Dritte Liga:Zurück ins Stellwerk

Lesezeit: 3 min

Die dunklen Wolken über den Sportpark Unterhaching haben sich erst einmal verzogen. Ein Jahr lang ist die Nutzung jetzt geregelt. (Foto: Oryk Haist/imago images)

Für die SpVgg Unterhaching ist der Abstieg kaum mehr abzuwenden. Die Ursachen für den sportlichen Niedergang sind vielfältig. Präsident Manfred Schwabl plant einen kapitalen Schnitt - er will sich von einem Großteil des Kaders trennen.

Von Stefan Galler, Unterhaching

Sieben Punkte Rückstand auf die Nicht-Abstiegsplätze, aber nur noch fünf Spiele zu absolvieren: Rechnerisch wäre der Klassenerhalt für die SpVgg Unterhaching in der dritten Liga noch möglich. Weil aber auch einige Konkurrenten noch gegeneinander spielen, müssten die Rot-Blauen mindestens vier der fünf Partien gewinnen, um überhaupt noch eine Chance zu haben. Und genau das erscheint nach der Leistung vom Mittwoch gegen Türkgücü (0:2) mehr als fraglich. Geht das Gastspiel beim 1. FC Kaiserslautern diesen Samstag (14 Uhr) in die Binsen, könnte es das bereits gewesen sein.

Für Präsident Manfred Schwabl sieht die Sache ohnehin eindeutig aus: "Bevor ich mich hinsetze und irgendwelche Konstellationen ausrechne, schaue ich lieber beim Jugendtraining zu", sagt er und wiederholt seine Kritik vom Mittwoch: "Es ist einfach ein Irrsinn, wenn man beim allerletzten Endspiel so eine Leistung abliefert." Kaum einer habe sein "Herz für Haching auf den Platz geworfen", die Vorstellung habe "mit Abstiegskampf nullkommanull zu tun" gehabt, das sei eine "Breitensportveranstaltung" gewesen.

Nur wenige gestandene Spieler sollen bleiben. Schwabl will vor allem mit eigenen Talenten arbeiten

Es drängt sich die Frage auf, worauf die Misere beim Tabellenletzten eigentlich beruht. Immer wieder schluckt die Mannschaft frühe Gegentore, von denen sie sich wie zuletzt in Wehen (0:1) und gegen Türkgücü nicht erholt. Dazu kommen teilweise haarsträubende Abwehrfehler und eine ganz schwache Chancenverwertung, was fast jedes Mal in knappe Niederlagen mündet. All diese Aspekte zogen sich wie ein roter Faden durch die ganze Saison. Für Schwabl auch eine Einstellungssache: "Ich Depp bin davon ausgegangen, dass es ganz normal ist, einem Leben als Fußballprofi alles unterzuordnen, auch was Ernährung und Fitness angeht. Leider bin ich eines Besseren belehrt worden." Und darum stellt er schon jetzt klar, dass der Kader in Zukunft ein anderes Gesicht haben wird: "Wir holen die Lokomotive jetzt nochmal ins Stellwerk, und wenn der Zug Unterhaching dann losfährt, wird niemand mehr an Bord sein, der nicht die nötige Leidenschaft mitbringt."

Dass ausgerechnet Mentalitätsspieler wie Josef Welzmüller und Dominik Stahl (beide Kreuzbandriss) seit vielen Monaten verletzt ausfallen und Mittelstürmer Stephan Hain (Knie) erst seit wenigen Wochen wieder zur Verfügung steht, hat die Situation nicht gerade einfacher gemacht. Alle drei zählen zum Kreis derer, mit denen man im Verein auch für die Zukunft in der vierten Liga plant. Dagegen spielen einige Akteure offensichtlich schon jetzt keine Rolle mehr, etwa Luca Marseiler, Felix Schröter oder Jannik Bandowski.

