschüssen hatte sich in Luft aufgelöst. Welches Spezialtraining Krupp seiner Mannschaft nun vor der Zwischenrunde verordnet, das wollte der Trainer nicht verraten. Er genoss lieber diesen schönen Moment.

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