Dritte Liga:Unaufhaltsam abwärts

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Leerer Blick: Unterhachings Mittelfeldspieler Niclas Stierlin nach der 0:2-Niederlage gegen Mannheim, die den Abstieg der SpVgg besiegelte. (Foto: Sven Leifer/imago images/foto2press)

Die SpVgg Unterhaching muss in die Regionalliga absteigen. Die Ursachen für die Talfahrt sind vielfältig, nun gilt es, mit einer Handvoll Routiniers und vielen Talenten wieder nach oben zu kommen.

Von Stefan Galler, Unterhaching

Ein Abstieg ist nie schön, aber am Mittwochabend im Unterhachinger Sportpark erhielt das Wörtchen Tristesse noch einmal eine besonders Betonung: Nasskalt war es, dazu die gespenstische Atmosphäre, die Geisterspiele nun mal so an sich haben. Die trostlose Vorstellung der Heimmannschaft passte jedenfalls zum Ambiente, nach der 0:2 (0:1)-Pleite gegen Waldhof Mannheim ist die SpVgg nicht mehr zu retten. Weil zeitgleich Meppen gegen Zwickau punktete (0:0), steht der frühere Bundesligist als erster Absteiger aus der dritten Liga fest. Anders als sonst zu einem solch unerfreulichen Anlass musste jedoch niemand unter Heulkrämpfen von den Kollegen gestützt werden - zu deutlich hatte sich in den letzten Wochen abgezeichnet, auf was das alles hinauslaufen würde. "Der Trend hat gegen uns gesprochen", sagte also Trainer Arie van Lent und berichtete von der Stimmung in der Kabine: "Es war weitgehend still. Der ein oder andere hatte einen Wutausbruch, jeder verarbeitet so etwas auf seine eigene Art."

Fußballfans tun das meist, indem sie auf jene losgehen, die sie für den Niedergang verantwortlich machen. Auch am Mittwoch in Unterhaching versammelten sich nach dem Spiel frustrierte Anhänger vor dem Stadion, etwa drei Dutzend waren es, die meisten davon um die 20 und mit Bierflaschen bewaffnet. Angesichts eines fast ebenso großen Polizeiaufgebots blieb eine Eskalation aus.

Einer, dem keiner vorwerfen kann, er würde nicht immer alles in die Waagschale werfen, ist der Kapitän: Markus Schwabl, der Sohn von Präsident Manfred Schwabl, meldete sich am Donnerstag in den sozialen Medien zu Wort. "Innere Leere trifft es am besten. Wirklich einer der schwärzesten Tage meiner Karriere", schreibt der 30-Jährige. Es tue unglaublich weh, "dass wir all die Leute, die ihr gesamtes Herzblut in dieses Projekt gesteckt haben, enttäuscht haben", so Schwabl weiter.

Frühe Gegentore, zumeist knappe Niederlagen und viel Verletzungspech prägten die Saison der Hachinger

Es drängt sich die Frage auf, wie es überhaupt so weit kommen konnte für eine Mannschaft, die von gegnerischen Trainern oft für ihre spielerische Qualität gelobt wurde. Von eben jener büßten die Hachinger schon eine ganze Menge ein, bevor auch nur eine Partie dieser Saison gespielt war: Sascha Bigalke und Jim-Patrick Müller wurden trotz laufender Verträge vom Präsidenten aus der Kaderliste gestrichen. Er hatte sie maßgeblich dafür verantwortlich gemacht, dass man schon in der vergangenen Saison von Rang drei zu Beginn der Corona-Krise bis auf Platz elf am Saisonende abstürzte.

Dazu gesellte sich schon bald eine fast unheimliche Verletzungsserie, vor allem bei den wenigen Routiniers im Kader: Dominik Stahl, Josef Welzmüller (beide Kreuzbandriss) und Stephan Hain (Knie-Arthroskopie) fielen allesamt monatelang aus, Verteidiger Marc Endres musste wegen einer Sprunggelenksverletzung gar seine Karriere vorzeitig beenden. Viele der zweifellos hochtalentierten Nachwuchskräfte konnten noch kein stabiles Drittliganiveau nachweisen. Andere, so hört man intern, hätten es an der notwendigen Professionalität im Privatleben fehlen lassen.

Die Folge war sportlicher Misserfolg, immer wieder geriet Haching schon nach wenigen Spielminuten in Rückstand, die meisten der bisher 23 Saisonniederlagen waren knapp, nicht selten hätten die Partien auch andersherum ausgehen können. Und doch ging es immer weiter bergab, seit der 3:4-Heimniederlage gegen Verl im Januar, als man bis kurz vor Schluss mit 3:1 führte, nahm die Abwärtsspirale Fahrt auf. Und so stehen ganze zwei Siege aus den vergangenen 21 Partien zu Buche, 16 dieser Begegnungen gingen verloren.

Trainer van Lent geriet ins Visier der Fans - er hat keinen Vertrag für die Regionalliga

Kaum überraschend rückte Trainer van Lent ins Zentrum der Kritik, der die Talfahrt ohne große Emotionen am Spielfeldrand hinnahm und abgesehen von Strafaktionen gegen einzelne Spieler kaum Reaktionen zeigte. Das rief die Fans auf den Plan, sie forderten die Entlassung des Niederländers und hatten womöglich im Sportlichen Leiter und langjährigen Trainer Claus Schromm einen Fürsprecher. Doch Präsident Schwabl stärkte dem Coach den Rücken, Schromm zog sich - zumindest vorerst - aus dem Klub zurück.

Es ist kaum davon auszugehen, dass van Lent, der keinen für die Regionalliga gültigen Vertrag hat, in Haching bleiben wird. Schromm dürfte zurückkehren, aber nicht als Trainer. Vielmehr begibt sich Schwabl auf die Suche nach einem "regionalen Klopp", das hat er bereits angekündigt. Die Routiniers Welzmüller, Hain, Stahl und Schwabl junior sollen gehalten werden, dazu Patrick Hasenhüttl, Niclas Anspach, womöglich Max Dombrowka und eventuell Torwart Jo Coppens, der seine Kollegen gegen Waldhof vor einem noch übleren Debakel bewahrte. Der Rest könne gehen, das hat der Boss schon nach dem 0:2 gegen Türkgücü vor zwei Wochen angekündigt.

Man werde nun voll auf den Nachwuchs setzen, so Schwabls Credo. Auch, um Talente gewinnbringend zu verkaufen, wie dies bei Karim Adeyemi und Nico Mantl (beide RB Salzburg) gelungen ist. In der Regionalliga trifft die SpVgg beispielsweise auf mindestens zwei Klubs aus dem ambitionierten Trio Bayreuth, Schweinfurt und Aschaffenburg, die untereinander noch einen möglichen Drittligaaufsteiger ermitteln. Dazu kommt eventuell die U23 des FC Bayern, die in Liga drei mehr denn je im Abstiegssumpf hängt. Ein Wiederaufstieg der Hachinger wird vermutlich kein Selbstläufer.

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