Alles nur gepachtet. Noch gehört das Stadion, in dem Spielvereinigungs-Maskottchen Fonsi dem Präsidenten Manfred Schwabl auf die Schulter klopft, der Gemeinde. (Foto: Claus Schunk)

Doch auch mit einer Vielzahl an Spielern, die derzeit noch regelmäßig zum Einsatz kommen, plant Schwabl offenkundig nicht mehr. Am Mittwoch hatte der Präsident am Rande des Türkgücü-Spiels bestätigt, dass als "Ankerspieler" für die neue Saison lediglich Welzmüller, Hain, Stahl, sein Sohn Markus Schwabl, Niclas Anspach und Patrick Hasenhüttl infrage kämen. Auf SZ-Nachfrage nennt er auch Max Dombrowka, dem er ein Vertragsangebot in Aussicht stellt. Mit Torwart Jo Coppens, 30, der erst im Winter geholt wurde, soll es ebenfalls ein Gespräch geben, man wolle mit einem erfahrenen Schlussmann in die neue Saison gehen. Mit allen anderen werde nicht mehr geplant.

Der Rest des neuen Kaders werde dann ausschließlich aus eigenen Jugendspielern bestehen, Felix Göttlicher, Jannis Turtschan, beide 19, Boipelo Mashigo, 18, Fynn Seidel, 17 und auch Christoph Ehlich, 22, seien jene Talente mit Profierfahrung, auf die der Klub in Zukunft setze. "Wir wollen eine regionale Kampfmannschaft formen und können zudem in unserem Nachwuchsleistungszentrum aus dem Vollen schöpfen", sagt Schwabl.

Trainer van Lent hat keinen Vertrag für die Regionalliga. Gesucht wird "ein regionaler Jürgen Klopp"

Bleibt die Frage, wie es mit dem Trainer weitergeht. Arie van Lent hat bei den Fans keinen Kredit mehr, schon vor einigen Wochen hatten jene seine Ablösung in einem offenen Brief gefordert, manche behaupten sogar, die Mannschaft spiele gegen den Übungsleiter. Doch Schwabl hielt ihm stets die Treue, womit Haching neben Aufsteiger Lübeck das einzige Team in der Abstiegszone ist, das seinen Coach nicht gewechselt hat, selbst beim FC Bayern II gab es eine Personalrochade.

Van Lent wird insbesondere vorgeworfen, am Spielfeldrand oft zu leidenschaftslos zu sein, er habe die Mannschaft auch spielerisch nicht weiterentwickelt. Dementsprechend ist kaum davon auszugehen, dass er über die Saison hinaus bleiben wird. Insbesondere, weil der Vertrag des Niederländers in der Regionalliga keine Gültigkeit hat.

Was den Weg freimachen würde für eine Rückkehr des Sportlichen Leiters Claus Schromm, der seit März eine Auszeit genommen hat, wie es damals von Vereinsseite hieß. Beobachter vermuten, dass Schromm eine Trennung von van Lent gefordert habe, Schwabl dem Drängen seines langjährigen leitenden Angestellten jedoch nicht nachgeben wollte. Dass es zwischen Schromm und van Lent zum Bruch gekommen sei, will der Präsident nicht dementieren, bestätigt es aber auch nicht. Sehr wohl aber, dass eine Rückkehr des Ex-Trainers im Sommer, vermutlich auch wieder in leitender Funktion, durchaus ein Thema werden kann.

Bleibt die Frage, wer die junge Mannschaft als Chefcoach formen soll. Wieder beginnt die Suche nach einem "regionalen Jürgen Klopp" (Schwabl), die im Vorjahr mit der Verpflichtung des keineswegs regionalen van Lent endete. Für das Assistenten-Duo Robert Lechleiter/Roman Tyce käme die Aufgabe zu früh, sagt Schwabl, der sich ansonsten zur Trainerfrage nicht äußern will. Er jedenfalls werde weiterkämpfen, wie er das schon als Profi "in 303 Bundesligaspielen" getan habe. Seinen Humor hat er dabei noch nicht verloren: "Wegen des ganzen Ärgers bin ich offenbar geschrumpft. Früher war ich 1,70 Meter groß. Neulich habe ich nachgemessen: Es sind jetzt nur noch 1,69 Meter."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: