Eishockey: Pre-Playoffs:Ein Spiel dauert 110 Minuten

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Der EHC München verliert das erste Playoff-Duell gegen die Kölner Haie nach dreimaliger Verlängerung kurz vor Mitternacht mit 3:4. Damit droht im zweiten Spiel am Freitag schon das Ausscheiden.

Johannes Schnitzler

Es war ein erhebender Moment, als die Protagonisten kurz nach halb acht das Eis betraten: kernige Kerle mit Waden so stramm wie eine gut sitzende Hirschlederne und mit Gesichtern, denen die Größe des Moments anzusehen war. Zwanzigprächtige Burschen, ein jeder eine Zierde für den Freistaat - und, nicht minder zierlich, vier Frauen. Vor dem ersten Playoff-Spiel zwischen dem EHC München und den Kölner Haien schritt die Trachtenkapelle Benediktbeuern zur Tat und intonierte die Bayernhymne: "Gott mit Dir, Du Land der Bayern . . ." Und Gott gefiel, was er sah. Er hielt seine segnende Hand über dieses Spiel und ließ es nicht enden, ehe der neue Tag heraufzog. München verlor dieses Spiel, das Mittwochabend, 19.35 Uhr, begonnen hatte, nach dreimaliger Verlängerung 3:4 (0:1, 1:1, 2:1; 0:0, 0:0, 0:1). Die Zeiger standen auf 23.57 Uhr.

Steht mit dem EHC München vor dem Aus in den Pre-Playoffs: Trainer Pat Cortina. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Köln, acht Mal Meister, dominierte die ersten Wechsel. Nach 20 Sekunden traf Ivan Ciernik den Pfosten, drei Minuten später hatten die Haie ihre erste Powerplay-Situation. Aber das muss gegen den EHC kein Vorteil sein. "München ist gut in Unterzahl", sagt Kölns Trainer Niklas Sundblad. Wie gut, demonstrierte Eric Schneider mit einem Pass, der in Cannes Chancen auf die Goldene Palme für die beste Regieleistung hätte. Der ehemalige Kölner Stéphane Julien hieb übers Tor.

Mitte des ersten Drittels befreite sich der EHC. Die beste Chance bis dahin vergab Bryan Adams, auch er ein ehemaliger Kölner (11.). "Vielleicht lag es an unserer Nervosität, dass wir nicht gewonnen haben", hatte EHC-Coach Pat Cortina am Sonntag gesagt, als München in der ausverkauften Olympia-Eishalle gegen Ingolstadt verloren hatte und am letzten Spieltag aus den direkten Playoff-Rängen gerutscht war. Vielleicht war es dieselbe Nervosität, die München in der mit 3195 Zuschauern bei weitem nicht ausverkauften Halle gegen Köln ins Hintertreffen brachte. Ciernik, 33, aber einer der Agilsten, düpierte EHC-Schlussmann Sebastian Elwing mit einem Bauerntrick. Das 1:0 für Köln (17.), Cierniks 13. Saisontreffer, war für den EHC besonders unglücklich: Die Schiedsrichter gaben ihn nach Ansicht des Videos.

Peppi Heiß, der Torwarttrainer des EHC, hatte vor dieser Partie ja kess behauptet. "Wir wollen Meister werden!" Meister! Mit Ausrufezeichen! Peppi Heiß meinte, dass es doch schade wäre, wenn diese Saison, die dem Aufsteiger in die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) so viel Neues und Schönes beschert hat, allzu rasch zu Ende gehen sollte. Und deshalb sagte Heiß, München wolle Meister werden, denn das würde zwingend ein Überstehen dieser ersten Runde voraussetzen, in der man zwei Siege braucht, um ins Viertelfinale einzuziehen. Nie zuvor hat es ein Neuling so weit gebracht. Aber wenn man erst mal den süßen Geschmack des Erfolges gekostet hat, will man mehr. Und Heiß sollte mehr bekommen. Viel mehr.

Als die Mannschaften zurück aufs Eis kamen, schoss Köln erst einmal das 2:0 (21.). Aber was ist schon ein 0:2. Bei den Haien hat der EHC in dieser Saison ein 0:4 aufgeholt und noch gewonnen. Doch Schneider, Schymainski, Wrigley, abermals Schneider - alle vergaben. Und so ganz allmählich machte sich das Fehlen von Martin Buchwieser bemerkbar. Dem Rookie des Jahres gelingt auch mal ein glückliches Tor. Aber, sprach Peppi Heiß: "Verletzungen haben wir nie als Entschuldigung akzeptiert. Dann müssen andere Verantwortung übernehmen." Also übernahm Uli Maurer, die lange verletzte Arbeitsbiene, und schmetterte den Puck zum 2:2 ins Netz (43.).

München war nun dominant. Schymainski traf den Pfosten, Schneider Torwart Danny aus den Birken - und Mike Kompon zum 3:2 (47.). München hatte den Sieg vor Augen, doch nun wollte Köln nicht so schnell aufgeben - und traf! Matt Pettinger verwandelte einen Penalty, nachdem Elwing seinen Kasten in höchster Not verschoben hatte. 27 Sekunden vor Schluss begann dieses Spiel von Neuem. Ohne Blaskapelle diesmal.

Die erste Verlängerung blieb torlos, 3:3. In der zweiten Overtime war wieder die Technik gefragt. Abermals konsultierten die Schiedsrichter den Videorekorder. Und entschieden: kein Tor für Köln. Also: weiter. Fünftes, nun ja, Drittel. Keine Tore. 3:3. Die Stadionregie spielt dezente Unterhaltungsmusik, es geht auf Mitternacht zu. Dritte Verlängerung. Vorlage Mike Kompon auf Dave Reid - Reid pennt. Kein Wunder. Dann kommt Philip Gogulla und schießt das 4:3 für Köln. Tor? TOR! In der 111. Minute. Die Haie liegen vorn.

Am Freitag geht es weiter. Diesmal im Rheinland.

© SZ vom 17.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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